Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Bild: Klaus Brandstetter

Die Deutschen Massenmorde im Zweiten Weltkrieg

Ein unvollständiger Überblick

Kai Schmidt
Das Sonar
Published in
11 min readDec 17, 2017

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Von KAI SCHMIDT

Es gibt wieder politische Kräfte in Deutschland, die den mühsam erstrittenen Konsens offen in Frage stellen, dass die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands den zentralen Bezugspunkt der Deutschen Erinnerungskultur darstellen. Während man die Massenmorde an den Rand der Erinnerung drängen will, so wird zugleich laut gefordert, auf die Leistungen deutscher Soldaten in den Weltkriegen stolz sein zu dürfen. Dabei vergisst man geflissentlich zu erwähnen, dass im Zweiten Weltkrieg die Ermöglichung, Unterstützung und Durchführung von Massenmord die vordringliche Leistung deutscher Soldaten war.

Solchen politischen Angriffen muss man das Wissen um die deutschen Verbrechen entgegensetzen. Durch die etablierte Erinnerungskultur und die intensive Behandlung des Themas in Schulen ist in der Öffentlichkeit ein durchaus hoher Wissensstand vorhanden, doch gehört dazu auch, dass es Ungenauigkeiten und Missverständnisse gibt. Als Beispiel sei an dieser Stelle der Unterschied zwischen Konzentrationslagern und Vernichtungslagern genannt. Das KZ ist zum Synonym für die Mordmaschinerie NS-Deutschlands geworden. Lager wie Dachau, Auschwitz und Treblinka werden oft unter diesem Begriff zusammengefasst. Dabei war nur Dachau ein reines KZ, Auschwitz war ein KZ, das um ein Vernichtungslager ergänzt wurde und Treblika war kein KZ sondern ein reines Vernichtungslager.

Entlassung von Gefangenen aus dem KZ-Dachau im Rahmen einer “Gnadenaktion” 1933. Propagandaaufnahme des NS-Regimes. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-R96361 / CC-BY-SA

Ein KZ war ein Gefangenenlager in denen die Gefangenen systematisch durch Zwangsarbeit ausgebeutet wurden. Misshandlungen, Folter, Mord und Tod durch Hunger, Krankheit und die Folgen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen waren an der Tagesordnung und wurden vom Regime billigend in Kauf genommen, ja sogar begrüßt, aber das Ziel dieser Lager war nicht die Ermordung der Gefangenen, sondern deren Ausbeutung. Vernichtungslager hingegen dienten alleine dem Zweck Menschen zu ermorden.

Dies geschah unmittelbar nach ihrer Ankunft im Lager. In KZs lebten und starben Menschen, in den Vernichtungslagern starben sie nur. Die Konzentrationslager wurden von einem bedeutenden Teil der Häftlinge überlebt, die Vernichtungslager überlebten nur ganz wenige. In Treblinka wurden etwa 800.000 Menschen ermordet. Nur etwa 50 überlebten. Von den 200.000 Häftlingen im KZ Dachau wurden 41.500 ermordet. Eine gewaltige Zahl, aber doch ist ein Unterschied erkennbar.

Der folgende unvollständige Überblick soll eine Darstellung der wichtigsten Eckpunkte sein. Es kann keine vollständige Darstellung sein und es gibt immer Sonderfälle, die hier nicht aufgeführt werden können. Die zentralen Fakten, welche jeder Kennen sollte und die zentraler Bezugspunkt der deutschen Erinnerungskultur sind und bleiben sollen, werden hier kurz dargestellt.

Die Synagoge in Siegen brennt während der Novemberpogrome 1938. Bild: Wikipedia/Unbekannter Urheber

Mit der Machtergreifung begann das NS-Regime politische Gegner und andere unerwünschte Gruppen, wie etwa Homosexuelle, zu verhaften, zu foltern und zu ermorden. Die jüdische Bevölkerung wurde gezielt diskriminiert und ausgegrenzt, auch Gewalt war an der Tagesordnung, um sie zur Emigration zu zwingen. Dies war aber noch keine Vernichtungskampagne.

