Unternehmenskommunikation erfordert Mut: Wie sich Unternehmen zu gesellschaftskritischen Themen äußern

Tobias Enke
Context & Conversation
3 min readFeb 20, 2015

Unsere Branche erlebt einen Wandel. Viele Kommunikationsexperten haben heute den doppelten Anspruch der PR erkannt. Sie dient einerseits den eigenen Unternehmensinteressen, andererseits gestaltet sie durch den Dialog mit ihren Zielgruppen die öffentliche Diskussion mit.

So bringen sich Unternehmen zunehmend in gesellschaftliche Themen ein, die durchaus von politischer und sozialkritischer Natur sind. Ziel ist es, sich als Teil der lokalen Gesellschaft zu positionieren, um auf Augenhöhe mit den Zielgruppen zu diskutieren und langfristig vertrauensvolle Beziehungen zu schaffen.

Unternehmen sagen #Nopegida

Während der ersten Pegida-Demonstration in Düsseldorf am 9. Februar wurden als Zeichen für Toleranz und gegen Rassismus die Lichter zahlreicher Gebäude ausgemacht, darunter der Rheinturm und das Düsseldorfer Rathaus. Auch Unternehmen setzten ein Zeichen gegen Pegida. So schaltete das Opel-Werk in Rüsselsheim symbolisch für die Dauer der Demo in Frankfurt am Abend die Beleuchtung des Blitzes im Opel-Logo aus. Auch die Bitkom bezog Stellung und sprach sich im Zuge der Demonstrationen für die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und Offenheit für Flüchtlinge in Deutschland aus.

#JeSuisCharlie

Das eine Anteilnahme aber nicht immer positiv verläuft, zeigten jüngst die Ereignisse nach dem Terroranschlag auf die Satirezeitung Charlie Hebdo, die im Netz eine Welle der Solidarität für die Opfer des Anschlags auslösten. Unter dem Hashtag #JeSuisCharlie äußerten mehr als fünf Millionen Nutzer über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter ihr Mitgefühl. Auf Unternehmensseite zeigten sich Konzerne wie Facebook oder Google betroffen. So veröffentlichte Mark Zuckerberg einen Post auf seiner Timeline, in dem er den Anschlag auf Charlie Hebdo verurteilte. Derweil spendete Google 250.000 Euro an das Satiremagazin für den Druck der letzten Ausgabe und platzierte ein schwarzes Banner mit den Worten „Je suis Charlie“ auf seine Website.

Was von vielen Nutzern bewundert wurde, geriet jedoch nach kurzer Zeit in die Kritik. Journalisten, Blogger oder Nutzer kritisierten die “inkonsequente“ Solidaritätsbekundung der Gesellschaft. Das Satiremagazin Charlie Hebdo soll für Meinungsfreiheit stehen, während ein ehemaliger Karikaturist entlassen wurde, weil er die jüdische Lobby in Frankreich kritisierte. Viele Gegensätze wurden aufgegriffen und #JeSuisCharlie bekam Konkurrenz von der Gegenkampagne #JeNeSuisPasCharlie. Davon betroffen sahen sich natürlich auch die zuvor genannten Unternehmen. Sie riskierten, dass sich ihre Kunden von ihnen abwandten.

Kommunikationsexperten müssen abwägen

Die oben genannten Beispiele zeigen deutlich, dass sich viele Unternehmen bereits mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinandersetzen. Sie ergreifen die Chance, mit ihren Zielgruppen in den Dialog zu treten und deren Bedürfnisse kennenzulernen. Emotionale Inhalte und Authentizität spielen hierbei eine sehr große Rolle. Denn Nutzer erwarten heute echte Inhalte, die das Leben widerspiegeln. Sie möchten sich aktiv einbringen und ihre Meinung offenlegen. Für eine starke Positionierung gilt es also, an diesen Punkt anzuknüpfen und mutige Inhalte zu bringen, die auf den ersten Blick nicht direkt mit dem eigenen Unternehmen zu tun haben, aber für die lokale Gesellschaft von großem Interesse sind. Wichtig ist jedoch, dass sich die Kommunikationsexperten mit Pro und Kontra einer Stellungnahme auseinandersetzen. Jeder Post, jedes Banner oder ein Bekenntnis anderer Art kann sich positiv oder auch negativ auf die Reputation eines Unternehmens auswirken. Denn der Grat zwischen Solidarität und Parteinahme ist ein sehr schmaler.

Über die Autorin:

Hajar Kayali, Junior Account Executive Hajar.Kayali@hkstrategies.com

Bildquelle: Jordi Torres, BBDO

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