„Banking is necessary — Banks are not“? Was traditionelle Finanzdienstleister von jungen FinTechs lernen müssen

Tobias Enke
Context & Conversation
4 min readJan 16, 2015

Einer Befragung unter 10.000 jungen US-Amerikanern der Jahrgänge 1981–2000 zufolge, würden ganze 71 Prozent lieber zum Zahnarzt gehen, als sich anhören, was ihre Bank zu sagen hat.

Dieses Ergebnis mag für den heutigen Zustand der Dentalmedizin sprechen, für die operativen und kommunikativen Strategien der traditionellen Finanzbranche ist es wohl ein deutlicher Weckruf. Im Prinzip wissen alle Beteiligten bereits, dass die sogenannten „FinTechs“ — Technologie-Startups im Finanzdienstleistungssektor — längst zum Angriff geblasen haben. So stellt etwa Deutsche Bank Research fest: „Langfristig sollte eine allumfassende Digitalisierungsstrategie (nicht nur) für traditionelle Banken eine hohe Priorität haben. Trotz der zum Teil enorm unter Druck geratenen Margen, der noch nicht bewältigten Altlasten aus der Finanzkrise, dem sich ändernden Konsumverhalten der Kunden sowie strenger werdenden regulatorischen Bestimmungen müssen sich Banken im Transformationsprozess einer radikalen Innovationskur unterziehen.“ Allein einem großen Teil der Konsumenten — insbesondere der attraktiven Zielgruppe junger Berufstätiger, die als langjährige Kunden gewonnen und gehalten werden müssen — fehlt der Glaube, wie diverse Untersuchungen belegen.

Umfrageergebnisse unterstreichen Handlungsbedarf

Im Spätsommer letzten Jahres veröffentlichte etwa das Consultingunternehmen Confinpro die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter deutschen Bundesbürgern zwischen 18 und 34 Jahren zu Banken und Online-Zahlungsdiensten. Das Ergebnis: Nur 30 Prozent unter ihnen setzen Vertrauen in Privatbanken — Sparkassen und Genossenschaftsbanken schneiden hier besser ab — ganze zwei Drittel hingegen vertrauen PayPal. Und 40 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Internet-Plattformen den Banken binnen der kommenden fünf Jahre im Privatkunden-Segment den Rang ablaufen werden. Das macht deutlich: Finanzinstitute müssen schnell reagieren, wenn sie die nachrückende Generation an Privatkunden noch erreichen möchten.

Disruption vorprogrammiert

Ebenso identifizierte der, bereits eingangs genannte, „Millenial Disruption Index“ (2013) den Banking-Sektor mit großem Abstand als denjenigen, dem eine umfassende Disruption durch die Millenials — gerne auch „Generation Y“ genannt — am nächsten bevorsteht. Denn 68 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sich die Art und Weise, wie wir auf Geld zugreifen, binnen fünf Jahren vollständig verändert haben wird. 5 Prozent mehr interessieren sich zunehmend für neue Finanzdienstleistungen von Google, Amazon, Apple & Co. als für Produkte ihrer Hausbank. Ganze 33 Prozent glauben sogar, dass sie bald gar keine Bank mehr brauchen werden.

Konkurrenzdruck nicht nur bei Zahlungen

Wer nun aber denkt, dass nur im Bereich der Zahlungsmethoden mit einem Paradigmenwechsel zu rechnen ist, der täuscht sich. Deutsche Bank Research formuliert zwar, dass „vor allem die weniger wissensintensiven und leicht zu standardisierenden Finanzdienste“ vom digitalen Wandel betroffen seien, doch längst sind auch die komplexeren Felder, z.B. die Anlageberatung, Vermögensverwaltung und Kreditvergabe, im Konkurrenzkampf begriffen. Einige Beispiele:

Kreditech analysiert die Kreditwürdigkeit von Privatpersonen mittels Algorithmus. Dadurch werden Kredite schneller und einfacher bewilligt und tausende Menschen, die über eine Bank nie einen Kredit erhalten würden, können sich hier Geld leihen. In Peru läuft das sogar vollständig ohne Banken ab: Den Kredit können sich die Kunden dort bar oder als Prepaid-Kreditkarte bei einer kooperierenden Kiosk-Kette abholen. SnapCash, eine beliebte Chat-App, bietet seit November 2014 Blitz-Überweisungen per Kurznachricht an. Nutzer müssen im Textfeld lediglich das Dollarzeichen und einen Betrag eingeben. An den Empfänger abgeschickt, ist das Geld sofort überwiesen. LearnVest bietet einen personalisierten Finanzplan per E-Mail, unterteilt in einzelne, erreichbare To-Dos. Erstellt wird er auf Basis eines ausführlichen Online-Profils und dem Telefontermin mit einem Anlageberater. Der Ansatz: Persönliche und verständliche Anlageberatung, die Neukunden nicht überfordert, ohne die Notwendigkeit, das eigene Haus verlassen zu müssen.

Viele FinTechs sind keine „alternative Bank“

Dennoch fällt eines bei vielen jungen FinTechs auf: Sie sind keine „alternative Bank“, sondern fungieren als Intermediär zwischen dem Kunden und seiner Hausbank. Eine Dienstleistung, bspw. die Überweisung oder die Zahlung von Rechnungen, wird durch den neuen Anbieter verwaltet. Das notwendige Fundament bildet jedoch weiterhin das klassische Girokonto bei der Bank. Beim Online-Bezahlvorgang nehmen wir längst nur noch PayPal wahr, obwohl dort unsere regulären Bankkontodaten hinterlegt sind. ApplePay wird die Zahlung per Handy so einfach machen, dass kaum ein Nutzer mehr daran denkt, an welches Kreditinstitut die Abbuchung eigentlich weitergegeben wird. Auf diese Weise lassen Banken zu, dass ihre Kunden von ihnen entfremdet werden.

Das ist einerseits ein operatives Problem insofern Finanzdienstleister ihre Angebote an die digitale Revolution anpassen müssen. Die Notwendigkeit, die neue Kundengeneration zu erreichen und auf Augenhöhe anzusprechen, ist aber auch und insbesondere eine Herausforderung an die Kommunikation. Denn für Banken ebenso wie die gesamte Finanzdienstleistungsbranche gilt es zu bewirken, dass Bill Gates mit seinem (bereits 1994 getätigten) Ausspruch schließlich Unrecht behält: „Banking is necessary but banks are not.“

Über die Autorin:

Hannah Stringham, Account Executive
Hannah.Stringham@hkstrategies.com

Bildnachweis: Wikimedia Commons, H. Lundgaard

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