Marroni- Das Brot der armen Leute

Pascal
cookpool
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5 min readNov 12, 2020

Früher waren Marroni ein Grundnahrungsmittel. Heute kennt man sie als feines Vermicelle mit Meringues, «Heissi Marroni» oder als karamellisierte Dekoration beim Rotkraut. Doch es gibt noch mehr Köstlichkeiten aus Marroni.

Tessiner Kastanien (Foto)

Wissenswertes

Der grösste Edelkastanienwald Europas liegt nicht in Italien, sondern im Bündner Südtal Val Bregaglia in der Schweiz. «Brentan» nennt man den Wald, welcher im untersten Dorf vom Val Bregaglia in Castasegna liegt. Auch in Murg gedeihen über 1850 Edelkastanien. Nirgends nördlich der Alpen findet man mehr solcher Bäume, welche bis zu 30 Meter hoch und mehrere hundert Jahre alt werden können. Neben dem Kastanienweg in Murg und dem Kastanienlehrpfad in Brentan gibt es noch weitere Pfade, verteilt in der ganzen Schweiz!

Beim Marroni-Sammeln bitte immer die Regel beachten, dass nur Marroni die bereits auf dem Boden liegen eingesammelt werden. In der ganzen Zentralschweiz gibt es insgesamt 24 Kastanienhaine auf über 20 Hektaren, 12 davon sind rund um den Vierwaldstättersee. Der Kastanienhain ist eine alte Nutzungsform, bei der sich drei Nutzungen ideal ergänzen. Die Kastanienbäume dienen der Fruchtproduktion, der Holzproduktion (Brenn- und Stammholz) und durch die parkähnliche Bestockung kann die Fläche auch zur Beweidung genutzt werden. In den letzten Jahren waren die Ernten schlecht. Ein Insekt, die Gallwespe, nistet sich in die Blüten ein und lässt den ganzen Baum absterben. Im Jahr 2013 war die Ernte in Europa historisch schlecht und erst 2016 konnten sich die Bäume langsam erholen. 2018 konnte dann wieder von einer guten Ernte gesprochen werden. Jährlich werden 2500 Tonnen zusätzlich zu den rund 100 Tonnen, die in der Schweiz geerntet werden, importiert. Die importierten Kastanien stammen neben Italien hauptsächlich aus Portugal, Spanien und Frankreich.

Sortenvielfalt

Nicht alle Kastanien-Sorten sind essbar. Rosskastanien findet man auf dem Schulweg oder im Nachbarsgarten. Sie enthalten viel Gelbsäure und sind nicht zum Verzehr geeignet. Man erkennt sie an den dicken Dornen. Die Esskastanie kann gegessen werden, die «Nuss» ist einseitig abgeflacht und die Dornen sind feiner. Maronen sind eine Weiterzüchtung der Esskastanie, sie sind etwas grösser und haben eine herzförmige Unterseite. Ausserdem besitzen sie etwas mehr Süsse und sind aromatischer.

Nährstoffe und Gesundheit

Bei heissen Marroni scheiden sich die Geister. Entweder man mag sie oder nicht. In 100g rohen Edelkastanien stecken nur 200 Kalorien. Somit eignen sie sich als idealer Snack auf dem Weihnachtsmarkt. Sie sind mit 1,5g fettarm und liefern grösstenteils Kohlenhydrate (42,5g). Daher kommt auch der Ausdruck «Brot der Armen». Somit zählt man sie auch zu den Stärkebeilagen. Alles in allem eine gute Wahl, wenn der kleine Hunger kommt. Maronen sind von Natur aus glutenfrei und sind eine gute Alternative z.B. in Form von Marroni-Mehl.

Man kann sie rösten oder über einem Wasserbad erhitzen und dann weiterverarbeiten. Je nach Zubereitungsart kann sich die Nährstoffkonzentration verändern. Weil Maronen beim Kochen Wasser aufnehmen, enthalten 100g danach ca. 25% weniger Kalorien. Es findet eine Art Verdünnung statt. Beim Rösten geht Wasser verloren und der Kohlenhydratgehalt wird ca. 25% höher, da eine Konzentration stattfindet.

Rohe Maronen enthalten sogenannte Tannine. Das sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, welche zur Gruppe der Polyphenole gehören. Tannine wirken als Gerbstoff in den Maronen und werden durch das Erhitzen abgebaut. Dadurch erhalten die Maronen ihren leicht süsslichen Geschmack. Weiter enthalten sie Carotinoide und Phenolsäuren, welche auch zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen gehören. Maronen liefern den Vitamin B-Komplex, Vitamin C und Vitamin E. Im Vergleich mit Kiwis liefern sie etwa halb so viel Vitamin C. Neben Vitaminen liefern Maronen auch wertvolles Kalium, Phosphat und Magnesium. Durch das Erhitzen wird auch die antioxidative Aktivität erhöht. Damit können Maronen und Produkte daraus einen wertvollen Beitrag als Stärkebeilage leisten.

