OK Boomer!

“OK Boomer” ist ein Meme, das eine popkulturelle Distanzierung zur Babyboomer-Generation darstellt. Einer Generation, die mit ihrem Lebensentwurf ständig eine moralische Überlegenheit gegenüber Millenials und Generation Z ausübt, gleichzeitig den Planeten zerstört und nicht einmal den Router neu starten kann.

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5 min readDec 20, 2019

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Der namensgebende Baby-Boom dauerte von circa 1940 bis 1960 an und brachte eine Generation mit dem Selbstverständnis hervor, etwas geschafft zu haben und mit ihren Idealen und ihrem Leistungsethos einmalig zu sein. Wissen ist situativ und heute wissen wir: Die Lebensleistung dieser Boomer ist eine kaputte Welt.

Das Ok Boomer Meme hat seinen Ursprung in einem Zitat: “Millennials and GenZ have the Peter Pan syndrome, they don’t ever want to grow up; they think that the Utopian ideals that they have in their youth are somehow going to translate into adulthood”. Auf diesen Satz antworteten ihm unzählige GenZ’ler mit “Ok Boomer”. Was wollte er der GenZ damit sagen? Und warum genügen der Generation Z darauf nur zwei Worte als Antwort?

Das Überlegenheitsgefühl der Boomer baut auf einer angelernten Zurücknahme des eigenen Lebensentwurfs auf, häufig zugunsten einer ungeplanten Familiengründung, dem Allgemeinwohl oder dem Antritt einer Familiennachfolge. Sie folgten dabei dem Verständnis einer gesellschaftlichen Ordnung, die dadurch existiert, dass verschiedene Positionen und Rollen in ihr vergeben werden. Welche Rollen das sind, wurde damals meist von Außen (Familienbetrieb und Fachkräftemangel) oder durch extreme Zustände (Krieg und Hunger) bestimmt. Selbstverwirklichung gab es nur für einige Wenige und funktionierte dann meist als eine Gegenposition zu dieser gesellschaftlichen Ordnung. Künstler, Schriftsteller, Sänger und Modeschöpfer machten es sich zur Aufgabe Missstände aufzuzeigen oder schillernde Gegenentwürfe zum Bestehenden zu kreieren.

Alte Ziele und neue Motivation

Das vermeintlich gute Leben der Boomer wurde deshalb knapp neben der persönlichen Entwicklung gesucht und an allgemeinen Schauplätzen wie Bildung, Gehalt und Prestige gefunden. Kategorien, die für die GenZ bereits einen weitaus weniger wichtigen Stellenwert haben.

Auch im Privaten gilt, was bei den Boomern noch nach gutem Leben aussah und schmeckte (rauchen, trinken, BBQ, viel Fleisch, dicke Autos und Fernsehen) ist bei der GenZ wissenschaftlich ad absurdum geführt und uninteressant.

Die beiden Generationen schielen müde aneinander vorbei, denn was derzeit aus Boomer-Perspektive noch nach Öko-Verzicht aussieht ist für die GenZ keine richtige Entscheidung, kein Zurückhalten mehr. Was umgekehrt bei der GenZ ein präzises und jeden Freitag neu ausformuliertes Bedürfnis darstellt, nämlich eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten, ist für die Boomer eine Parallelgesellschaft. An der Spitze des Begehrens dieser neuen Generation steht schon längst keine C-Klasse mehr, sondern eine neue Form der Selbstverwirklichung — und die moralische Überlegenheit der Baby Boomer gerät gefährlich ins wanken.

“For the best a man can be” — OK Boomer.

“Ok Boomer” ist die Stufe von Ablehnung zu Utopie und die wird überall spürbar, besonders im Umgang mit neuen Produkten. Ein Beispiel: Gillette hat über Jahrzehnte ein ziemliches stupides Männerbild gezeigt und erfährt gerade, wie sie damit jüngere Käufer nicht mehr ansprechen. Die Aufmerksamkeits-Physik des Internets verzeiht keine allgemeinen Aussagen, also werden die Botschaften fetter gemacht, damit sie länger halten. Das Ergebnis sind Werbespots (link zum Video), in denen Gillette nun nicht nur den Bart, sondern auch das toxische Männlichkeitsbild wegrasieren will.

