Today at Apple in einem Apple Store in NYC

Retail Differentiated Hardware

Dieser Artikel ist die dritte Abhandlung zur Frage, wie es mit Retail in einer Welt der Same-Day-Delivery weitergehen kann. Er stellt einen Lösungsrahmen vor, der Retail vom passiven Opfer der Digitalisierung in eine aktive Rolle bei der Differenzierung von Produkten und Services bringt.

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4 min readJan 17, 2019

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Was man bei Apple verstehen muss, ist, dass der hohe Preis etwas mit der Qualität der Hardware zu tun hat und natürlich mit der Aura der Marke. Aber die Unterscheidung, die den Premium-Preis rechtfertigt, entsteht nicht durch poliertes Alu, sondern durch Software und ihre befähigende Wirkung auf die Hardware selbst. Aus einem Interview mit Jobs aus dem Jahr 2008, in dem er die Basislogik erklärt:

“Our theory on iPhone is that phone differentiation used to be about radios and antennas and things like that. We think going forward, the phone of the future will be differentiated by software. That was our theory going into this market, that we were reasonably good at creating innovative software and that we could leverage a tremendous amount of software that we’ve been working on for the last decade and actually put it in a mobile device.”

“Software Differentiated Hardware” sorgt dafür, dass das iOS-Betriebssystem in einem iPhone nahtlos mit der Hardware verbunden ist. Das macht eine Produkterfahrung möglich, die andere Hersteller nicht hinbekommen (siehe ARKit, 3D-Touch, Face-ID, Fingersensoren, iMessage, aber auch Verknüpfung mit iTunes, Apple Music etc.). Endkonsumenten treffen keine rationalen Entscheidungen (im Gegensatz zu B2B Kunden), lassen sich deshalb stark von einem Gefühl leiten, dass eine schöne Produkterfahrung ausübt. Samsung baut auch High-End-Smartphones, nutzt aber weitestgehend die gleiche Software wie Huawei und Co, nämlich Android, und hat dadurch nicht die gleiche Chance zur Softwaredifferenzierung. Ergo ist die Produkterfahrung schon okay, aber irgendwie okay rechtfertigt eben keinen Premium-Aufschlag. Wer die neuste Generation der Huawei oder Samsung Smartphones in den Händen hält, fragt sich wirklich, wo heute eigentlich die Qualitätsunterschiede zu einem iPhone X liegen sollen.

Es gibt ein industrieübergreifendes Rennen, Differenzierung von Hardware durch integrierte Software herzustellen. Nur bauen nicht alle Firmen Smartphones, bei denen diese Kombi naturgemäß Sinn macht. Auch bei Airlines, Autos, sogar Weckern und Waagen wird versucht, durch eine wahnsinnig gute Customer Experience Unterscheidbarkeit zu schaffen. Wenn Software nicht sowieso vorhanden ist, wird sie kurzerhand dazu entwickelt — Waagen bekommen WiFi, Bluetooth und Apps, Autohersteller bauen In-Car-Entertainment Systeme, Besitz-Apps oder allerlei Assistenz-Apps. Airlines versuchen, sich durch schlanke Buchungssysteme und einfache Self-Services von anderen abzuheben. Das Mantra der 7-Sterne Customer Experience wird überall versucht umzusetzen.

Aber: Auch wenn die Lufthansa App besonders einfach zu bedienen und auch schön ist und Self-Check-In schon sowas wie ein Service genannt werden kann, darf zu bezweifeln sein, dass dadurch Wechselhürden entstehen. Bleibe ich wegen der Lufthansa-App der Lufthansa treu? Oder wegen der MyAudi-App, Audi? (Durch Programme wie Miles und More ganz sicher, aber die Bindungswirkung von “Geld sparen” oder “Punkte sammeln” braucht man nicht lange analysieren.)

Retail differentiated Hardware (and Services)

Die Digitalisierung zwingt Retail in ein neues Rollenbild und die zunehmend-fehlende Unterscheidbarkeit von Produkten und Services ist der Humus, auf dem dieses neue Rollenbild entsteht. “Engage” wird zum Retail-Fundamental und stellt der gottgleichen Erfolgsmetrik des “Umsatz pro Quadratmeter” im Retail ein neues Konzept entgegen.

Mit “Engage” wandelt sich Retail zu einem strategischen Punkt innerhalb der Produkterfahrung und Produktnutzung. Ein Ort ist Impulsgeber, nirgendwo lässt sich eine Marke besser erleben. Auf der einen Seite haben wir also die Ahnung, das “Experiences” das sind, was Retail neben dem Abverkauf gut kann. Auf der anderen Seite haben wir Produkte und Services, die immer ähnlicher werden. Daraus formt sich die Strategie, Hardware und Services durch perfekt eingewobene Retail-Erlebnisse zu differenzieren.

“Retail Differentiated Hardware” meint, dem stationären Handel eine aktive Rolle im Produkterlebnis zu geben, Retail in das Produkt zu konzipieren, unabhängig von Transaktion und Reklamation oder ähnlichen. Wir sehen heute schon erste Bewegungen in diese Richtung, wenn Autohersteller wie BMW Parkplatz-Apps aufkaufen oder selber aufbauen, um es BMW-Kunden einfacher zu machen, in die Innenstadt zu fahren. Infrastruktur wie Parkplätze differenzieren das eigentliche Produkt und der Besitz eines BMW wird besser, weil die Produkterfahrung durch einen Service-Layer besser wird. Ein anderes Beispiel ist Apple. War Software Differenzierungswerkzeug der letzten Jahre, werden die Apple Retail Flächen im “Townsquare” Konzept die Differenzierung der kommenden Jahre. Mit “Today at Apple” wird ein Universum aus Produkterfahrungen geschaffen, die eng verzahnt mit der Hardware selbst und den Services sind. Die Events und Veranstaltungen bei “Today at Apple” sind eine Art Wirkbeschleuniger für alle Apps (Programme) und damit Funktionalitäten, die in den Produkten stecken. Wenn Entwickler Spiele für iOS entwickeln, gibt ihnen das Apple Townsquare-Konzept die Chance, bestimmte Produkterfahrungen und/oder Features im Retail stattfinden zu lassen (Hacks, Multiplayer-Gatherings, …).

“Today at Apple”

Mit dem Kauf eines Produkts kauft man sich immer auch Zugang zu einer Marke und in der neuen Retail Realität zunehmend auch zu ihrer Infrastruktur. Wenn beispielsweise Mercedes darüber nachdenkt, wie die Stores in Zukunft aussehen, muss es ein Szenario für zukünftige Wechselhürden bauen: Wenn ein Kunde keinen neuen Mercedes mehr kauft, was passiert dann mit den ganzen Dinnerabenden im MercedesMe-Store, den gemeinsamen Ausflügen der SLK-Fahrer, Lesungen, spontanen Begegnungen beim Kaffee, vielleicht den Weiterbildungen, oder Trainings, oder aber den Kunstbesuchen und exklusiven Zugängen zu Parties, die sich der Kunde mit “Das Beste oder nichts” eben auch gekauft hat?

child kollaboriert mit ambitionierten Unternehmen, um sie bei der Digitalisierung durch radikale Vereinfachung von Null auf Eins zu bringen.

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