Die Krönung Napoleons von Jacques-Louis David. Napoleon war in vielerlei Hinsicht der erste moderne Diktator, zugleich aber noch klassischer Monarch.

Besser als Nichts

Über die Vorzüge der Diktatur

Kai Schmidt
Das Sonar
Published in
4 min readMar 31, 2018

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Von KAI SCHMIDT

Diktatur war bei weitem die gängigste Regierungsform in der Menschheitsgeschichte. Egal ob Stammesführer, Könige oder Militärdiktatoren, meist herrschte eine Person über den Rest der Menschen. Wenn wir heute in die Welt blicken, dann fällt auf, dass es den Menschen in autoritär regierten Ländern ökonomisch signifikant schlechter geht, als den Bürgern von Demokratien. Aber nicht nur die Bevölkerung ist weniger wohlhabend, sondern die gesamte Volkswirtschaft autoritär regierter Staaten ist durchschnittlich schwächer, als die von demokratisch regierten Staaten. Warum konnten sich Diktaturen dann überhaupt entwickeln und dauerhaft als Regierungsform etablieren?

Für eine Antwort wenden wir uns an den Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und Politikwissenschaftler Mancure Olson. Dieser erklärt anhand eines Modells warum für die Bevölkerung die Herrschaft eines Diktators vorteilhaft gegenüber einem Zustand der Anarchie ist.

Künstlerische Darstellung von normannischen Langschiffen. Die Wikinger sind ein gutes Beispiel für einen klassischen Banditen. Quelle: Sjöhistoriska museet

Ein Diktator ist für Olson ein Bandit. Sein Ziel ist es möglichst viel Wohlstand für sich zu gewinnen und zu diesem Zweck nimmt er der Bevölkerung ihr Hab und Gut. So kann man weitaus mehr Wohlstand für sich persönlich anhäufen, als man durch einfache Arbeit jemals erwirtschaften könnte. Normale Banditen ziehen von einem Ort zum anderen und rauben dort so viel sie kriegen können, um dann zum nächsten Ort weiter zu ziehen und das Ganze zu wiederholen. Sie wollen in kurzer Zeit möglichst viel zusammenraffen und nehmen so viel sie kriegen können. Der Bevölkerung bleibt nach solch einem Überfall nichts mehr, keine notwendigen Produktionsmittel und oft nicht einmal das eigene Leben, und daher bricht die Wirtschaft zusammen.

Der Unterschied zwischen einem Diktator und normalen Banditen ist, dass der Diktator sich an einem Ort niederlässt und nur noch in einem bestimmten Gebiet die Menschen beraubt. Er ist ein stationärer Bandit. Für ihn ergibt es aber keinen Sinn mehr, der Bevölkerung alles zu nehmen. Nimmt er heute alles, produziert die Bevölkerung morgen nichts mehr, was der Diktator an sich bringen könnte. Er würde über leeres verlassenes Land ohne Wert herrschen.

Nimmt er der Bevölkerung aber nur einen Teil, so dass sie weiter produzieren kann, so kann der Diktator die Bevölkerung nicht nur heute berauben, sondern auch morgen, übermorgen und theoretisch bis in alle Ewigkeit. Sein kurzfristiger Gewinn ist so zwar nicht so hoch, dafür kann er langfristige Gewinne machen, die weit über den Wert eines einzigen Raubzuges hinausgehen. Zudem bringt es dem Diktator Sicherheit, wenn er sich nicht jeden Tag aufs Neue fragen muss, wen er denn nun berauben kann.

Skorpion II. Einer der ersten Herrscher im alten Ägypten, der größere Gebiete beherrschte und damit einer der ersten geschichtlich bekannten “stationären Banditen”. Quelle: Wikipedia

Es ist für einen umherziehenden Banditen also klug sich niederzulassen und ein Gebiet langfristig auszubeuten. Er wird ein stationärer Bandit, ein Diktator. Um dies zu können muss er sein Gebiet nun aber gegen umherziehende Banditen schützen. Ein Plan, das Gebiet langfristig auszubeuten gelingt nur, wenn nicht andere Banditen für ihren kurzfristigen Gewinn seine langfristige Einkommensquelle durch einen Raubzug zerstören. Der Diktator schützt also seine Bevölkerung.

Dieser Schutz ist für die Bevölkerung von Vorteil. Sie laufen nun nicht mehr Gefahr, dass ihnen bei einem Raub alles genommen wird. Stattdessen hat der Diktator ein Interesse an der langfristigen Sicherung der Lebensgrundlage der Bevölkerung, um regelmäßige Abgaben eintreiben zu können. Die Bevölkerung muss also nicht jeden Tag Angst vor einem Überfall haben, sondern muss nur einen Teil ihres Besitzes in meist vorhersehbarem Umfang an den Diktator abgeben. Dieser Gewinn an Sicherheit macht eine diktatorische Herrschaft für die Bevölkerung attraktiver als ein Zustand der Anarchie, in dem sie schutzlos allen Banditen ausgeliefert ist.

Die Feudalgesellschaft des mittelalterlichen Europas ist wohl das Beispiel aus der Realität, welches diesem Modell am nächsten kommt. Der Adlige hatte die Pflicht seine Untertanen zu beschützen, im Gegenzug mussten die Untertanen Abgaben leisten und Arbeit für ihn verrichten. Der Adlige verteidigt die Bauern in seinen Dörfern und im Gegenzugwerden Waffen,Burg und Haushalt durch die Abgaben der Bauern finanziert.

Rekonstruktion einer Motte (Turmhügelburg), der am weitesten verbreitete Burgtyp im Gebiet des heutigen Deutschlands. Bild: Frank Sautter

Dieses Modell war auch daher so erfolgreich, da es einfach zu etablieren ist. Letztlich reicht es aus, dass ein Bandit sich dafür entscheidet zum Diktator zu werden, also langfristige über kurzfristige Gewinne zu stellen. Die Bevölkerung wird dies akzeptieren, eben weil es besser ist als schutzlos allen Banditen ausgeliefert zu sein. An der Macht halten kann der Diktator dann mit einem ähnlichen Argument: Ohne ihn wäre die Bevölkerung schutzlos. Er ist es der zwischen der Bevölkerung und allen anderen Banditen steht.

Will man eine Diktatur beseitigen braucht man ein anderes System, das in der Lage ist die Gemeinschaft zu schützen. Aber dafür müssten viele Akteure kooperieren und das ist viel schwieriger als das alleinige Handeln eines Einzelnen. Daher entstand die Demokratie als Regierungsform erst erheblich später und ihre Verbreitung bleibt auch heute noch erheblich schwieriger als die Etablierung einer Diktatur.

In der Tat stellt sich für die Bevölkerung meist nicht die Wahl zwischen Demokratie und Diktatur, sondern nur die Wahl zwischen einer Diktatur oder keiner Herrschaft. Und wie das Modell gut erklärt ist eine Diktatur besser als gar keine Herrschaft. Daher ist sie in der Menschheitsgeschichte eine so erfolgreiche Herrschaftsform. Diktatur ist besser als Nichts.

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