Ernährungs Trend: Intervallfasten

Catia
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7 min readNov 28, 2020

Schon Hippokrates (460 bis 377 vor Christus) sagte «du bist was du isst». Er betonte hiermit, den grossen Einfluss der Ernährung auf unsere Gesundheit und glaubte, dass unsere Lebensmittel die besten Heilmittel sein. Das Thema Essen und die Beschäftigung mit der eigenen Ernährung sind heute omnipräsent. Unsere Ernährung ist mittlerweile viel mehr, als das was wir essen. Sie ist Ausdruck unserer Identität in der Gesellschaft. Auf was verzichten wir? Ist es für die Umwelt oder für die Darmflora? Für welche Lebensmittel sind wir bereit mehr zu zahlen? Auf was achten wir beim Kochen? Folglich tauchen immer wieder neue und spannende Trends auf. Wir wollen euch einige davon näher vorstellen, berichten wie gesund und sinnvoll sie sind und was wir darüber denken. Hier beginne ich mit dem Trend Intervallfasten. Oder ist es mehr als ein Trend? Viel Spass bei der Lektüre.

Küchenuhr (Foto)

Wissenswertes

Beim Intervallfasten wird, je nach Konzept, tage- oder stundenweise auf Nahrung und kalorienhaltige Getränke verzichtet. Intervallfasten, auch Intermittierendes Fasten genannt, ist somit keine Diät, bei der vorgegeben wird was man isst, sondern es geht darum nur innerhalb eines festgelegten Zeitfensters zu essen. Im Gegensatz zum üblichen Fasten (z.B. Heilfasten oder während des Ramadans) soll es dauerhaft gemacht werden. Bei der 5:2 Diät wird an 5 Tagen normal gegessen und an 2 fixen Fastentagen (z.B. montags und mittwochs) nur 25% der üblichen Kalorienzufuhr. Beim Dinner Cancelling wird regelmässig auf das Abendessen verzichtet. Dadurch soll eine Essenspause von mindestens 14 Stunden bis zum Frühstück entstehen. Aktuell ist das Fasten nach Leangains bzw. das 16/8 besonders bekannt. Die Fastenzeit beinhaltet dabei immer die Nachtruhe. Wünschenswert sind sieben bis acht Stunden Schlaf. Ansonsten darf das Fastenfenster zeitlich selber gewählt werden, z.B. 20:00 bis 12:00 Uhr. Es wäre physiologisch sinnvoller auf das Abendessen zu verzichten, aber viele lassen in der heutigen Gesellschaft lieber das Frühstück ausfallen.

Mechanismen

Intervallfasten soll beim Abnehmen helfen und zudem mehrere positive Effekte auf unsere Gesundheit haben, wie z.B. tieferer Blutdruck, bessere Cholesterinwerte. Diese Verbesserungen entstehen durch den Wechsel von Fasten- und Essenszeiten. Unser Stoffwechsel muss immer wieder zwischen diesen zwei Zuständen umstellen. Der Nahrungsverzicht führt zunächst zur Erschöpfung des Glykogens — das sind die gespeicherten Kohlenhydrate unserer Leber — und dann zur Fettverbrennung. Die Fett-Reserven werden zu freien Fettsäuren aufgespaltet und daraus werden sogenannte Ketonkörper gebildet. Aus Ketonkörper gewinnen wir Energie. Etwa nach 8 Stunden Fasten steigt der Ketonkörper-Spiegel im Blut an. Bis der Prozess der Autophagie startet, dauert es länger (10 bis 16 Stunden). Übersetzen lässt sich Autophagie mit „Selbstverdauung“. Damit ist gemeint, dass der Organismus ab diesem Zeitpunkt für Energie auf eigene Ressourcen zurückgreifen muss, z.B. abgestorbene Zellbestandteile, geschädigte Proteine und auch potenziell krankmachende Strukturen. Diese regelmässige Stoffwechsel-Umstellung macht unsere Zellen resistenter gegenüber Stress und — vor allem kombiniert mit Bewegung — führe dies längerfristig zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und zu einer höheren Resilienz gegenüber verschiedenen Krankheiten.

Wirkung und Gesundheit

Was sagt die Wissenschaft? Das Intervallfasten kann mit einer «normalen» kalorien-reduzierten Diät bezüglich Gewichts- und Fettverlust mithalten. Aber mit Intervallfasten scheint der bei einer Abnahme unvermeidliche Verlust an fettfreier Masse kleiner. Das bedeutet mit dem Intervallfasten weniger Muskelverlust. Dies zeigte ein Artikel, welcher mehrere Humanstudien mit einer Dauer von je 3 bis 12 Wochen zusammenfasste. Es wurde eine tägliche und somit kontinuierliche Kalorienreduktion mit tageweise alternierendem Fasten verglichen. Eine klinische Studie mit 100 übergewichtigen Menschen verglich über 12 Monate eine tägliche Kalorienreduktion (minus 25% des Energiebedarfs) mit tageweise alternierenden Fasten (Fastentag 25 % und Essenstag 125 % der gleichen Energiezufuhr). In beiden Gruppen war der Gewichtsverlust (ebenfalls) identisch. Auch hinsichtlich Blutdrucks, nüchtern Blutzucker, Insulinresistenz und Blutfettwerte gab es keine signifikanten Unterschiede bzw. hier keine Vorteile für die Fasten-Gruppe.

