Baum um Baum

Claudia Sommer
CSR Bingo
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4 min readSep 18, 2018

Das was gerade im Haimbaches Forst vorsich geht, kann obskur anmuten, wenn man nicht im Thema ist. Aber das Einzige was obskur ist, ist das Verhalten von RWE und der Landesregierung NRW, denn während die Kohlekommission in Berlin noch über einen endgültigen Ausstieg aus der Braunkohle verhandelt, stellt die Bauministerin des Landes urplötzlich fest, dass der Brandschutz bei den Baumhäuser im Forst nicht gegeben ist.

PhotoCredit: Aktion Unterholz

Übrigens, bei der letzten amtlichen Überprüfung 2014, war noch alles in Ordnung. Die aktuelle Bauministerin stellt sich damit auch gegen die zuständigen Kommunen und legt ihre Argumentation auf über 41 Seiten, inkl. der ihrer Ansicht nach korrekten juristischen Einschätzung, dar.

Ämter und Polizei werden, per Erlass, dazu verdonnert einen absurden Einsatz zu fahren und de facto zur Amtshilfe genötigt. Das Land NRW stellt so quasi einen erweiterten Werksschutz für die RWE, auf dem Rücken der Steuerzahler, bereit.

In NRW fehlt an allen Ecken und Enden Geld und hier werden die Millionen nur für so einen Unfug rausgeblasen, Polizeibeamte in einem Einsatz, der bis Weihnachten geplant ist, verheizt.

Der deutsche Amtsschimmel lässt grüßen.

Die eingesetzen Polizeibeamten fehlen übrigens an anderer Stelle, wie zum Beispiel zur Clan-Bekämpfung u.ä.

PhotoCredit: HambiBleibt

Also, worum geht es eigentlich im Hambacher Forst und warum besetzen Aktivisten, seit Jahren, dieses kleine Stückchen Wald? Warum wird dort erbittert um jeden Baum gekämpft? Wieso hat es die RWE so eilig?

Ganz einfach, im Hambacher Forst entscheidet sich jetzt die Zukunft der Energiewende. Symbolisch wie faktisch.

Ja, die RWE hat das Recht den Wald zu roden und dort Braunkohle abzubauen, aber die Frage ist, ob das vor Jahrzehnten gewährte Recht auch heute noch legitim ist. Denn weder, die seit den 90er Jahren vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung, noch Natur- und Artenschutz Belange und auch Vorgaben aus dem Pariser Klimavertrag kommen zum Tragen. Und auch das was in Berlin in der Kohlekomission im Winter beschlossen werden soll, bleibt gänzlich aussen vor.

Die RWE möchte Fakten schaffen, bevor andere Faktoren Einfluss nehmen könnten, wie zum Beispiel die noch anhängige Klage des BUND gegen die Zulassung des „Hauptbetriebsplans 2018–2020“. Und um das zu erreichen, muss die RWE jetzt ab Oktober roden, denn ab Februar darf grundsätzlich nicht mehr gerodet werden.

Auf der anderen Seite möchten natürlich die Aktivisten und Bündnisse, genau das verhindern und den Wald erhalten. Sie wissen genau, dass die Zeit gegen die RWE arbeitet und daher wird dort nicht ein einziger Baum ohne Widerstand aufgegeben. Das weiß natürlich auch die RWE.

Es ist ein mehr als fadenscheiniges Manöver, wenn nun Brandschutz-Verordnungen bemüht werden, damit man Polizeikräfte anfordern kann, denn alleine ist die RWE nicht in der Lage das Gebiet zu räumen. Auch, dass der Ministerpräsident von NRW das Gespräch oder gar eine Vermittlung mit den Aktivisten kategorisch ablehnt, passt genau in dieses Schema. Wahrscheinlich gibt es dann zukünfitg üppige Nebeneinkünfte und hochdosierte Pöstchen für beteiligte Beamte und Politiker. Das ist seit Jahrzehnten gängige Praxis in NRW und meiner Ansicht nach, schlichtweg „legalisierte“ Korruption.

Die Öffentlichkeit wird derweil seitens RWE und dem Land NRW mit Märchen abgefrühstückt:

  • „Die Licher gehen aus“
  • „Arbeitsplätze werden vernichtet“

Das mit Nichten die Lichter ausgehen, wenn man Braunkohlekraftwerke vom Netz nimmt, haben Aktivisten am Wochenende eindrücklich belegt. Das Kraftwerk Niederaussem wurde, als Akt des Protests, fast komplett runtergefahren und siehe da, nirgends ging das Licht aus. So funktioniert das Stromnetz einfach nicht.

PhotoCredit: Jörg Kutzera

Laut einer aktuelle Studie vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist ein Kohleausstieg sogar bis 2030 zu bewältigen, ohne dass es Versorgungslücken und Massenarbeitslosigkeit geben würde.

Das die RWE nun aber mit dem Rücken zur Wand steht, hat einfach etwas mit einem miserablem Management zu tun. In den letzten 10 Jahren wäre genug Zeit gewesen, den Konzern neu auszurichten und für die Zukunft fit zu machen. In dem Zustand aber wie die RWE jetzt ist, birgt die Unternehmensstruktur erhebliche Risiken für den Fortbestand, denn ein Grossteil des Profits wird mit Braunkohle und Atomkraft generiert. Beides übrigens hoch profitabel.

Vereinfacht gesagt, kämpft die eine Seite gegen den Klimawandel, für eine zukunftsfähige Gesellschaft, mit einer ökologischen Energieversorgung und die andere für die Wahrung ihrer Profite, auf Kosten der Steuerzahler, der Natur und zukünftiger Generationen. Diesen Kampf tragen beide Seiten erbittert aus.

Die einen mit Engagement, Leidenschaft und großem persönlichem Einsatz, die andere Seite indem sie eine Landesregierung und Polizeibeamte vor den Karren spannt.

Eigentlich werden gerade Aktivisten und Polizisten verheitzt und RWE lacht sich ins Fäustchen. Nur, wer zuletzt Lacht, lacht am besten…

Ich glaube weder der RWE noch der Landesregierung NRW ist klar, was sie hier gerade mobilisiert:

Die gesamte Umweltbewegung.

Wenn man ein zweites Wackersdorf haben möchte, kann man natürlich so weiter machen, denn mit jedem Tag steigt das Stressniveau aller Beteiligten vor Ort. Sinnvoller wäre es, das Ganze wieder dorthin zu bringen wo es hingehört:

Auf die politische Ebene in Berlin.

Es muss hier ein gesellschaftlicher Gesamtkonsens gefunden und nicht Baum um Baum sich abgekämpft werden. Das ist eben nicht nur der Beritt von NRW und RWE und deshalb müssen die Landesregierung und RWE den Polizeieinsatz umgehend beenden und sich einem Moratorium verpflichten, solange die Kohlekommission tagt.

Ein Moratorium ist der einzig vernünftige Schritt.

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Claudia Sommer
CSR Bingo

A passionate visionary with over 20 years of experience in the digital world, strategically, creatively and technically