Kuhmilch und Pflanzen-Drinks: die Welt der Milch

Catia
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7 min readApr 25, 2021

Die Schweiz ist ein Milchland: ca. 560'000 Kühe produzieren pro Jahr fast 4 Milliarden Liter Milch. In den letzten zehn Jahren ist unser Milchkonsum jedoch kontinuierlich zurück gegangen. Und der Ruf der Milch hat sich stark verändert: Galt Milch früher noch als notwendiger Teil einer gesunden Ernährung ist sie mittlerweile ein umstrittenes Lebensmittel geworden. Immer mehr Menschen greifen aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen zu pflanzlichen Ersatzprodukten wie z.B. Mandel-Drink. Die Nachfrage und das Angebot steigen rasch. Sind Pflanzen-Drinks die bessere Wahl? Können die Nährwerte mit denen der Milch mithalten? Gleich vorab, Milch ist nicht gleich Milch. Hier folgt ein Vergleich und was ihr bei einer Umstellung bedenken solltet.

milk and cookies (Foto)

Wissenswertes

Konsum und Nachfrage
Die Statistik zeigt: 2007 wurden in der Schweiz 73 Liter Milch pro Kopf verbraucht. 2019 waren es noch 50 Liter. Somit ist der Pro-Kopf-Konsum um gut 30% gesunken. Gleichzeitig wächst der Markt der pflanzlichen Milchalternativen überproportional. Der Blick ins Milchregal lässt es ahnen, zum Beispiel im Coop haben sich in den letzten 10 Jahren die Verkäufe etwa verdreifacht. Warum ist dies so? An der Milch-Verträglichkeit liegt es wahrscheinlich nicht. In der Schweiz haben etwa 20% der Bevölkerung eine Laktose-Intoleranz. Und 2–5% der Kinder unter 3 Jahren sind von einer Kuhmilcheiweiss-Allergie betroffen. Bei einer Intoleranz kann man gut auf laktosefreie Kuhmilch umstellen. Bei einer Allergie muss komplett auf Kuhmilch verzichtet werden. Der Hauptgrund für den Boom der Pflanzen-Drinks liegt gemäss Euromonitor International darin, dass die Konsumenten diese als die «gesündere» und «natürlichere» Wahl betrachten. Zudem haben sich unsere Essgewohnheiten verändert: Berufstätige frühstücken oft unterwegs, trinken eher ein bereits gemischtes Milchgetränk. Und (vegane) Ernährungstrends spielen sicherlich auch eine Rolle.

Milch von Säugetieren
Gemäss Schweizer Lebensmittelgesetz ist die Bezeichnung Milch für das «Gemelk von Säugetieren» reserviert. Getränke aus Soja, Hafer, Nüsse etc. dürfen somit nicht als Milch bezeichnet werden. In diesem Text halte ich mich ebenfalls daran. Wenn nur Milch steht, dann handelt es sich um Kuhmilch. Schafsmilch zum Beispiel muss so angegeben werden. Die Milch-Lobby geht einen Schritt weiter und möchte in der EU, Aussagen wie «enthält keine Milch» oder Bilder von geschäumter Milch auf Verpackungen von Pflanzen-Drinks sogar verbieten lassen. Als wäre der Konsument nicht fähig Kuhmilch von Pflanzen-Drinks unterscheiden. Milch ist ein natürliches Lebensmittel. Aber auch dessen Angebot ist gewachsen und das Gesetz regelt was erlaubt ist. Hier ein Überblick: es gibt Milch mit unterschiedlichem Fettgehalt, von Vollmilch (3.5 bis 4.0 g) bis zu Magermilch (0.1 g), mit unterschiedlicher Haltbarkeit (Past Milch gehört immer in den Kühlschrank, ungeöffnete UHT Milch muss nicht gekühlt werden), aus der Region, in Bio-Qualität, laktosefrei (ein Enzym wird zugefügt, welches die Laktose bereits aufspaltet), angereichert mit Mikronährstoffen (z.B. mit Magnesium und Vitamin D) oder angereichert mit Milcheiweiss (hat dann 7 g Protein pro dl).

