Gefangen in Schweigespiralen und Filterblasen

Tobias Enke
Context & Conversation
3 min readNov 4, 2016

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Isolation und Ausgrenzung — das klingt wohl für niemanden wirklich verlockend. Genau deshalb sagen wir bei kontroversen Themen auch nur dann laut unsere Meinung, wenn wir glauben, dass der Rest der Gesellschaft das genauso sieht (oder uns zumindest nicht dafür verurteilt). Das besagt jedenfalls die Theorie der Schweigespirale, entwickelt in den 70er Jahren: Wer sich auf der Seite der Minderheit sieht, schweigt, und wer sich auf der Seite der Mehrheit sieht, der spricht dafür umso lauter. Die Meinung der Minderheit rückt immer weiter in den Hintergrund, die der Mehrheit wird immer präsenter — wie in einer Spirale.

Warum herrscht nach Außen keine universelle Einigkeit?

Man müsste meinen, dass sich immer alle über alles einig sind — schließlich traut sich ja niemand der Mehrheit zu widersprechen, oder? Aber wie können dann Gruppierungen oder etwa Parteien, wie die AfD — die sich ja, zumindest zu Beginn, bestimmt nicht in der Mehrheit gewähnt haben — eine so starke Resonanz in der Öffentlichkeit erzeugen? Denn laut Schweigespirale-Theorie bestimmen die Menschen die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft hauptsächlich durch das, was sie in den Massenmedien erfahren. Und weder Spiegel, noch F.A.Z., ja und auch nicht die BILD stellen sich hinter die von den „besorgten Bürgern“ vertretenen Positionen. Wie kommt es dann, dass die AfD bei der Sonntagsfrage (21.10.2016) aktuell die drittstärkste Partei in Deutschland ist und in einigen Ländern sogar die SPD überholt?

Nachrichten aus Filterblasen

Ein nicht unerheblicher Teil der Schuld daran ist wohl den sozialen Netzwerken, allen voran Facebook, Google und all den Onlinemedien zuzuschreiben, die uns täglich unsere Internet-Inhalte vorgeben. Denn wir sehen bei Facebook und Co. längst nicht alles, was wir sehen könnten. Wir liken die Seiten, von denen wir wissen, dass sie mit unserem Weltbild übereinstimmen. Wir haben Online-Kontakte, die unsere Ansichten teilen. Und wenn wir dann doch mal einen Facebook-Freund haben, mit dem uns eigentlich nichts verbindet, zeigt uns Facebook auch nichts über ihn an. Denn genau wie Google filtert auch Facebook alles was wir sehen danach, wie sehr es uns gefallen könnte. So bewegen wir uns online mehr oder weniger in unseren eigenen kleinen Filterblasen, in denen wir nur noch das sehen, was wir auch wirklich sehen wollen. Und wer eben sowieso schon beispielsweise der Fremdenfeindlichkeit nicht abgeneigt ist, dem werden auch immer weiter passende Seiten im Netz angezeigt. Bis er irgendwann überzeugt ist: „Ich bin überhaupt nicht in der Minderheit. Alle anderen denken genauso!“. Und dann fällt es auch nicht mehr schwer, öffentlich für Themen einzutreten, die von der großen Masse eigentlich abgelehnt werden.

Klar ist, dass dieses Phänomen sowohl für den politischen Bereich als auch für die freie Marktwirtschaft Folgen haben kann, da nicht jede Botschaft alle (potentiellen) Wähler oder Kunden online erreicht. Daher ist das Thema natürlich auch für PR-Agenturen von sehr großer Bedeutung. Bei der Arbeit für Kunden muss dieser Aspekt mit einbezogen werden, um mit Kommunikationsstrategien und Kampagnen die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Lösungen, wie Targeted Advertising und Suchmaschinenoptimierung, werden immer wichtiger, wenn erreicht werden soll, dass eine Botschaft auch bei der richtigen Zielgruppe ankommt — egal in welcher Filterblase sich die Personen bewegen.

Unsere Autorin Elena ist derzeit Praktikantin am Frankfurter Standort.

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