In einer aktuellen Studie wurde die Einnahme der Mahlzeiten überwacht, was bei Menschen deutlich aufwendiger ist als z.B. bei Ratten. Männer mit einem Prä-Diabetes erhielten genügend Kalorien um ihr Gewicht zu halten. In der Interventions-Gruppe assen die Teilnehmer immer innerhalb von 6 Stunden und dies bis 15:00 Uhr. In der Kontrollgruppe waren die Mahlzeiten auf 12 Stunden verteilt. Nach 5 Wochen hatten die Teilnehmer, welche gefastet hatten, tiefere Blutzucker- und Blutdruck-Werte und eine besser Insulin-Sensitivität. Und dies geschah ohne Gewichtsreduktion! Die Forscher wählten bewusst das Essfenster bis 15:00 Uhr, weil dies eher unserem zirkadianen Rhythmus entspricht. Oder einfacher gesagt: besser bei Helligkeit essen und im Dunkeln schlafen.

Wenn man Literatur zu intermittierenden Fasten analysiert, wird ersichtlich, dass teilweise mit Studien argumentiert wird, bei denen die Teilnehmer gar nicht intermittierend fasteten, sondern nur kalorienreduziert assen. Es ist jedoch nicht das Gleiche. An Tieren wurde bereits belegt, dass ein bisschen weniger essen (aber keine Mangelernährung) ein gesünderes und vielleicht auch ein längeres Leben bedeutet. Die Ergebnisse der berühmten CALERIE Studie zeigen, dass dies möglicherweise auch für Menschen gilt. Während zwei Jahren sollten die jungen (21 bis 50 Jahre) normalgewichtigen und gesunden Teilnehmer ihre tägliche Kalorienzufuhr um 25% reduzieren und in der Kontrollgruppe normal weiter essen. Die Interventionsgruppe schaffte eine Kalorien-Reduktion von 11.9%, was ca. 300 kcal entsprach. Und jeden Tag minus 300 Kalorien zeigten ihre Wirkung: Diese Teilnehmer verloren im Schnitt 7.5 kg und sämtliche Herzkreislauf-Parameter ver­besserten sich u.a. nüchtern Blutzucker, Blutdruck HDL- und LDL-Cholesterin. Dies ist eindrücklich. Kein Medikament wirkt gleichzeitig auf so viele Risikofaktoren. Und 300 kcal sind nicht besonders viel. Nur 5 «Petit Beurre mit schwarzer Schokolade» enthalten schon 310 kcal und 1 Cervelat enthält 250 kcal.

Zusammenfassung
Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass Intervallfasten sich positiv auf eine Gewichtsabnahme und auf die Gesundheit auswirken kann. Tierversuche zeigen, dass intermittierendes Fasten die Gesundheit während der gesamten Lebensspanne verbessert. Die durchgeführten klinischen Human-Studien dauerten jedoch nur Wochen bis Monate. Und geforscht wird meistens an jungen bis mittelalten übergewichtigen Menschen. Es ist ungewiss, ob Intervallfasten für andere Altersgruppen sinnvoll und auch sicher ist. Bei schweren Erkrankungen wie z.B. Krebs wird es als begleitende Massnahme nicht empfohlen. Inwiefern intermittierendes Fasten andere Parameter wie Stimmung und kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen kann, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

How Tos

Auch beim Essen gilt: (ein bisschen) weniger ist mehr. Ein bisschen weniger essen oder ein bisschen länger nicht essen. In der Umsetzung kann dies heissen, man verzichtet bewusst auf das späte Schnouse und isst morgens erst bei Anzeichen von Hunger, statt bei der ersten Möglichkeit. Dies erfordert eine gewisse Disziplin und führt wahrscheinlich zu einer Kalorien-Einsparung. Solange man während des Essensfensters weiterhin normal isst, bzw. nicht extra grössere Portionen oder ungesündere Lebensmittel. Es ist gut möglich, dass man Hunger und Sättigung dadurch (wieder) besser spürt. Zudem ist Hunger bekanntlich der beste Koch. Eine leichte Kalorienreduktion kann dazu beitragen, das aktuelle Gewicht zu halten oder etwas abzunehmen. Fasten während 12 bis 13 Stunden — inklusive der Nachtruhe — ist sowieso normal für unseren Körper. Wer dies auf 16 Stunden erweitern möchte, kann dies schrittweise machen und dort beginnen wo es leichter fällt. Abends früher aufhören oder morgens später anfangen? Zu Beginn ist es möglich, dass man hungriger oder reizbarer ist. Nach einem Monat sollte sich dies legen. Es ist wichtig, genügend zu trinken: Wasser, ungezuckerten Tee und eventuell schwarzer Kaffee, da Zucker und Milch das Fasten brechen. Deutlich länger als 16 Stunden zu fasten, im Sinne eines biohacks wie es ein paar berühmte CEOs tun, würde ich nicht empfehlen. Wenn man seine Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit der Ernährung steigern will, dann muss man sich früher oder später mit der Qualität seiner Ernährung beschäftigen und nicht nur mit dem Timing.

Fazit

In unserer jetzigen Gesellschaft wo Essen sehr präsent ist und Snacks jederzeit verfügbar sind, könnte intermittierendes Fasten bis zu 16 Stunden bei gesunden Menschen interessant sein, um dem Insulin-Stoffwechsel und der Verdauung eine längere (aber eigentlich physiologische) Pause zu geben. Diese Essenspause kann positive Wirkungen aufs Gewicht und die Gesundheit haben. Obwohl wir essen lieben, ist es gesünder nicht ständig zu essen. Und wenn es so weit ist, zelebrieren wir es umso mehr.

Quellen

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