Herstellung von Pflanzen-Drinks
Pflanzen-Drinks entstehen indem das Ausgangsprodukt (z.B. Haferflocken) geschrotet, mit Wasser länger eingeweicht und anschliessend abgesiebt werden. Somit ist im Drink selber nur wenig vom Ausgangsprodukt und dessen Nährstoffe enthalten. Kein Wunder sind die Drinks teilweise wässrig und werden oft mit Zusätzen ergänzt: z.B. mit Mikronährstoffe (z.B. Calcium, Vitamin B12), Fett in Form von Sonnenblumen- oder Palmöl und allenfalls Zucker, Salz, Verdickungsmittel oder Aromen. Wie bei allen verarbeiteten Lebensmitteln lohnt sich der Blick auf die Zutatenliste. Die Auswahl ist gross, man findet Produkte ohne zugesetzten Zucker. Generell enthalten pflanzliche Drinks weniger Protein als Milch aufgrund des erwähnten Herstellung-Prozesses und weil das Ausgangs-Lebensmittel (z.B. Reis) bereits proteinarm ist. Die Ausnahme bilden Soja-Drinks.

Nährwerte

In dieser Tabelle seht ihr die Durchschnitts-Werte von Pflanzen-Drinks in der Schweiz. Wobei diese ohne Zucker-Zusatz sind. Die Kohlenhydrate in der Milch sind der Milchzucker bzw. die Laktose.

Pflanzen-Drinks enthalten kein oder kaum Calcium, oft wird es nicht mal angegeben. Mit Calcium angereichert enthalten sie in der Regel 120 mg bzw. genau so viel wie Milch. Der Tagesbedarf eines Erwachsenen liegt bei 1000 mg. Protein: Der Soja-Drink enthält gleichviel wie Milch und alle anderen Drinks enthalten kaum Protein. Die Verwertung von Kuhmilchprotein bei 100%, die von Sojaprotein bei 90% und die von Haferprotein bei 60% liegt. Pflanzliche Proteine enthalten weniger essentielle Aminosäuren bzw. ihre Profile sind nicht komplett. Aber sobald mehr als ein pflanzliches Lebensmittel konsumiert wird, ergänzen sich die Aminosäure-Profile und dieses Problem löst sich. Übrigens Kuhmilch ist keine Protein-Bombe. Zum Vergleich: 100g Hartkäse liefern 27g Protein; dies ist mehr als in Fleisch. Nun zu den Kohlenhydraten: in den Pflanzen-Drinks sind sie deutlich höher oder tiefer. Die Erklärung liegt im Ausgangs-Lebensmittel: Getreide besteht hauptsächlich aus Kohlenhydraten und Nüsse bestehen hauptsächlich aus Fetten. Wie alle verarbeiteten Lebensmittel können die Drinks zugesetzten Zucker enthalten, vor allem die mit Aroma (z.B. Vanille). Und bei gewissen Drinks (z.B. Hafer) wird während der Herstellung — durch Fermentation — ein Teil der Stärke in Zucker umwandelt wird.

How To

Calcium-Versorgung
Die schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt Erwachsenen täglich 3 Portionen Milchprodukte; v.a. für das Calcium und auch für das Protein. Eine Portion entspricht: 2 dl Milch, 150–200g Joghurt, Quark oder Hüttenkäse, 30g Hartkäse oder 60g Weichkäse. Relevant ist sicherlich auch, dass die Milchproduktion der grösste Sektor der Schweizer Landwirtschaft ausmacht. Die Nationale Ernährungserhebung (MenuCH) zeigte, dass über ¾ vom konsumierten Calcium aus Milchprodukten stammt. Gemäss dieser repräsentativen Befragung essen wir täglich 2 (der 3 empfohlenen) Milchprodukte. Es ist offensichtlich, dass Milchprodukte hierzulande die wichtigsten Calcium-Lieferanten sind. Folglich sollte jeder, der Milch streichen will, die eigene Calcium-Zufuhr beachten.

Umsetzung
Wer auf Kuhmilch verzichten will, kann diese mit einem Pflanzen-Drink, der Calcium-angereichert ist, ersetzen. Ein Calcium-angereicherter Soja-Drink kann bezüglich Calcium- und Protein-Gehalt mit Kuhmilch mithalten. Man kann auch mehr Joghurt/Käse essen. Und wie kommt man sonst noch zu Calcium? Durch bestimmte Mineralwasser und Gemüse, sowie Tofu. Wobei hier folgendes gilt: Eine «Portion Calcium» entspricht 5 dl Mineralwasser mit über 300 mg Calcium pro Liter, z.B. Valser, Aproz, Adelbodner, Eptinger. Oder 200g Calcium-reiches und Oxalat-armes Gemüse, z.B. Brokkoli, Federkohl, Pak Choi. Oder 200g Tofu oder Tempeh (fermentierte Sojabohnen). Auch Mandeln und Hülsenfrüchte (Kichererbsen, Bohnen, Linsen etc.) liefern gut Calcium, aber es braucht je eine doppelte Portion dieser Lebensmittel für eine «Portion Calcium».

