Kryptowährungen — eine Gefahr für die Preisstabilität?

Elena Kaut
Crypto Tree
Published in
7 min readOct 16, 2019

Ein Blick auf das Verhältnis von virtuellen Währungen zur europäischen Währungsunion

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In diesem Artikel möchten wir auf das Risiko virtueller Währungen für die bestehende Währungsordnung eingehen und Dir aufzeigen, ob und welche Gefahren diese mit sich bringen können. Wir von Crypto Tree haben uns in Hinblick unseres Projekts und unserer Mission — die Akzeptanz von Kryptowährungen voranzutreiben — mit diesem Thema für Dich auseinandergesetzt.

Ungeachtet aufsichtsrechtlicher Einstufungen und künftiger Gesetzestexte betrachten wir die Thematik hier aus der strafrechtlichen Perspektive. Um in das Thema besser einsteigen zu können, werfen wir gemeinsam einen Blick auf folgende deutsche Strafrechtsnorm, die dem ein oder anderen vielleicht noch nicht bekannt sein wird:

§ 35 BBankG:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,

  1. wer unbefugt Geldzeichen (Marken, Münzen, Scheine oder andere Urkunden, die geeignet sind, im Zahlungsverkehr an Stelle der gesetzlich zugelassenen Münzen oder Banknoten verwendet zu werden) oder unverzinsliche Inhaberschuldverschreibungen ausgibt, auch wenn ihre Wertbezeichnung nicht auf Euro lautet;
  2. wer unbefugt ausgegebene Gegenstände der in Nummer 1 genannten Art zu Zahlungen verwendet.

Aus diesem Gesetzestext lässt sich ableiten, dass die Ausgabe und die Verwendung von Geldzeichen in unbefugter Weise strafbar ist. Sinn und Zweck dieser Regelung aus dem Bundesbankgesetz ist, die Währungsunion vor privaten Währungen zu schützen, die in Konkurrenz zu staatlichen Währungen treten.

Bedeutet dies jetzt, dass die Verwendung von virtuellen Währungen, wie Bitcoin & Co strafbar ist?

Bei dieser Beurteilung genügt ein Blick auf rechtliche Aspekte unserer Ansicht nach alleine nicht. Vielmehr müssen wir hier versuchen, eine Verbindung zu Digitalisierung und Wirtschaft herstellen.

Geschichte und Nutzung des Geldes

Unstrittig können wir feststellen, dass in der Vergangenheit ein großer Teil des Zahlungsverkehrs mit Bargeld erfolgte. In Zeiten der Digitalisierung bewegt sich der Geldverkehr jedoch eher weg von der verkörperten Form des Geldes. Die Gegenwart ist vielmehr geprägt von der Entmaterialisierung der Banknoten. Laut des Monatsberichts September 2019 der deutschen Bundesbank übersteigt die Menge des im Umlauf befindlichen Buchgeldes circa sieben mal soviel, wie die Menge des im Umlauf befindlichen Bargeldes. Ebenso tritt das sogenannte E-Geld hinzu, das nicht auf herkömmlichen Bankkonten, sondern auf sonstigen Datenträgern gespeichert wird.

Virtuelle Währungen sind daher nur die logische Konsequenz des Entmaterialisierungs-Prozesses. Diese werden rein elektronisch hergestellt und existieren virtuell in einem Peer-to-Peer Netzwerk auf Basis der Distributed Ledger Technologien. Sie werden im Gegensatz zu Euro-Banknoten nicht von staatlicher Seite ausgegeben, sondern sind (grundsätzlich) dezentral organisiert. Der große Unterschied zu E-Geld und Buchgeld liegt darin, dass hierbei die Einschaltung Dritter nicht von Nöten ist. Der Zahlungsverkehr erfolgt ohne die Unterstützung von Banken bzw. Vermittlern (Zahlungsdienstleistern).

Virtuelle Währungen und das Verhältnis zur europäischen Währungsunion

Grundsatz: Die Währungshoheit liegt in der Hand des Staates. Allein der Staat steuert die Geldmenge und legt die Zinssätze fest (Geldpolitik). Er steuert und kontrolliert das Wechselkurssystem und kann über Devisen- und Kapitalverkehrskontrollen entscheiden. Dies ergibt sich auch aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 4 GG — die ausschließliche Zuständigkeit für das Währungs-, Geld- und Münzwesen.

Diese Hoheit ist mit 01. Januar 1999 auf die Unionsebene, sprich auf die Europäische Zentralbank (kurz EZB) übergegangen. Mit diesem Step wurde der Euro das gesetzliche Zahlungsmittel. Das Entscheidungsmonopol über die Ausgabe von Banknoten und Münzen wurde auf die EZB übertragen. Ziel dabei war, die Preisstabilität in Europa und eine gemeinsame Währungspolitik aller Länder zu fördern.

