Snapchat: Ein Geist geht um

Tobias Enke
Context & Conversation
3 min readJun 15, 2016

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Dass die Social Media App Snapchat unter Teenagern momentan einen super Hype auslöst, ist unbestreitbar. Von den meisten Erwachsenen kommt allerdings nur ein Seufzen mit der Aussage „wozu braucht man denn noch so eine App?“. Die Frage ist verständlich, denn schließlich kann Snapchat genau das, was auch WhatsApp, Twitter und Facebook können: Der Austausch von Nachrichten, Fotos, Videos und Informationen mit Freunden und Follower. Was Snapchat jedoch so interessant macht, ist die Spontanität und Kurzlebigkeit.

Die „kleinen Dinge“, mehr Glücksgefühle

Während auf Facebook die großen Ereignisse geteilt werden und die Likes und Kommentare gezählt werden, halten sich die Snapchat User nicht damit auf irgendwelche Momente groß zu inszenieren, sondern teilen die kleinen Alltagsmomente mit, die im Hier und Jetzt passieren und leben und kommunizieren somit zur gleichen Zeit. Das Fehlen einer Reaktion in Form eines Likes oder eines Kommentares gibt den Usern das eine was bei vielen anderen Apps ausbleibt: Glücksgefühle. Die Selbstinszenierung ist in Vergleich zu Facebook und Instagram gering, und genau diese Abwesenheit einer Reaktion macht die Snapchat User so glücklich — keine Sorgen darüber wie das Selfie bei den Freunden angekommen ist, denn der geteilte Inhalt ist nach spätestens 10 Sekunden wieder weg. Das Format zahlt sich aus, denn die User Zahlen steigen in einer unglaublichen Geschwindigkeit.

Hier also der wohl wichtigste Grund für den Snapchat Hype: Der geteilte Inhalt, auch Snaps genannt, kann für maximal 10 Sekunden angeguckt werden und zerstört sich dann von selbst. Nichts bleibt gespeichert. Das ist wohl besonders attraktiv für die jüngere Generation, der immer wieder von den Eltern gesagt wurde, dass alles was im Internet gepostet wird, auch da bleibt. Die Aussicht darauf sich frei entwickeln zu können, und beliebig Momente mit Freunden teilen zu können, ohne zu fürchten von diesem Inhalt in der Zukunft wieder eingeholt zu werden, zieht die Teenager rapide an und macht Snapchat somit zu der beliebtesten Social Media App unter dieser Generation.

Strategie Snapchat

Wer allerdings denkt, dass die Kurzlebigkeit der Snaps die App zu einer eher unangemessenen Werbeplattform macht, liegt falsch. Besonders unter Influencer zählt Snapchat jetzt als Favorit, da es erlaubt die Marken mit denen man arbeitetm in einer lockeren und ungezwungenen Weise seinen Follower näherzubringen. Marken und Unternehmen können allerdings nicht nur durch Influencer auf Snapchat auffallen, sondern können sich ihren ganz eigenen Account zulegen, wie bei Twitter und co., und somit werben. Dies hat schon zu einigen Erfolgsmomenten geführt, wie beispielsweise bei Audi, deren real-time social campaign während des Super Bowls 2014 unglaublich viel Aufsehen erregt hat. Mehr und mehr Unternehmen fangen an Snapchat zu benutzen, denn trotz der relativen jungen Zielgruppe bietet Snapchat einen enormen Vorteil: 100 prozentige Konzentration.

Der Geist, der stets verneint?

Der eindeutige Trend, Inhalte mobil zu konsumieren, anstatt auf dem PC, bedeutet, dass die meist horizontal ausgerichtete Werbung auf dem Handy nur einen geringen Prozentanteil des Bildschirmes einnehmen. Während Konsumenten auf Facebook nur an der Werbung vorbei scrollen, und dieser kaum Aufmerksamkeit schenken, nimmt der Inhalt auf Snapchat den ganzen Bildschirm an und kriegt die volle Aufmerksamkeit der User. Der Marktwert der App lag Ende 2013 bei nur 3 Milliarden US Dollar, und wird heute, nur 2,5 Jahre später, auf ca. 18 Milliarden US Dollar geschätzt. Bei diesen Konditionen war es wohl zu erwarten, dass die App jetzt die Möglichkeiten für Werbepartnern ausweitet. Bald werden nämlich Werbungen zwischen den Stories seiner Snapchat Kontakte abgespielt und obwohl man diese überspringen kann, stören sie dennoch den Fluss der sonst so beliebten Stories. Diese Art von Werbung kennen Social Media Nutzer nur zu gut von Instagram, wovon sich einige User folglich abgewendet haben. Wenn der Durst nach Profit zu groß wird, und Snapchat zu einer reinen Werbeplattform wird, droht der App das gleiche Schicksal. Denn wie man es schon bei Facebook und Instagram gesehen hat, bleiben Teenager nicht lange dort, wo auf einmal auch alle Erwachsenen mitspielen wollen.

Über die Autorin:
Loredana Julia Schelper, Praktikantin im MarComms Team von H+K und selbst eifrige Snapchatterin. Brachte so einigen “älteren” Kollegen, die App näher.

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