Eine Kleinigkeit wäre da noch

Die Sinnlosigkeit als Hintertür, zurück zur Menschenliebe.

Thomas Friedrich
Daily Draft
Published in
3 min readJun 7, 2013

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Es gibt im Grunde nichts einfacheres, als ein Misanthrop zu sein. Das ist ein Vorteil, aber auch leider ein großer Nachteil. Beides in einem. Vorteil, weil die Misanthropie so unglaublich genügsam ist. Manchmal reicht ihr ein Haufen Hundescheiße vor der Haustür und sie fühlt sich gestärkt wie Hulk nachdem man ihn darauf vorbereitet hat, dass es gleich eine Darmspiegelung gibt. Aber es ist auch ein Nachteil, denn es ist der einfache Weg und der ist ja selten der gute. Zumindest steht das in gefühlt 90% aller Ratgeberbücher, die einem für Dummies erklären wie man erfolgreicher, positiver, besser, geiler, fickbarer, schlauer, reicher, berühmter und vor allem produktiver wird.

Grundsätzlich hab ich nichts gegen den einfachen Weg und eigentlich hab ich es auch nie wirklich verstanden, warum gegen ihn Stimmung gemacht wird. Er ist doch einfach. Was ist daran schlecht? Vielleicht liegt es daran, dass man den einfachen Weg, meist mit dem Bescheissenweg gleich setzt. Oder es ist was christliches, von wegen Läuterung, Buße tun und so fort.

Trotzdem, die Misanthropie ist so eine Art Free Refill Einstellung. Man muss nur die Augen auf machen und dann suppt es nur so rein in den Cortex. Menschen sind…

Dabei ist mir aufgefallen, was uns Menschen von Tieren unterscheidet. Wenn z.B. Beutelratten aussterben, dann findet sich sicher mindestens ein Mensch der das schade findet. Die Beutelratten würden das auch schade finden, können aber nicht mehr, weil sie ja nicht mehr sind. Also gibt es zumindest einen, der das Bedauert. Wir sind das institutionalisierte Bedauern. Anders herum, wenn wir aussterben, wie würde es da aussehen? Aber darauf will ich dieses mal nicht hinaus.

Es gibt eine Kleinigkeit, die Menschen dann doch liebenswürdig macht und zwar als Gruppe (das ein einzelner Mensch liebenswürdig sein kann ist ja wohl klar). Es ist unsere Fähigkeit Sinnlosigkeit zu zelebrieren und vor allem zu organisieren. Das ist beeindruckend und irgendwie süß. Zum Beispiel Motorsport, oder noch besser, Cricket. Es gibt Regeln zu diesem Spiel, die sind nicht unkompliziert (ich verstehe sie schon mal nicht) und das Spiel dauert lang und naja, es hat keinen höheren Sinn und es kommt auch nichts dabei heraus. Aber es macht Spaß, offensichtlich. Also verständigt man sich auf diese Regeln und man hält sich an diese Regeln. Geht die Welt unter wenn man das nicht tut? Nein. Nimmt man tatsächlichen Schaden? Nein. Das Spiel nimmt schaden. Und dann würde man es auch nicht mehr spielen wollen.

Menschen sind in der Lage, etwas völlig sinnloses so dermaßen bierernst zu nehmen, dass es eine wahre Freude ist. Fast schon liebenswert. Zumindest für einen Misanthropen wie mich. Wir können Regeln erfinden, die völlig virtuell sind und keinen Gesellschaftlichen Zweck erfüllen, wie etwa morden ist ungut. Aus Spaß und wir können uns darauf verständigen uns daran zu halten. Virtuelle Systeme. Das ist mal wirklich eine Leistung für die man ein bisschen liebevoll auf den Hinterkopf getätschelt werden sollte.

Allerdings gibt es auch hier wieder einen Nachteil, Religion. Auch so ein virtuelles System. Nur mit dem Unterschied, dass bei Religionen Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt wird, andere virtuelle Systeme auszuschließen… Beim Spiel ist das nicht so. Oder hat man schon mal einen Cricket-Spieler gesehen, der sich während eines Fußballspiels wütend auf den Platz begibt, den Ball aufnimmt, ihn angewidert ansieht und dann zu den Mitspielern sagt: “Also die Regeln hier, sind vollkommen falsch.”? Richtig, hat man nicht – zumindest keinen geistig gesunden Cricket-Spieler.

NB: Während ich diesen Text geschrieben habe, bin ich traurig, dass die deutsche U21-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Israel ihr Auftaktspiel gegen die Niederlande 3:2 verloren hat.

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