Verschwörungserzählungen sind destruktive Affirmationen — Teil 3

Die Résistance ist allgegenwärtig und Global -Verschwörungsmythen sind ein Teil davon.

Chili Prepper
Chili Prepper’s Sauce
7 min readFeb 6, 2024

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Wir hatten angefangen, das Denken, bezüglich Verschwörungsmythen, zu betrachten. Sind darauf in die grundsätzliche Tiefe des Denkens vorgestoßen, was eher oberflächlich ist und haben uns dann zwangsläufig mit dem Schlussfolgern beschäftigt. Wir haben dabei gesehen, wie unfrei uns Schlussfolgerungen machen, wie abhängig wir infolge von ihnen werden und was das mit uns macht. Aber hier bleibt uns noch ein kleiner Baustein zu betrachten und das ist die Résistance. Mit Résistance ist hier nicht die französische, antifaschistische Résistance zur Zeit des Zweiten Weltkrieges gemeint.

Nein, es geht hier um nichts Geringeres als die globale, menschliche Résistance, die fast zu jeder Zeit, aber womöglich heute mehr als in früherer Geschichte operiert. Öfter, weil Menschen sich heutzutage nicht mehr, wie früher, ihrer Mühsal und Leiden so schicksalhaft ergeben.

Nepalesischer Träger auf dem Weg Richtung Mount Everest Basecamp, Foto Autor

Heute suchen sie nach Antworten und Erklärungen, wie es zu ihren Leiden gekommen ist und wie es zu verstehen ist. Aber was könnte diese globale, menschliche Résistance eigentlich genau sein?

Die globale Résistance, ist einfach ausgedrückt – Widerstand

Das Wort Résistance bedeutet Widerstand. Widerstand gegen Besatzung, gegen fremde Mächte und Ungerechtigkeiten. Aber auch Widerstand gegen das Tatsächliche, gegen das So-Sein der Dinge. Es bedeutet sich dagegen zu sperren, zu wehren und dagegen anzukämpfen. Das Wort Résistance ist eher positiv besetzt, aber damit ist nicht gesagt, dass es sich bei Widerstand um etwas Positives handeln muss. Widerstand kann auch ein Handeln gegen die Vernunft, gegen Einsicht und gegen den gesunden Menschenverstand sein.

Das Glauben an Verschwörungsfabeln ist Résistance, es ist Widerstand und gehört genauso in die Kategorie Widerstand, so wie jedes andere mit der Wirklichkeit hadernde Gedankengut. Dieser Widerstand ist nicht nur Widerstand, dieser Widerstand ist eine Reaktion und darum nichts Originäres. Widerstand ist, wenn sich damit identifiziert wird, in seiner Natur unfrei. Er ist Anhaftung und damit Abhängigkeit von Konzepten und Glaubensvorstellungen.

Der Mensch sucht Zuflucht im Verschwörungsdenken, wähnt sich besser als die vermeintlichen „Schlafschafe“, sieht aber auch nicht in seiner eigenen Verblendung, seine Anhaftung und Abhängigkeit von diesem Thema.

Anhaftung wird nur spürbar, wenn die eigene Grenze dort infrage gestellt oder angegriffen wird und es einem deswegen unwohl oder befremdlich wird und man eine emotionale Reaktion hat.

Wenn es um menschliche Freiheit und Unabhängigkeit in unserer Zeit geht, dann geht es meistens nur um sie oberflächlich. Freiheit bedeutet für uns, dass der Marktkapitalismus, unsere Bewegungsfreiheit, unsere Meinungsfreiheit und unsere politische Teilhabe nicht eingeschränkt sind. Ansonsten ist Freiheit meist nur auf einer rhetorischen, abstrakten Ebene ein Debattierbegriff, er hat darüber hinaus keinen wirklichen Bezug zur Realität und zu unserem Leben. Freiheit ist, abgesehen von den oben erwähnten Freiheiten, für uns keine universale Notwendigkeit, die elementar zum Leben dazugehört.

Freiheit bezüglich des eigenen Schauens, der eigenen Untersuchung der Dinge, so wie der Untersuchung der eigenen Position, hat in unserer Gesellschaft fast keinerlei Bedeutung. Weil das Thema Klarheit, welches mit Freiheit zusammenhängt, auch wenig Bedeutung hat.

Der Widerstand des Verschwörungsgläubigen und daraus folgernd sein Glaube an die Wahrhaftigkeit seiner Erzählungen bedeuten für ihn zwangsläufig einen Verlust seiner Neutralität. Ein Verlust der Neutralität in seiner Wahrnehmung der Realität und in seiner Untersuchung der Wirklichkeit, falls überhaupt eine Untersuchung stattfinden sollte.

