Silicon Valley vs. Autoindustrie

Tobias Enke
Context & Conversation
3 min readMay 5, 2015

In die Automobilindustrie kommt frischer Wind — und das nicht nur auf der Chefetage von Volkswagen. Dabei wirken neben strengen CO2-Richtlinien insbesondere der Zwang zu Globalisierung, Konsolidierung, und Digitalisierung als Entwicklungstreiber. Ganz oben auf der aktuellen Trend-Agenda: E-Mobilität und Connectivity. Genau in diese Bereiche drängen seit einiger Zeit Konkurrenten aus dem Silicon Valley. Steht also die Wachablösung in einer deutschen Schlüsselindustrie bevor?

Die großen Technologiekonzerne Facebook, Google und nach jüngsten Spekulationen auch Apple haben mehr als nur ein Auge auf die Autoindustrie geworfen. Mit selbstfahrenden Autos wie dem Google Car oder dem geplanten iCar drohen sie, die Zukunftsmärkte etablierter OEMs und ihrer Zulieferer zu unterwandern. Vorgemacht hat es der kalifornische Fahrzeughersteller Tesla Motors. Mit einem rein auf Elektromobilität ausgerichteten Konzept hat das Technologieunternehmen als branchenfremder Newcomer eine Nische besetzt und sich im E-Auto-Segment schnell an den etablierten Playern vorbeientwickelt. Wenn das einem relativ unbekannten Unternehmen gelingt, wieviel Schlagkraft werden dann die datenreichen, ressourcenstarken und innovativen Technologieriesen entwickeln?

Disruptionsexpertise und Cash Flow sprechen für die Internetgiganten

Kein Wunder also, dass nicht nur der Prototyp des Google-Autos Automobilhersteller und Zulieferer beeindruckt. Fiat Chrysler-Chef Sergio Marchionne jedenfalls zeigte sich beim Genfer Autosalon besorgt, dass mit Apple nicht nur eine etablierte Marke, sondern ein Spezialist für die Disruption von Industrien und Geschäftsmodellen in den Automarkt drängt. Im Bereich Connectivity — der Vernetzung der Fahrzeuge untereinander und mit Objekten im Straßenverkehr — werden die Tech-Konzerne dank ihres Datenreichtums und der Fähigkeit, diesen in Wettbewerbsvorteile umzumünzen wohl über kurz oder lang die Nase vorn haben. Ein weiterer Vorteil der Internet-Giganten ist deren Cash Flow. So kann Apple beispielsweise auf $178 Mrd. zurückgreifen — laut Bloomberg übersteigt dieser Betrag die Kriegskasse der Volkswagen Gruppe um den Faktor sechs.

Bislang bringt das Geschäft mit E-Autos — wenn überhaupt — nur sehr geringe Profitmargen. Teslas CEO Elon Musk versteht sich dennoch als Visionär, der Elektrofahrzeuge massenmarkttauglich machen möchte. Dafür hat das Unternehmen immens investiert und seit 2008 ein dickes Minus von etwa $1,3 Mrd. erwirtschaftet. Auch mit den kommenden Modellen wird Tesla keine schwarzen Zahlen schreiben. Ob Apple also tatsächlich in diesem Segment aktiv wird, bleibt abzuwarten — zumal sich in Europa ein stärkerer Trend zu Plug-In Hybriden als zu reinen E-Autos abzeichnet.

Wer gewinnt die Hoheit im Markt fürs autonome Fahren?

Auch der Bereich „Autonomes Fahren“ hält einige Stolpersteine für die Tech-Unternehmen bereit: Sicherheitsvorschriften und Regulierungen bremsen die Entwicklung auf behördlicher Seite und spielen den Automobilherstellern in die Karten. Denn diese sind Verhandlungen mit der Politik seit vielen Jahren gewohnt und planen traditionell ebenso konservativ wie langfristig. Google ging in ersten Szenarien indes davon aus, ein autonom agierendes Google-Auto bereits 2017 im öffentlichen Straßenverkehr einzusetzen. Auch die Konsumenten (aka Autofahrer) benötigen mehr Zeit, sich von der Sicherheit der Technologien zu überzeugen und den Komfort schätzen zu lernen. Natürlich überlassen die OEMs den Herausforderern den Markt nicht kampflos. Auch sie arbeiten fieberhaft an Technologien für autonomes Fahren, die teils schon in Serienfahrzeuge eingebaut werden — beispielsweise als Park- oder Stauassistenten. Doch um technologisch auf lange Sicht mithalten zu können, kaufen viele Hersteller zusätzliche Expertise ein — sie übernehmen Start-Ups und gründen Joint Ventures.

Der Kampf um die Talente wird sich verschärfen

Machen die finanzstarken Tech-Unternehmen jedoch ernst, droht der Automobilindustrie in den Bereichen Connectivity und autonomes Fahren ein Brain Drain. Und die Autohersteller laufen Gefahr, ihre größten Talente in der Entwicklung dieser Technologien an die kalifornische Konkurrenz zu verlieren, die mit deutlich attraktiveren Gehältern und Unterschriftsboni winkt. Laut Musk hat Apple so zum Beispiel Tesla Mitarbeitern bereits Wechselprämien von $250.000 und rund 60% mehr Gehalt angeboten.

Ob der Plan, eine weitere Industrie zu revolutionieren und eine tragende Rolle im Autobau einzunehmen, für die Internet-Konzerne wirklich aufgeht, ist fraglich. Das eigene Kerngeschäft würden die Player aus dem Silicon Valley vor allem mit dem Fokus auf ausgewählte Teilbereiche stärken. Mit Blick auf die Entwicklung von Software und Technologien sind die kalifornischen Parvenüs in der Pole-Position. Allerdings ist mit Gegenwehr der OEMs zu rechnen: Denn lassen sie sich hier die Butter vom Brot nehmen, bauen sie künftig nur noch die Hülle während die Technologieriesen das Herz des Autos beisteuern.

Über die Autorin:

sara

Sara Lübking, Account Manager

sara.luebking@hkstrategies.com

Bildquelle: Google Self-Driving Car, smoothgroover22 / flickr.com

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