Geplante Massenmorde begannen er nach dem deutsch-sowjetischen Angriff auf Polen. Im deutschen Reich wurde die sogenannte Aktion T4 im August 1939 begonnen. Sie war die einzige große geplante Vernichtungsaktion auf dem Gebiet des Reiches und ihr Ziel war es Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderung zu ermorden. Begründet wurde dies mit der Ideologie der Rassenhygienischen und zudem wollte man so auf grausame Art kriegswichtige Nahrungsmittel einsparen. Etwa 70.000 Menschen wurden in Mordanstalten vor allem durch Kohlenmonoxid vergiftet.

In Polen wurde nach dem deutsch-sowjetischen Überfall Angehörige der polnischen Elite ermordet, sowohl im deutsch, als auch im sowjetisch besetzten Teil. Man wollte so potentielle Anführer eines Widerstandes gegen die Besatzung auslöschen. Das polnische Volk sollte führungslos gemacht werden, um es leichter beherrschen und ausbeuten zu können. Etwa 200.000 Polen wurden zwischen 1939 und 1941 von beiden Mächten ermordet, oft durch Massenerschießungen, eine Million Polen in Lagern inhaftiert und ausgebeutet.

Ermordung polnischer Zivilisten durch ein deutsches Einsatzkommando 1939. Bild: Wikipedia/Hauptkommission für die Untersuchung von NS-Verbrechen in Polen.

1941 überfiel Deutschland die bis dahin verbündete Sowjetunion. Das NS-Regime wollte Osteuropa in eine deindustrialisierte und entvölkerte Agrarkolonie verwandeln. Ein schneller Sieg sollte die Sowjetunion zerschlagen und Deutschland die Kontrolle über Polen, Weißrussland, den Kaukasus, die Ukraine und das westliche Russland sichern. Anschließend sollten Nahrungsmittel aus diesen Gebieten nach Deutschland und Westeuropa geschafft werden. Dieser Nahrungsentzug sollte im Winter 1941/42 eine Hungersnot in Osteuropa auslösen, um etwa 30 Millionen Menschen durch Nahrungsentzug zu ermorden und Osteuropa so zu entvölkern.

Die überlebenden Juden aus diesen Gebieten, sowie alle anderen Juden im deutsch besetzten Europa, sollten einer Endlösung zugeführt werden. Zum Zeitpunkt des Überfalls auf die Sowjetunion sollte diese Endlösung eine Deportation sein. Erste Überlegungen sahen Madagaskar als Ziel vor, aber da dies Aufgrund der britischen Seemacht nicht möglich war, sollten diese Menschen nach Sibirien gebracht werden. Die übrige Bevölkerung Osteuropas sollte dann ermordet, deportiert, versklavt oder assimiliert werden. Die entvölkerten Gebiete sollten danach von Deutschen Siedlern Kolonisiert werden.

Mit dem Scheitern des Angriffskrieges der Wehrmacht gab es keine Aussicht mehr auf einen schnellen Sieg und damit fiel die Voraussetzung für die Umsetzung des Entvölkerungsplans weg. Obwohl der umfassende Vernichtungsplan, dem 30 Millionen Menschen zum Opfer fallen sollten, nicht umgesetzt werden konnte, wurden einzelne Maßnahmen in den von Deutschen kontrollierten Gebieten umgesetzt. Etwa 10 Millionen Menschen wurden Opfer dieser Vernichtungsaktionen.

Deutsches Kriegsgefangenenlager für sowjetische Soldaten 1942. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-B21845 / Wahner / CC-BY-SA 3.0

Zu den ersten Opfern gehörten sowjetische Kriegsgefangene, die von der Wehrmacht zusammengepfercht wurden, ohne sie mit Nahrung, Unterkünften und anderem Lebensnotwenigem zu versorgen. Man ließ die Gefangenen gezielt verhungern und an den Folgen der menschenunwürdigen Zustände sterben, in denen man sie gefangen hielt. Die Logik war ähnlich, wie beim Töten von Menschen mit Behinderungen. Man wollte kriegswichtige Lebensmittel und Ressourcen einsparen. Als im späteren Kriegsverlauf Arbeitskräfte knapp wurden, schränkte man diese Praxis nach Bedarf ein, um die Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte auszubeuten.

Je nachdem ob Arbeit oder Nahrung als knapperes Gut angesehen wurde, ließ man Gefangene verhungern, töten oder man beutete sie als Arbeitssklaven aus. Dies galt faktisch für alle unterschiedlichen Gruppen von Gefangenen.