Die GenZ ist auf Selbstverwirklichung fokussiert. Produkte werden im Zuge dessen zu Werkzeugen, die einem anderen, neuen, oft höheren Zweck oder Sinn dienen sollen und nicht nur stupide konsumiert werden. Die Maslowsche Bedürfnispyramide wird generationenübergreifend erklommen. In den Kulturwissenschaften erklärt man sich dieses Phänomen damit, dass es eine Art kulturelles Gedächtnis gibt. Nachwachsende Generationen setzen ihre Entwicklung sozial jeweils auf der Stufe an, die Vorgängergenerationen bereits erreicht und kultiviert haben. Ein Bruch zwischen den Generationen ist so vorhersehbar — wo er entsteht jedoch nicht.

Die Klimakrise ist der Konflikt, den die Purpose-Diskussion braucht

Diesem eigentlich kultivierten Vorteil, auf vorhergehende Generationen aufbauen zu können, steht nun erstmals ein ebenso sorgfältig kultiviertes Problem gegenüber. Die Boomer-Generation verargumentiert ihre C-Klasse als den kleinen Luxus nach einem langen Leben der harten Industriearbeit und lässt keine Kritik daran zu. Die Erkenntnis, dass sowohl ihre Arbeit an der Welt, als auch ihr anschließendes darauf Ausruhen ein Kern des Problems sind, träfe sie doppelt hart. Zugemüllte Ozeane, steigende Meere und brennende Wälder sind Probleme bei denen uns das kulturell überlieferte Wissen nicht hilft, sondern hindert und bereits bei Schülern Zukunftsängste schürt. Die Klimakrise wirft aufgrund ihrer zeitlich extrem ausgedehnten Spanne zwischen Verursachung und Wirkung nicht nur eine ganz neue, generationsübergreifende Verantwortung auf, sondern konfrontiert auch einzelne Konsumenten mit der Relevanz von Handlungsfolgen, die bisher beim Konsum schlicht keine Rolle spielten.

Während in der Politik geradezu hektisch rotiert wird, bietet die Wirtschaft ihren Konsumenten keine Angeboten in diesem Sinne, sondern möchte sich mit “Purpose” durchmogeln.

Marken und Produkte versuchen stetig sich zu ändern, zu transformieren, um mit der nächsten Bedürfnisstufe mithalten zu können. Das ist häufig unglaubwürdig und gelingt am schwersten an der Spitze, weil die Radikalität des Neuen verleugnet und somit immer noch an alten Produkten und nicht neuen Problemlösungen festgehalten wird. So ist beispielsweise das Hinterfragen von Gender-Rollenbildern prinzipiell lobenswert und trifft den Puls der Zeit — die Rasierklinge als Austragungsort dieser Wandlung eher unglaubwürdig.

Für Unternehmen ist es schwerer als je zuvor, schlechte Produkte zu vermarkten. Reputation ist etwas, dass in Zukunft aktiv gemanaget werden muss und nicht daraus bestehen kann, schlechte Rezensionen zu entfernen. Die öffentliche Aufmerksamkeit und die technologischen Möglichkeiten, mit denen sie ausgestattet ist, befeuern eine Überprüfung von Produkten und deren Versprechen auf ihren vermeintlichen “Purpose” hin. Eine Rasur die “The best a man can be” verspricht und blutende Gesichter zurücklässt ist gut gemeint, macht aber den Unterschied zwischen “Purpose” und Produkten, die tatsächlich aus neuen Sinnräumen heraus entstehen besonders deutlich. Um als glaubhafter Akteur wahrgenommen zu werden, muss transparent agiert werden oder neue Akteure im Feld gründen sich aus einem Leitmotiv heraus, dem die Konsumenten zustimmen und vertrauen.

Tatsächlicher Sinn ist meistens nur an drei Orten zu finden: Den Produkten selbst, ihrer Produktionsweise oder den Akteuren, die sie produzieren.

Die Rettung des Planeten, das Abwimmeln der Boomer und der Generation-Z-Konflikt sind deshalb mehr als eine Utopie, weil sich in diesem Moment, in dem wir gerade Leben, nicht nur der Drang einer Generation mit den äußeren Begebenheiten (einer Veränderung des Weltklimas) bündelt, sondern auch die technischen Möglichkeiten bereitstehen, um aktiv zu werden.

child kollaboriert mit ambitionierten Unternehmen, um sie bei der Digitalisierung durch radikale Vereinfachung von Null auf Eins zu bringen.

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