Verwendung
Je nach Geschmack und Eigenschaften der Pflanzen-Drinks könnt ihr diese unterschiedlich einsetzen. In Shakes/Smoothies, im Müesli/Porridge oder beim Backen spielt es nicht so eine Rolle, ob ihr Milch oder einen Drink verwendet. Da der Geschmack der anderen Zutaten überwiegt, könnt ihr hier mit dem Experimentieren beginnen und z.B. ein Mandel-Drink nehmen. Hafer-Drinks passen besonders gut in Kaffee und Tee. Wobei die Barista-Versionen mit mehr Fett sich sehr gut schäumen lassen. Bestellt euren Cafe Latte to go doch mal mit Hafer-Drink. Soja-Drink ist besonders vielseitig, weil sie neutral bzw. nicht süsslich schmeckt. Und somit auch in salzige Gerichte passt, wie z.B. im Rührei oder in einer Sauce. Das Gleiche gilt für Soja-Rahm und Soja-Joghurt nature; es funktioniert für süss und salzig. Der Reis-Drink schmeckt süsslich — weil er relativ viel Kohlenhydrate enthält — und ist eher wässrig. Besonders geeignet ist er bei multiplen Allergien und/oder Unverträglichkeiten, bzw. wenn jemand gleichzeitig auf Kuhmilch, Nüsse, Soja und Gluten verzichten muss. Hafer-Drinks sind nicht glutenfrei.

Fazit

Ob nun Kuhmilch oder Pflanzen-Drinks «natürlicher» sind, diese Entscheidung überlasse ich euch. Milch ist heimisch und ein top Calcium-Lieferant. Aber sie ist nicht notwendig für eine ausgewogene Ernährung. Wenn man will oder muss, kann man gut auf Kuhmilch verzichten. Es ist jedoch sinnvoll, die eigene Calcium-Zufuhr zu bedenken und beim Konsum von Pflanzen-Drinks auf die Zutaten-Liste zu achten. Im Sinne von «celebrate your food», müsst ihr euch nicht entscheiden und könnt weiterhin Milch und eure liebsten Pflanzen-Drinks feiern.

Quellen

Besse S, Nifachev C, Milchprodukte: Welche Alternativen gibt es, um eine Deckung des Kalziumbedarfs sicherzustellen?, SVDE ASDD Info, 4/2018

erste Nationale Ernährungserhebung menuCH 2017: Fachinformation Ernährung: Milch und Milchprodukte in der Schweiz 2014/15

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/289189/umfrage/pro-kopf-konsum-von-milch-in-der-schweiz/ abgerufen am 09.04.2021

https://naehrwertdaten.ch/de/ abgerufen am 09.04.2021

https://www.peta.de/veganleben/milchalternativen/ abgerufen am 09.04.2021

https://www.migros-impuls.ch/de/ernaehrung/nahrungsmittel/milchprodukte/milch-ist-nicht-gleich-milch abgerufen am 09.04.2021

https://www.landwirtschaft.ch/wissen-facts/lebensmittel/milch/ abgerufen am 09.04.2021

https://www.sge-ssn.ch/media/Stufe_Milch_Milchprodukte.pdf abgerufen am 09.04.2021

https://www.srf.ch/news/wirtschaft/veraenderte-konsumgewohnheiten-milch-macht-s-aber-nicht-mehr-so-wie-frueher abgerufen am 09.04.2021

https://www.swissmilk.ch/de/rezepte-kochideen/tipps-tricks/was-heisst-uht-past-etc-und-hat-es-einfluss-auf-die-qualitaet-der-milch/abgerufen am 09.04.2021

https://www.vegpool.de/news/aenderungsantrag-171-entscheidung-steht-bevor.html/abgerufen am 20.04.2021

Sousa A, Kopf-Bolanz KA (2017) Nutritional Implications of an Increasing Consumption of Non-Dairy Plant-Based Beverages Instead of Cow’s Milk in Switzerland. J Adv Dairy Res 5: 197. doi:10.4172/2329–888X.1000197

van Vliet S, Burd NA, van Loon LJ. The Skeletal Muscle Anabolic Response to Plant- versus Animal-Based Protein Consumption. J Nutr. 2015 Sep;145(9):1981–91. doi: 10.3945/jn.114.204305. Epub 2015 Jul 29. PMID: 26224750.

Verordnung des Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) über Lebensmittel tierischer Herkunft, 10. Kapitel Milch, Stand am 1. Juli 2020

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