Auch Zivilisten ließ die Wehrmacht verhungern. Einerseits deckte man ohne Rücksicht seinen eigenen Bedarf, was dazu führte, dass zahlreiche Menschen in den Besetzten Gebieten verhungerten. In Charkiw starben etwa 20.000 Menschen, in Kiew bis zu 50.000. Andererseits wurde Hunger als Waffe gegen Leningrad eingesetzt, um die Bevölkerung dieser Stadt als Ganzes zu vernichten. Die Stadt wurde bewusst nicht erobert, sondern systematisch von der Wehrmacht abgeriegelt und bei den Kommandeuren bestand Einigkeit darüber, dass die Stadt gemäß Hitlers Wünschen vernichtet werden müsse, da man die Bevölkerung unmöglich versorgen könne, ohne die eigene Versorgung zu gefährden. 1 Million Menschen wurden so von deutschen Soldaten ermordet.

Bewohner Leningrades verlassen ihre durch deutsches Bombardement zerstörten Häuser. Bild: RIA Novosti archive, image #2153 / Boris Kudoyarov / CC-BY-SA 3.0

Der Kampf gegen Partisanen war auch ein häufiger Anlass für Massenmorde an der Zivilbevölkerung. Insbesondere in Weißrussland war dies der Fall, aber in ganz Europa kam es zu solchen Massakern. Der Schwerpunkt lag aber auch hier insgesamt in Osteuropa. Mehr als 300.000 Menschen wurden hier ermordet. Dies ging weit über konventionelle Vergeltungsaktionen hinaus, wie man sie aus anderen Kriegen kennt. Frauen und Kinder wurden ermordet, da man sie als Last ansah. Die Männer machte man zu Zwangsarbeitern.

Deutsche Truppen vor einem in Brand gesteckten Dorf in Serbien 1941. Bild: United States Holocaust Memorial Museum USHMM Photograph #46719

Auch in Polen wurde gegen die dort tätigen Partisanen vorgegangen, wobei vor allem die Zerstörung des Warschauer Ghettos nach dem Gettoaufstand 1943 und die planvolle totale Zerstörung Warschaus nach dem Warschauer Aufstand 1944 hervorzuheben sind. Beim Aufstand 1944 ermordeten die Deutschen mehr als 100.000 Polen. Die Stadt wurde anschließend planvoll vernichtet und so komplett zerstört, wie keine Stadt im Deutschen Reich durch den Bombenkrieg auch nur annähernd in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Angehörige des Żydowski Związek Wojskowy (Jüdischer Militärrat) hissen eine Flagge während des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Bild: Wikipedia

Während die Entvölkerung Osteuropas nicht vollständig durchgeführt wurde, so ließ Hitler keinen Zweifel daran, dass er die sogenannte „ Endlösung der Judenfrage“ erledigt haben wollte, nachdem der Krieg nicht nach Plan verlief. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Versionen dieser „Endlösung“ mittels Deportation als nicht durchführbar verworfen worden. Massenmord war nun das Mittel der Wahl. Schon seit Kriegsbeginn waren Juden in den von Deutschland Besetzten Teil Polens, westlich der Molotov-Ribbentrop-Linie, welche den deutsch besetzten Teil Polens vom sowjetischen trennte, deportiert worden, wo man sie als Arbeitssklaven in Gettos ausbeutete.

Molotov-Ribbentrop-Linie rot markiert. Karte: Wikipedia

Die Massenmorde an Juden begannen aber östlich der Molotov-Ribbentrop-Linie. Zur Durchführung verwendete man dieselben Techniken und Einheiten, die eigentlich für das Ermorden politischer Gegner in den besetzten Gebieten vorgesehen waren. Der größte Teil der Juden, die östlich der Molotov-Ribbentrop-Linie ermordet wurden, starben durch Massenerschießungen. Die Einsatzgruppen, bestehend aus Sicherheitspolizei und SD (Sicherheitsdienst des Reichsführers SS) die ursprünglich das Vorgehen gegen politische Gegner durchführen sollten, koordinierten, kommandierten und führten selbst Massenerschießungen durch. Auch die Wehrmacht war an den Massenerschießungen beteiligt. Am bekanntesten dabei ist die Ermordung Kiewer Juden in der Schlucht Babyn Jar, welche von der Wehrmacht gefordert und aktiv unterstützt wurde.