Geistige Unabhängigkeit ist kein Thema für uns Menschen, auch weil unserer Konditionierung Abhängigkeit bedeutet. Unsere Unfreiheit ist nicht direkt wahrnehmbar, wir können uns nicht auf eine erhöhte Position begeben und auf sie herabsehen, oder sie im Außen finden. Das Problem mit Unfreiheit ist, dass sie unsere Position ist, wir sind unsere Konditionierung und von diesem Punkt aus ist sie nicht wahrnehmbar.

Aber da sind wir schon bei Krishnamurtis „Der Beobachter ist das Beobachtete“ angelangt, welches aber hier nicht Thema sein soll. Es soll hier nicht Thema sein, weil wir den Punkt Widerstand angeschnitten haben und passend dazu können wir uns ein anderes Krishnamurti Zitat zu Gemüte führen.

Krishnamurti und la Résistance

Unser Widerstand der Welt gegenüber, sowie der Widerstand des einzelnen Menschen, ist prägend für ihn und seine Persönlichkeit. Unser Widerstand definiert uns. Krishnamurti sagt dazu:

Eigene Übersetzung

Jedes Mal, wird aus unserem Widerstand heraus, wie Krishnamurti sagt, unser Selbst erschaffen. Wir definieren uns darüber, dass wir reagieren, dass wir Reaktion sind. Damit sind wir etwas Bedingtes und nichts Unabhängiges und unsere so hochgeschätzte Individualität wird ziemlich eingeäschert, wenn man nun auch betrachtet, dass das Selbst nur besteht, weil es im Widerstand ist und war. War, weil der Mensch sich ja auch aus seinem Widerstand in der Vergangenheit definiert und aus diesem Widerstand heraus entwickelt hat oder vielmehr verengt.

Aber wenn wir das wegnehmen, was wir aufgrund unseres Widerstandes geworden sind, stellt sich die Frage, was bleibt dann noch von unserer Persönlichkeit und unserer Individualität? Meiner Meinung nach wird da nicht viel übrig bleiben, aber diese Frage zu beantworten, überlasse ich gerne dem Leser. Trotzdem haben wir hier die Möglichkeit noch weiterzusehen und das mit einer weiteren Aussage von Krishnamurti.

Eigene Übersetzung

Wenn wir weiter die Natur vom Widerstand betrachten, dann stellen wir fest, dass Widerstand ein Konflikt ist. Ein Konflikt, der darauf beruht, dass Wirklichkeit und damit die Soheit der Dinge, abgelehnt wird. Dieser Konflikt sind wir und damit unsere Persönlichkeit. Natürlich muss in der Welt Unfrieden herrschen, wenn die Grundstruktur des einzelnen Menschen auf Konflikt und Unfrieden basiert. Dieser Konflikt und Unfrieden gebiert aus sich heraus alles Mögliche, auch Verschwörungen und ihre Erzählungen und damit weitere Zerstörung und Unfrieden.

Was sich natürlich auch auf unsere Politik auswirkt. Politik scheitert konstant daran, ein Problem so zu lösen, dass es wirklich gelöst ist und die Lösung keine weiteren Verwerfungen produziert oder ewige Nachjustierung verlangt. Das Problem wird wohl sein, dass wir nicht aus einem tiefen Frieden heraus Politik machen, sondern aus Konflikt heraus. Frieden bedeutet Leben ohne Konflikt und damit bedeutet es Freiheit. Es bedeutet deswegen Freiheit, weil Konflikt Abgrenzung bedeutet, Abgrenzung zwischen richtig und falsch. Freiheit bedeutet eine Möglichkeit für eine unabhängige Herangehensweise. Freiheit in der Erforschung der Dinge des Geistes und die der Welt.

Diese Freiheit ist nicht wahrnehmbar bei Verschwörungserzählern. Man kann nicht zwangsläufig daraus schließen, dass sie deswegen Unrecht haben. Aber meine Kritik setzt an ihrem Geisteszustand an. Ein Geisteszustand, der Unfreiheit und Abhängigkeit bedeutet, bedeutet deswegen auch Verwirrtheit, weil Abhängigkeit nur dort sein kann, wo Verwirrung und keine Klarheit besteht.

Verschwörungserzähler suchen sich Gleichgesinnte, auch deswegen betreiben sie Hetze und Propaganda. Weil sie sich sicherer fühlen können, je mehr Bestätigung sie durch und in ihrer Blase finden. Man hört auch gelegentlich vom „Wir“, „Wir werden mehr“, „Wir werden stärker“, der Verschwörungsideologen, was aber letztlich Illusion ist. Es gibt dort kein „Wir“, es gibt dort nur viele „Ichs“. Dieses angebliche „Wir“ ist jederzeit bedroht, sich bei der geringsten Kleinigkeit zu zerlegen. Weil dieses „Wir“ nur aus der Suche nach Sicherheit geschaffen wurde und damit, wie es immer ist, künstliche strukturiert ist und alles, was das Denken geschaffen hat, trägt seinen eigenen Untergang in sich.

