Der Tag, an dem wir die Dinosaurier umbrachten.

Gerald Hensel
Das Horribilicribrifax
3 min readOct 24, 2014

Als ich ein Kind war, interessierte ich mich wie viele Jungen für Dinosaurier. Mit sieben Jahren konnte ich nicht nur den offensichtlichen Triceratops von einem Stegosaurus und einem Iguanodon unterscheiden. Nee. Ich war ein Dino-Hipster: Ich konnte mich relativ intensiv in den Kopfschmuck von Ceratopsiden reinfuchsen. Und wenn jemand im Senckenbergmuseum einen Allosaurus und einen T-Rex durcheinanderbrachte, fand ich das peinlich.

Mit sieben.

Anyway.

Heute, tief in einer aufrecht gelebten Midlife-Crisis, holt mich das Interesse für die Dinosaurier wieder ein. Komisch eigentlich: Jurassic Park ging in den Jahren meiner Adoleszenz ziemlich an mir vorbei. Und auch sonst dachte ich, dass mein kindliches Interesse an der Zeit vor unserer Zeit halt so eine Phase ist wie Matchbox Autos.

Der Grund ist recht simpel: in der Wahrnehmung der Paläontologen ist seit meinen Kindheitstagen einiges passiert. Die Dinosaurier — die damals als eine Art entfernter Vorläufer der Vögel gesehen und vor allem auch gezeichnet wurden — sind in der Zwischenzeit praktisch zu Vögeln mutiert.

So sahen die Dinosaurier in meinen Büchern in den 80ern aus

Wissenschaftler haben in den letzten 20 Jahren belegt, dass das Bild der ledrigen Echse so in vielen Fällen nicht stimmte. Denn mehr und mehr mehren sich Belege, dass viele, wenn nicht sogar alle Dinosaurier Federn trugen und damit deutlich vogelähnlicher waren als gedacht.

Ein Bild zerfällt.

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass ein T-Rex eigentlich so aussah

Ist das nicht interessant?

Viecher wie der Oviraptor sehen nicht aus wie die Tiere, die ich damals ausgemalt habe. Eher wie ein Hühnchen from Hell.

Dieser so genannte Anchiornis sieht auch eher aus wie Geflügel. Gut…sehr aggressives Geflügel.

Und selbst auf den oben beschriebenen Riesenhörnerviechern wachsen in den Augen der Paläokünstler langsam ganz viele Federn.

Der Mensch macht sich seine Welt selbst. Und genau das finde ich hochinteressant daran. Die nächste Generation an 7-jährigen wächst mit Dinosauriern auf, die aussahen wie Federvieh.

Warum ich diesen Artikel gerade heute schreibe?

Gerade wurde eines der größten Rätsel der Paläntologie gelöst. Ein Rätsel, dessen Lösung ich als Kind förmlich entegegengefiebert habe.

1965 wurden in der Mongolei die 2,4m langen Vorderläufe eines gewaltigen Tieres entdeckt, das Deinocheirus genannt wurde.

Problem war: dies war das einzige, was von diesem Tier gefunden werden konnte. Wer sich die stummelhaften Arme eines T-Rex als Vorbild vorstellt, bekam eine Idee davon, welche Bestie an diesen riesen Armen angedockt gewesen sein muss.

Das alles hat sich gerade verflüchtig.

Zwei weitere Exemplare von Deinocheirus mirificus wurden gefunden und klar als dem oben abgebildeten Exemplar zugehörig identifziert. Der gerade in Nature publizierte neue Dinosaurier Typ war “langsam”, deutlich größer als T-Rex, nutzte seine Arme nicht zum Zerreissen von armen dummen großen Sauriern sondern zum Aufwühlen und Zerteilen von Schlickpflanzen. Und hin und wieder fraß er wohl mal einen Fisch.

Eines ist aber definitiv sicher: Deinocheirus sah eher aus wie Jar Jar Binks, der sich mit einem großen Strauß gepaart hat. Ziemlich komisch. Und ziemlich anders als in Jurassic Park.

Der neue Deinocheirus

Was für eine interessante Welt, oder?

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Gerald Hensel
Das Horribilicribrifax

Neu-Hamburger, Politologe und Sicherheits-/Geschichtsfreak. Hier nur privat. Beruflich: Co-Gründer und GF bei superspring Marketing Consulting.