How tos

Maronen sind vielseitig einsetzbar und können auf verschiedene Arten zubereitet werden. Man kann sie in vielen Variationen im Detailhandel kaufen. Neben ganzen Maroni in der Selbstbedienung können vorgekochte und verschweisste oder tiefgekühlte Maroni gekauft werden. Der grösste Anteil davon ist schon vorgegart und fertig für den Verzehr. Natürlich werden auch Produkte wie Marroni-Joghurt, Marroni-Tofu, Kastanien-Honig oder Vermicelle (Maronen-Püree) verkauft. Auch wenn es aus Maronen hergestellt ist, zählt das Vermicelle zu den Süssigkeiten. Also sollte es bewusst und mit ganz viel Genuss konsumiert werden.

Aus Kastanien kann auch Mehl und daraus hergestellte Produkte wie Teigwaren gefertigt werden. Im Internet oder im Fachhandel kann man das Maronen-Mehl kaufen. Daraus lassen sich Kuchen, Spätzli, Torten und viele weitere Leckereien herstellen. Es gibt Rezepte die schon Kastanienmehl verwenden oder man kann das Weizenmehl ersetzen. Hierfür kann das klassische Mehl zu 25% durch Kastanienmehl ersetzt werden und die Flüssigkeitsmenge sollte erhöht werden. 50g Kastanienmehl würden schon reichen, um 100g Weizenmehl zu ersetzen. Das heisst wenn 100g Weizenmehl verwendet werden, kann man 25g davon ersetzen. Weil aber die Hälfte vom Kastanienmehl reicht um das Weizenmehl zu ersetzen, braucht man am Schluss nur 12,5g Kastanienmehl. Versucht euch an neuen Rezepten wie ein saftiger Marroni-Kuchen oder Cremige Tagliatelle mit Marroni-Stückchen aber auch ganz klassisch zum Rotkraut und als Füllung für einen Braten.

Fazit

Jeder kennt «heissi Maroni» jedoch können Maroni noch viel mehr. Sie liefern Kohlenhydrate, wenig Fett und sind reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Versucht euch an den verschiedenen Produkten und kreiert leckere Rezepte mit einem eher unbekannten Stärkelieferanten. In diesem Sinne: Celebrate your food!

Quellen

De Vasconcelos MC, Bennett RN, Rosa EA, Ferreira-Cardoso JV. Composition of European chestnut (Castanea sativa Mill.) and association with health effects: fresh and processed products. J Sci Food Agric. 2010 Aug 15;90(10):1578–89. doi: 10.1002/jsfa.4016. PMID: 20564434.

https://eatsmarter.de/ernaehrung/gesunde-lebensmittel/exotische-mehlsorten, abgerufen am 11.11.2020

https://eatsmarter.de/ernaehrung/news/maronen-gesunder-snack, abgerufen am 11.11.2020

https://flexikon.doccheck.com/de/Tannin, abgerufen am 11.11.2020

https://heidiland.com/de/informieren/regionen-orte/walensee/kastanienweg-murg.html, abgerufen am 11.11.2020

https://kastanien.application-lab.ch/haine/, abgerufen am 11.11.2020

https://www.5amtag.ch/wissen/sekundaere-pflanzenstoffe/, abgerufen am 11.11.2020

https://www.bluewin.ch/de/leben/reisen/das-sind-die-schoensten-kastanienwege-der-schweiz-448844.html, abgerufen am 11.11.2020

https://www.graubuenden.ch/de/val-bregaglia-tal-grossen-kastanien-selven, abgerufen am 11.11.2020

https://www.luzernerzeitung.ch/wirtschaft/warum-marroni-teuer-bleiben-ld.1058219, abgerufen am 11.11.2020

https://www.marinello.ch/produkte/fruechte-und-gemuese-auswahl/maroni-und-kastanien.html, abgerufen am 11.11.2020

Wani IA, Hamid H, Hamdani AM, Gani A, Ashwar BA. Physico-chemical, rheological and antioxidant properties of sweet chestnut (Castanea sativa Mill.) as affected by pan and microwave roasting. J Adv Res. 2017 Jul;8(4):399–405. doi: 10.1016/j.jare.2017.05.005. Epub 2017 May 16. PMID: 28649458; PMCID: PMC5470552.

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