Wirkliche Sicherheit kann nur dort sein, wo Widerstand nicht ist und es damit auch keine Résistance gibt. Es gilt letztendlich, Sicherheit kann nicht im Denken gefunden werden.

8,2 Milliarden Menschen, die globale Résistance – eine wahnhafte Massenbewegung?

Wir Menschen sind uns relativ ähnlich, in unseren Köpfen geht mehr oder weniger das Gleiche vor. Wenn ich hier von wahnhaft spreche, dann ist es so zu verstehen, dass ein „dagegen“, der Widerstand und la Résistance, Illusion auf Basis von künstlichen, gedanklichen Konstrukten bedeutet.

Welche keine Entsprechung in der jeweiligen Realität hat und immer eine Kopfgeburt ist. Dieser Widerstand kann Realität werden, doch meist bleibt er eine Kopfgeburt und ist nur Teil des persönlichen Weltbildes. Dieses Weltbild und es ist seine Natur, steht immer zwischen dem Menschen und der Realität. Sein persönlicher Filter. Aber dieser Filter ist auch seine persönliche Einschränkung und Beschränkung. Klarheit bedeutet diesen Filter wahrzunehmen, wie er ist und wie seine Auswirkungen sind, welche durchaus verheerend sein können.

Widerstand ist wohl das größte Element des Denkens im menschlichen Geist. Dieser Widerstand ist allgegenwärtig, auch weil nichts, was der Mensch erschafft, frei von Widerstand ist. Aus dem alleinigen Grund, weil er dafür etwas in sich stimmiges erschaffen müsste, was ihm, aus seinem Leben aus dem Konflikt heraus, nicht möglich ist.

Ein Leben ohne Widerstand bedeutet nicht und das muss betont werden, ein Leben, das aus Ja-sagen, Mitschwimmen und Abnicken besteht, wie es manche dem Buddhismus vorwerfen. Was auch so nicht richtig ist, denn es gibt durchaus einen aktivistischen Buddhismus. Bernie Glasmann mit seinem Zen Peacemaker Orden lebte ihn zum Beispiel vor. Auch Buddha selbst war Aktivist, ein Aktivist, der sich für die Heilung des menschlichen Geistes von Konflikten einsetzte.

Aktivismus bedeutet Widerstand, aber es ist eine ganz andere Art von Widerstand, wenn er statt aus Unfrieden, aus Frieden heraus geschieht. Aus dem Frieden heraus ist Aktivismus mit dem Urgrund verbunden und deswegen resoniert er ganz anders in der Welt, er erschafft keine oder weniger Konflikte, löst Probleme anders. Weil Aktivismus, der aus Frieden und Freiheit heraus geschieht, mehr Klarheit besitzt als jeder andere Aktivismus oder Widerstand.

Was ich hier als globale Résistance umschrieben habe, ist menschlicher Missklang, eine Kakofonie von ungeheurem Ausmaß und Teil der dunklen, menschlichen Seite, die auch Verwirrung ist. Eine globale Résistance existiert nicht wirklich, es existiert nur menschlicher Missklang. Eine wirkliche globale, geeinte Résistance, müsste aus wirklichem Frieden in sich und aus diesem heraus mit der Welt agieren. Aber selbstverständlich hätte diese es nicht nötig, sich zu definieren, weil sie mit dem Urgrund verbunden ist.

Eintauchen in das Unbekannte, Zeuge des Schmerzes und der Freude der Welt zu werden und das Bekenntnis sich selbst und die Welt zu heilen.

Das sind laut Wikipedia, die drei Leitmotive des Zen Peacemaker Orden vom verstorbenen Bernie Glasmann. Was für klare und wichtige Worte, im Gegensatz zum Geschwurbel mancher Leute! Dieses Leitmotiv bedeutet aber auch, Zeuge der Verwirrung in der Welt zu sein und an dem Schmerz, der daraus resultiert, teilzuhaben und sich nicht abzukapseln und es sich in seinem Besserwissertum bequem zu machen. Wirkliche Heilung wird wohl nur aus dem Verständnis unseres Schmerzes und des Schmerzes anderer Menschen heraus möglich sein.

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Chili Prepper
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Karma is a burning rosette, because of too much Sambal Oelek. I like topics about meditation, zen, psychology, politics and art. Special interest Krishnamurti.