Neben den Einsatzgruppen wurden auch andere Einheiten der deutschen Polizei bei diesen Massenerschießungen eingesetzt. Die Polizei sollte ursprünglich das besetzte Hinterland sichern, aber da der Vormarsch frühzeitig gestoppt wurde, musste weit weniger Gebiete kontrolliert werden und so konnten nicht benötigte Polizeikräfte bei Massenerschießungen eingesetzt werden. Neben deutschen Einheiten wurden auch lokal rekrutierte Milizen und Polizeihilfskräfte bei den Erschießungen eingesetzt. Teilweise überwachten deutsche Kräfte das Morden nur, das von den Milizen durchgeführt wurde.

Die jüdischen Bewohner der Stadt Zborów (deutsch Storow) wurden gezwungen ihre eigenen Gräber auszuheben. Sie wurden von Einsatzgruppen im Juli 1994 ermordet. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-A0706–0018–029 / CC-BY-SA 3.0

Etwa die Hälfte der 5,4 Millionen unter deutscher Besatzung ermordeten Juden wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 und im Jahr 1942 östlich der Molotov-Ribbentrop-Linie ermordet. Sie wurden überwiegend erschossen. Ein kleiner Teil wurde jedoch in mobilen Gaskammern mit Motorabgasen getötet. Eine Technik, die man auch bei der Ermordung von Menschen mit Behinderungen eingesetzt hatte.

Im Dezember 1941 begann man auch westlich der Molotov-Ribbentrop-Linie mit dem Massenmord an den Juden. Da man dort nicht über genügend Männer verfügte, um Massenerschießungen durchführen zu können, errichtete man Vernichtungslager, in denen man mit einer minimalen Deutschen Besatzung sehr viele Menschen schnell töten konnte. Solche Vernichtungslager wurden in Chełmno, Bełżec, Sobibór, Treblinka und Majdanek errichtet.

Der Begriff Lager ist bei diesen Einrichtungen irreführend. In diesen Todesfabriken wurden keine Menschen untergebracht, sondern sie wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft durch Gas getötet. Eine kleine deutsche Mannschaft kontrollierte die Todesfabriken. Den Hauptteil der Wachmannschaften stellten Freiwillige, welche unter sowjetischen Kriegsgefangenen rekrutiert wurden. Alle anderen Arbeiten, etwa das Verbrennen der Leichen, wurden von jüdischen Sklavenarbeitern erledigt.

Zeichnung des Vernichtungslagers Treblinka. 1) Auslade-Bahnsteig. 2) Eine falsche Bahnstation. 3) Baracken, in denen sich die Opfer entkleiden mußten. 4) Gaskammern. 5) Gruben in denen die vergasten Opfer verbrannt wurden. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-F0918–0201–001 / CC-BY-SA 3.0

Getötet wurde in diesen Todesfabriken vor allem durch Motorabgase. Ein Großteil der Juden, die in den Gettos interniert worden waren, wurde in diesen Lagern ermordet. Nachdem diese Mordaktion abgeschlossen war, wurden die Todesfabriken dem Erdboden gleich gemacht und die jüdischen Zwangsarbeiter wurden erschossen. Keine Spur sollte von diesen Todesfabriken bleiben. Die wenigen Überlebenden dieser Einrichtungen waren Zwangsarbeiter, denen bei Aufständen der Zwangsarbeiter die Flucht gelang.

Nachdem diese Todesfabriken geschlossen und demontiert waren, wurde Auschwitz zum Zentrum des Massenmordes an den Juden Europas. Die Opfer der Massenerschießungen und der anderen Vernichtungslager kamen überwiegend aus Osteuropa. Nach Auschwitz wurden Menschen aus dem gesamten deutsch Besetzen Europa gebracht. Auschwitz war zugleich Arbeitslager zur Ausbeutung von Gefangenen, Hinrichtungsstätte für politische Gegner, insbesondere die Elite der polnischen Gesellschaft, und Todesfabrik. Das Lager wurde 1940 eingerichtet und war Teil des Unterdrückungsapparates mit dem die Deutschen Polen kontrollieren wollten. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden auch sowjetische Kriegsgefangene in dem Lager interniert.

Ab Oktober 1941 wurde das Lager Auschwitz zu einem Sklavenarbeitslager ausgebaut. Die SS kooperierte mit der IG Farben, einem Zusammenschluss der wichtigsten deutschen Chemiekonzerne, um die Arbeitskraft der Inhaftierten auszubeuten. Der Tod der Arbeiter durch gefährliche Arbeitsverhältnisse und die schlechte Unterbringung, Versorgung und Krankheiten wurde dabei billigend in Kauf genommen.