Eine funktionierende Geldpolitik setzt immer voraus, dass die Nutzer in die Funktion des Geldes und in die herausgebende Institution vertrauen. Der Staat schafft dies, durch die Einführung einer Währung und dessen Festlegung als gesetzliches Zahlungsmittel. Aber auch eine geeignete Wertsicherung muss Aufgabe des Staates bleiben. Dies bedeutet, dass jeder Staat für Preisstabilität sorgen muss. Aufgrund der Inflation des Geldes, hat jeder Staat bzw. in der europäischen Union die EZB, daher dafür zu sorgen, dass Geld ein knappes Gut bleibt.

Die währungspolitischen Instrumente der EZB

Damit Geld ein knappes Gut bleibt, wurde die Kontrolle über das umlaufende Bargeld der EZB eingeräumt. In Deutschland ist zur tatsächlichen Ausgabe die nationale Zentralbank — die Deutsche Bundesbank — in dem von der EZB genehmigten Rahmen, berechtigt. Das Volumen wird dabei durch die Nachfrage an Bargeld bestimmt.

Das Buchgeld (Gutschrift eines Kreditbetrags) hingegen entsteht außerhalb des Wirkungskreises der EZB. Geschöpft wird es von Banken durch Buchungsvorgänge. Die Schaffung von Buchgeld als private Form selbst kann die EZB direkt nicht steuern. Allerdings gelingt ihr eine Steuerung indirekt, durch die ihr zur Verfügung stehende geldpolitischen Befugnisse. Zum Beispiel durch die Festlegung des Leitzinses für Banken, wenn sich solche Kredite gewähren lassen wollen — vor allem, um sich das von Kunden nachgefragte Bargeld zu verschaffen. Wird der Leitzins für Banken erhöht, erhöhen sich in der Regel auch die Zinssätze der Kunden. Und diese verringert tendenziell die Nachfrage nach Krediten. Im Rahmen der Buchgeldschöpfung sind Banken auch deshalb nicht frei handlungsfähig, da sie Eigenkapital beschaffen und vorhalten müssen.

Einfluss der europäischen Union auf virtuelle Währungen

Wir können in diesem Zusammenhang festhalten, dass ein virtueller Wert mangels Wertstabilität kein Geld ist, dieser jedoch eine Geld-Ähnlichkeit aufweist. Auch im digitalen Rahmen wird ein Wert generiert. Und diesen virtuellen Wert erhält man, außer bei Stable Coins oder privaten Coins, nicht durch den bloßen Austausch von staatlicher Währung. Im Gegenteil, sie entstehen klassisch durch Algorithmen, meist als Belohnung für das Verifizieren von Transaktionen. Diese Generierung unterliegt weder der EZB noch kann diese durch die EZB gesteuert werden. Keine Bank oder staatliche Institution hat indirekten oder direkten Einfluss hierbei.

Gefahr für die Preisstabilität?

Durch das in Umlauf bringen von unkontrollierten Geldwerten könnte daher die Preisstabilität gefährdet sein, wie der ein oder andere Volkswirtschaftler jetzt behaupten mag. Bitcoin ist hier nicht der erste Versuch, ein Zahlungsmittel, welches frei von Regierungen und staatlichem Einfluss ist, der Menschheit zugänglich zu machen. In der Vergangenheit hat es immer wieder den Ansatz gegeben, weitere Währungen als Gegenentwurf zu staatlichen Währungssystemen zu etablieren und diese strafrechtlich zu sanktionieren.

Als geschütztes Rechtsgut soll die staatliche Währung vor sog. Nebengeld gelten. Ist eine staatliche Sanktion heute noch praktisch relevant? Oder sind wir im Zeitalter der digitalen Werte angekommen?

Passt das Ganze jetzt auf Bitcoin & Co?

Gleich vorweg: Strafrechtlich sind wir bei der Nutzung von virtuellen Währungen auf der sicheren Seite. Nach der strafrechtlichen Norm stellen virtuelle Währungen wie Bitcoin kein taugliches Tatobjekt dar, denn nach dem Wortlaut sind nur Marken, Münzen oder Scheine erfasst. Es gilt der Bestimmtheitsgrundsatz. Der virtuelle Coin kann sich somit zumindest strafrechtlich glücklich aus der Affäre ziehen.

Etwas anders sieht es hingegen auf der aufsichtsrechtlichen Seite aus. Innerhalb des Kreditwesengesetzes steht der Anlegerschutz und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Funktionieren der Finanzwirtschaft im Vordergrund. Es handelt sich hierbei nicht um ein repressives, sondern um ein präventives Verbot.

