Wenn du vor lauter Fragen die Entscheidung nicht mehr siehst — Photo by Evan Dennis on Unsplash

Fehlende Entscheidungsfindung: Fragen statt Entscheidungen.

Christian Stocker
Collaboration Mag
Published in
3 min readJan 7, 2020

--

Dein Projektteam hat über Wochen an der Präsentation für das Innovationsprojekt gefeilt. Heute ist endlich der grosse Tag: Die Präsi läuft super und ihr seid euch sicher, dass ihr das Ding durch bekommt. Bis die Diskussion losgeht: Am Ende steht ihr mit einer Entschuldigung statt einer Entscheidung da. Und einer Menge neuer Fragen, die noch zu klären sind, damit das Management das Budget sprechen kann.

Der erste verfügbare Slot in der Management Agenda bedeutet eine zweimonatige Verzögerung auf den Fahrplan eures hochgelobtes Innovationsprojektes. Ob du das Feuer im Projektteam so lange wirst hochhalten können? Und wie nutzt wohl eure Konkurrenz diese 2 Monate?

Auf welcher Basis entscheiden wir?

Heutzutage wird es mehrheitlich als common sense betrachtet, Entscheidungen auf Grundlage von soliden Daten zu treffen. Instrumente wie Risk Maps, Szenarien, Impact Analysen usw gelten als unverzichtbare Standards im Repertoire jeder Person, die Entscheidungen trifft. Damit migitieren wir die Risiken unserer eigenen Entscheidungen und stützen diese auf Fakten ab.

Schön und gut, doch was helfen uns die besten Instrumente, wenn die ihnen zugrunde liegenden Daten an Zuverlässigkeit verlieren? Steigende Komplexität in unseren Projekten, zunehmende Geschwindigkeit der Veränderung sowie hohe Unsicherheiten der generellen Entwicklung führen zu kurzlebigen und ungenauen Prognosen und höheren Projektrisiken. Dies verwechseln wir dann nicht selten mit ungenügender Entscheidungsgrundlage.

Wann verleiten unsere Entscheidungsprozesse und -hilfsmittel also dazu, Fragen aufzuwerfen statt Entscheidungen zu treffen? Anders gefragt: Wie viele Innovationen von Unternehmen kamen in den letzten 5 Jahren einfach ein bisschen zu spät, um als solche wahrgenommen zu werden?

Wie können wir Entscheidungen auf Grundlage von unvollständigen Daten treffen und dabei das bestmögliche Resultat erzielen?

Entscheiden heute: Das Kollektiv

Die Antwort liegt im Team: Verschiedene Studien belegen den Wert von kollektiver Entscheidungsfindung. Gerade wenn eine solide Datengrundlage fehlt, können Teams auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen und damit ihre kollektive Intuition nutzen. Ein Bauchgefühl lässt sich damit ansatzweise validieren, während dieses bei einer Einzelperson eben ein Bauchgefühl bleibt. Kollektive Intelligenz und Intuition führen dann eben dazu, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile.

David H. und Frank P. Johnson beschreiben in ihrer Publikation «Joining Together: Group Theory and Group Skills», wie die Resultate kollektiver Entscheidungen diejenigen von Einzelpersonen nicht nur, aber besonders bei komplexen Fragestellungen deutlich übertreffen.

Doch kollektive Entscheidungsfindung birgt auch ihre Gefahren: Wikipedia beschreibt diese unter anderem mit Prokrastination, gegenseitiges Stützen, Ablehnen von Verantwortung, Ausblenden aller möglichen Lösungswege, Vereinfachung und vielem mehr. Diese Auflistung lässt sich beliebig erweitern, beispielsweise durch Gruppendenken, dem Einfluss von Einzelpersonen auf ein Team usw.

Wie also lassen sich die Vorteile von kollektiver Entscheidungsfindung nutzen und gleichzeitig die Gefahren minimieren?

Indem der Prozess der kollektiven Entscheidungsfindung gelenkt und angeleitet wird. Wir vergessen in der Hektik gerne, dass wir hier eine Management-Schlüsselkompetenz an ein Team übertragen. Neue Kompetenzen bedingen neue Skills und einen Wechsel im Mindset. Das geschieht nicht durch Delegation von heute auf morgen, sondern durch Aneignung und regelmässige Wiederholung und Reflexion. Insbesondere dann, wenn die Entscheidung nicht von einer einzelnen Person gefällt werden soll, sondern von einem Team als Ganzes und wir nach Möglichkeit Konsensentscheidungen anstreben.

Kollektive Entscheidungsfindung lernen

Wie also lernt man kollektive Entscheidungsfindung? Wir nennen den Skill Facilitation und Process Design. Dabei gestalten wir kollektive Prozesse und führen Gruppen durch diese Prozesse, indem wir auf die Bedürfnisse jeder einzelnen Person eingehen und die Entwicklung der Gruppe berücksichtigen. So lassen sich die meisten der oben genannten Gefahren minimieren:

  • Indem wir das Feld der Lösungen bewusst öffnen, vermeiden wir das Ausblenden von möglichen Lösungswegen.
  • Indem wir alle in eine Entscheidung einbeziehen verringern wir die Gefahr, dass jemand sich aus der Verantwortung stehlen kann.
  • Durch die minutiöse Gestaltung des Prozess und rigidem Timeboxing vermeiden wir Prokrastination.

Wir sind überzeugt, dass Facilitation und Process Design zu den Schlüsselkompetenzen von künftigen Führungskräften zählt. Wer Teams anleiten kann, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen, beschleunigt die Transformation zu selbstorganisierten Teams, zu Team Empowerment und entwickelt sich dabei erst noch von der Führungskraft zum Leader und Coach weiter.

Interessiert, mehr darüber zu erfahren? Stelle deine Fragen hier oder besuche unsere Website und schau dir unsere Kursbeschreibung zum Thema Facilitation & Process Design an.

--

--

Christian Stocker
Collaboration Mag

Teams are the key to digital. Let’s shape meaningful collaboration and design processes around people. Find out more at tjikko.io