Ab Oktober 1941 wurde auch das Lager Auschwitz-Birkenau errichtet und 1942 zu einer Todesfabrik ausgebaut. Auschwitz war damit eine hybride Einrichtung, die Hinrichtungsstätte, Arbeitslager und Todesfabrik zugleich war. Hierdurch kam es zu den berüchtigten Selektionen nach der Ankunft im Lager. Juden, die man für arbeitsfähig hielt, steckte man in das Arbeitslager und beutete sie dort aus bis sie tot waren. Ermordet durch die Folgen der Arbeit, unmenschlichen Lebensbedingungen oder Gewaltanwendung, weil die nicht mehr arbeiten konnten.

Die Haupteinfahrt des Lagers Auschwitz-Birkenau kurz nach der Befreiung durch sowjetische Truppen. Bild: Bundesarchiv, B 285 Bild-04413 / Stanislaw Mucha / CC-BY-SA 3.0

Menschen, insbesondere Frauen, Kinder und ältere Menschen, die man für nicht arbeitsfähig hielt, ermordete man direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern des Lagers. In diesen Gaskammern wurden Menschen mit Cyanwasserstoff, als Pellets unter dem Namen Zyklon B vermarktet, vergiftet. Einen kleinen Teil der Gefangenen missbrauchte man für unmenschliche medizinische Experimente.

Etwa 200.000 polnische Juden und über 700.000 Juden aus dem gesamten von Deutschland besetzten Europa wurden in Auschwitz ermordet. Hinzu kommen viele Ermordete, die vom NS-Regime nicht als Juden klassifiziert wurden. Insgesamt wurden zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen in Auschwitz ermordet.

Die deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs waren gewaltig. Die Zahlen der Ermordeten sind unvorstellbar. Wenn man sich mit einem solchen Überblick befasst besteht die Gefahr zu vergessen, dass hinter den großen Zahlen einzelne Menschen stehen. Einzelne Leben die unendlich wertvoll sind. Dass die Zahlen oft gerundet werden, auch da man die genaue Opferzahl meist nicht mehr feststellen kann, verstärkt noch diesen Effekt. Daher sollte man sich immer wieder Zahlen betrachten die so genau wie möglich sind, auch wenn sie dabei nicht unbedingt zuverlässiger oder besser belegt sind, als die gerundeten Zahlen.

Doch es hilft dabei sich daran zu erinnern, dass es einzelne Menschen waren, die ermordet wurden, und keine amorphe Masse, die sich nur dadurch auszeichnet, dass sie Opfer waren. Doch nicht ihr Tod bestimmte das Leben der wohl 780,863 Menschen, die in Treblinka ermordet wurden. Von vielen sind Biographien bekannt und das Große Bild der deutschen Verbrechen sollte man immer zusammen denken mit dem einzelnen Schicksal. Dem Schicksal des Menschen, der vielleicht als 256,864er ermordet wurde.

Das große Ganze zu kennen ist aber ebenso wichtig, um nicht den Fehler zu begehen einzelne Schicksale zu verallgemeinern. Das Leben der Anne Frank ist wohl eine der bekanntesten Biographien. Doch dürfen wir nicht den Fehler machen ihr Leben, ihre Inhaftierung und Ermordung durch das NS-Regime zu verallgemeinern und zu denken, dass so, oder zumindest so ähnlich, alle Menschen die Ausbeutungs- und Todesmaschine des NS-Regimes durchlebten.

Gedenkstein für Margot und Anne Frank in der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Bild: Arnold Plesse

Ein polnischer Offizier, eine sowjetischer Kriegsgefangener oder auch eine ukrainische Jüdin hatten nicht nur völlig andere Lebenswege, sie wurden auch aus unterschiedlichen Gründen auf unterschiedliche Art und Weise von unterschiedlichen Teilen des deutschen NS-Staates ermordet.

Dieses Wissen über die Verbrechen, die Opfer und Täter der Massenmorde des nationalsozialistischen Deutschlands ist elementarer Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses Deutschlands. Dieses Wissen muss jenen entgegengehalten werden, welche die Verbrechen und ihre Opfer aus dem Gedächtnis verdrängen wollen und gleichzeitig Stolz auf die Leistungen der Täter, und damit letztlich für die Tat, fühlen wollen.

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