Im Zusammenhang mit Krypto-Werten handelt sich um ein Verbot, wenn damit Finanzgeschäfte oder Bankgeschäfte betrieben werden sollen. Werden diese als Zahlungsmittel genutzt, fallen sie nicht unter das Verbot. Die aufsichtsrechtliche Regulatorik konzentriert sich nur auf Krypto-Werte als Spekulationsobjekte.

Macht ein Verbot von Kryptowährungen für die Zukunft Sinn?

Wie wir alle wissen, ist derzeit die Ausgabe und Verwendung virtueller Währungen straflos und bisher hinsichtlich der Einsetzung als Zahlungsmittel weitgehend unreguliert. Immer noch sei das Ausgabevolumen und der Einsatz als Zahlungsmittel virtueller Währungen gering, so dass keine Gefahr für die Preisstabilität bestünde.

Sie können zwar noch nicht als Geld angesehen werden, sind aber geeignet, durchaus als Zahlungsmittel verwendet zu werden. Schon heute besteht die Möglichkeit, Dienstleistungen und Waren mittels virtuellen Währungen zu erwerben.

§ 35 BBankG ist auf virtuelle Währungen nicht anwendbar, da diese virtuelle und nicht verkörpert existieren. Des Weiteren wäre zu überlegen, wer denn genau zur Rechenschaft gezogen werden soll, um die 1. Alternative zu verwirklichen. Wenn wir keine Werte ausgebende Institution haben, dann können wir auch niemanden dafür verantwortlich machen. Oder sind es dann die Miner oder doch die Miningbetreiber? Spätestens bei dem Tatbestandsmerkmal der Verwendung wären wir aber wieder im Spiel.

Jetzt stellt sich die Frage, ob in Zeiten den Entmaterialisierung von Geld nicht auch § 35 BBankG auf digitale Assets ausgeweitet werden müsste?

Oder im Gegenteil nicht § 35 BBankG komplett abgeschafft werden sollte? In Zeiten der Digitalisierung wäre das ein Schritt in Richtung marktliberale Grundüberzeugung. Alles andere würde als eine Behinderung des technischen Fortschritts angesehen werden können.

Dezentrale alternative Zahlungsmittel sind in der Gegenwart angekommen. Ein konkretes Risiko besteht nur dann, wenn sich einige wenige “als Gelddruckmaschinen etablieren” und somit nicht die Allgemeinheit, sondern einzelne Wirtschaftsteilnehmer, bereichert werden. Zu bedenken ist ebenfalls, dass sich eine Regulierung auch positiv auf virtuelle Währungen auswirken wird. So entsteht Vertrauen in die Geldfunktion und virtuelle Währungen können sich erst recht etablieren. Ebenfalls berücksichtigt werden sollte, dass ein abstraktes Gefährdungsdelikt, wie oben genannte Strafrechtsnorm, kaum praktikabel sein wird. Zwar könnten einzelne Personen — ähnlich wie bei der Kriminalisierung von Cannabis-Konsumenten — strafrechtlich verfolgt werden, das große Ganze und das insgesamt eingetretene Problem kann unserer Meinung nach so schnell jedoch nicht beseitigt werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Virtuelle Währungen sind ernstzunehmen. Wir von Crypto Tree sind fest davon überzeugt, dass sich virtuelle Währungen als Zahlungsmittel etablieren können. Virtuelle Währungen haben daher durchaus das Potenzial, das Ziel der Preisstabilität in Europa als fundamentale Voraussetzung zu gefährden. Sie haben jedoch auch das Potential, die globale Finanz- und Wirtschaftswelt neu zu reformieren und eine Alternative für jeden Wirtschaftsteilnehmer weltweit darzustellen. Dies auch deshalb, da virtuelle Währungen grenzüberschreitend getätigt werden können. Europa wird wohl erst dann final handeln, wenn virtuelle Währungen tatsächlich wirtschaftliche Relevanz entfalten.

Grundlage dieses Artikels ist der rechtswissenschaftliche Artikel von Akad. Oberrätin Dr. Victoria Ibold, München: “Private Geldschöpfung durch virtuelle Währungen — Strafbares Verhalten de lege lata und de lege ferenda unter besonderer Berücksichtigung der geltenden europäischen Währungsunion” (Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 2/2019, Seite 95 ff.) Dieser und ein persönliches Mittagessen mit der Autorin haben mir neue Denkanstöße gegeben — ich bedanke mich für diese wissenschaftlichen Ausführungen und für das dynamische Gespräch ganz besonders und freue mich auf einen spannenden Blick in Richtung Zukunft.

Mehr Infos zu virtuellen Währungen findest du auf unserer Website. Dein Crypto Tree Team

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