“Ich kann das Arbeitstempo nicht mitgehen”

Wenn zwei Generationen zusammenarbeiten.

Clare
CONNECTEURS
3 min readDec 1, 2018

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Integration in Unternehmen heißt auch: Es zu schaffen, dass Jung und Alt miteinander arbeiten.

Und zwar so, dass beide voneinander profitieren. Helene ist Mitte 50, seit 18 Jahren arbeitet sie als Assistentin im Controlling einer Versicherung. Ich habe mit ihr über die Zusammenarbeit mit jüngeren Kollegen, über Digitalisierung und Herausforderungen gesprochen.

Clare: Digitalisierung führt in Unternehmen häufig zu Veränderungen. Wie ist das in Deinem Unternehmen spürbar?

Helene: Alles wird schneller, vieles ist oberflächlicher, gefühlt arbeite ich doppelt so viel, wie vor 20 Jahren. Wegen des Zeitdrucks kann ich allerdings nicht mehr so sorgfältig arbeiten. Dadurch passieren kleinere Fehler, die allerdings heutzutage akzeptiert sind. Bei uns im Unternehmen wird vieles automatisiert und ist im „Workflow“, das heißt, es geht schneller als früher. Die Ausnahme: Wenn ein Fehler auftaucht, ist es sehr viel schwieriger die Ursache zu finden. Weil es eben keine Ansprechpartner mehr gibt, sondern Gruppenpostfächer, die von verschiedenen Personen betreut werden.

Inwiefern arbeiten bei Euch denn verschiedene Generationen, also „Jung und Alt“ zusammen?

Ich arbeite als Assistentin im Controlling einer Versicherung und wir haben eine gewollte Fluktuation von ca. 40 Prozent. Das heißt, wir haben einen stetigen Wechsel von jungen Kollegen, die hier beginnen, sich weiter entwickeln und dann nach zwei bis drei Jahren eine neue Stelle innerhalb oder außerhalb des Unternehmens suchen. Das führt dazu, dass wir einen stetigen Fluss neuer Ideen von jungen Menschen haben. Viele haben gerade ihr Studium beendet und beginnen mit viel Engagement und Schwung bei uns im Unternehmen.

Ich gehöre zu denen, die seit vielen Jahren, genauer gesagt seit 18, im Unternehmen sind. Hier treffen Erfahrung und neue Ideen aufeinander. Es macht Spaß mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, die wiederum schätzen, dass ich im Geiste jung geblieben bin und mich nicht gegen Innovationen sperre oder die „Früher-war-alles-Besser“-Haltung einnehme.

Wo fallen Dir die Unterschiede am meisten auf?

Unterschiede merke ich vor allem in den technischen Bereichen. Obwohl ich ein iPhone habe und meine Kinder mir regelmäßig die technischen Neuheiten zeigen, kann ich sie nicht so intuitiv bedienen. Die jüngeren Kollegen „klicken“ sich in kürzester Zeit durch neue System und haben keinerlei Berührungsängste. Bei mir ist das anders, denn ich bin damit nicht aufgewachsen und muss mir vieles erst aneignen. Das dauert alles wesentlich länger und kostet mich mehr Energie. Früher hatten wir noch keine elektronischen Zeiterfassungssysteme, sondern haben gestempelt. Wir hatten auch keine mobilen Arbeitsplätze, kein WLAN und keine Laptops. Ich habe noch auf der Schreibmaschine gelernt — natürlich ist das eine Umstellung.

Ist das für Dich auch die größte Herausforderung?

Nein, die Technik ist zwar etwas, wo ich ganz deutlich die Unterschiede merke. Doch für mich gibt es eine andere Herausforderung: Ich kann das Arbeitstempo nicht mitgehen. Deshalb ist die Frage für mich: Komme ich mit dem Tempo und der Arbeitsbelastung auf Dauer klar? Kann ich das weiterhin leisten?

Was siehst du als größte Chance, wenn mehrere Generationen zusammenarbeiten?

Meine jungen Kollegen können von meiner Erfahrung profitieren. Ich habe in den 18 Jahren, die ich in dem Unternehmen bin, schon viele Probleme und Krisen bewältigen müssen, sowohl inhaltlich als auch zwischenmenschlich. Dafür kann ich von meinen jungen Kollegen viel über Innovation lernen. Ich bleibe durch sie in gewisser Weise jung und das gefällt mir.

Welche Form der Unterstützung wünschst Du Dir von Deinem Chef / Deiner Chefin?

Ich wünsche mir Empathie. Und ein Verständnis dafür, dass ich nicht mehr alles können muss, aber lernwillig bin. Ich wünsche mir, dass mein Chef versteht, dass ich keine Karriere mehr machen will, aber trotzdem einen guten Job machen möchte. Und ich auch Herausforderungen brauche, die jedoch mehr inhaltlicher Natur sind.

Muss sich irgendwas ändern?

Wir haben eine schöne Arbeitsumgebung, ich mag es auch, dass wir mobile Arbeitsplätze habe. So lerne ich noch mehr Kollegen und Kolleginnen kennen. Wir haben eine sehr kollegiale und wertschätzende Atmosphäre, Kaffee und Wasser stehen für alle kostenfrei zur Verfügung. Nur das Arbeitstempo könnte langsamer werden, aber das wird nicht passieren…

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