Revolutionäre Truppen in Bayern 1919. Bild: Bundesarchiv, Bild 146–1992–092–04 / CC-BY-SA 3.0

Die Weltrevolution in München

Bayern, Bolschewismus und Bürgerkrieg

Kai Schmidt
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5 min readJan 20, 2018

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Von KAI SCHMIDT

München war in den 1920er Jahren ein Zentrum des Rechtsradikalismus in Deutschland. Der in den Dreißigerjahren durch die Nationalsozialisten verliehene „Ehrentitel“ „Hauptstadt der Bewegung“ verweist darauf, dass die NSDAP in dieser Stadt gegründet wurde und Hitler hier erstmals versuchte nach der Macht zu greifen. Hätte die bayrische Polizei damals etwas genauer geschossen, so wären Hitler und seine „Bewegung“ wohl ebenso dem relativen Vergessen anheimgefallen, wie die kurze Herrschaft der Bolschewisten über die Stadt an der Isar.

Die Revolution verlief in München zunächst ausgesprochen friedlich. Am 7. November 1918 rief Kurt Eisner die Republik aus und Ludwig III. floh nach Österreich. Eisner wurde vom Münchner Arbeiter und Soldatenrat zum Ministerpräsidenten gewählt und bildete ein Kabinett aus Mitgliedern von SPD und USPD. Obwohl Eisner sehr weit links stand und für radikale Reformen eintrat stellte er sich demokratischen Wahlen nicht in den Weg.

Kurt Eisner als Ministerpräsident 1918. Bild: Robert Sennecke

Die Landtagswahlen am 12. Januar 1919 gingen für die USPD sehr deutlich verloren. Nur 3 der 156 Sitze konnte die Partei gewinnen. Auf dem Weg ins Parlament am 21. Februar, in dessen Konstituierender Sitzung Eisner seine Rücktrittsrede halten wollte, wurde er von einem völkisch-nationalistischen Studenten ermordet, welcher der rechtsextremen Thule-Gesellschaft nahe gestanden haben soll. Nur wenig später schoss ein radikaler Anhänger der USPD auf den Vorsitzenden der SPD im Landtag, verletzte diesen schwer und tötete zwei weitere Menschen.

Das Parlament vertagte seine Sitzung, ein Generalstreik wurde ausgerufen und der Belagerungszustand über München verhängt. Erst am 17. März wurde der Sozialdemokrat Johannes Hoffmann zum Ministerpräsidenten gewählt. Nur Tage später, am 22. März, erreichte München die Nachricht, dass Béla Kun in Ungarn eine Räterepublik ausgerufen hatte und gleichzeitig die Linke in Bayern und Österreich dazu aufrief diesem Beispiel zu folgen. In der Instabilen Lage schlug die Nachricht ein wie eine Bombe und am 7. April riefen der Zentralrat und der Revolutionäre Arbeiterrat eine Räterepublik aus und erklärten die Regierung Hoffmanns für abgesetzt. Hoffmann floh mit seiner Regierung nach Bamberg.

Béla Kun während einer Rede 1919. Bild: Unbekannter Fotograph

In Russland wurde diese Nachricht als erstes Zeichen dafür gesehen, dass bald ganz Deutschland von einer bolschewistischen Revolution erfasst werden würde. Auch die Mächte im Westen blickten mit großer Sorge auf die sich ausbreitenden Unruhen. Auch viele Deutsche, prominent etwa Thomas Mann, glaubten, dass ganz Deutschland von dieser Revolution erfasst werden könnte.

Die Regierung in Bamberg sann derweil auf Gegenmaßnahmen und beauftragte Alfred Seyffertitz, den Kommandanten der in München stationierten und der Regierung Hoffmann loyalen „Republikanischen Schutztruppe“, mit einer Art Putsch die Räterepublik zu beseitigen. Zwar gelang es der Miliz einige wichtige Figuren der Räterepublik festzunehmen und aus München fortzuschaffen, doch letztlich musste sich auch Seyffertitz mit seinen Leuten aus München zurückziehen. Die Straßenkämpfe mit der „Roten Armee“ der Räterepublik, die vor allem rund um den Hauptbahnhof tobten, forderten 21 Todesopfer.

Dieser Angriff führte zu einer Radikalisierung der Räterepublik, in der nun die Anhänger der KPD den Ton angaben und Pazifisten und Anarchisten nahezu allen Einfluss verloren. Die Rote Armee wurde auf 9.000–10.000 Mann vergrößert und drei Tage nach dem gescheiterten Angriff durch die „Republikanische Schutztruppe“ konnte die Rote Armee am 16. April Freikorpseinheiten bei Dachau zurückschlagen.

Regierungstruppen auf dem Weg nach München auf einen gepanzerten LKW. Bild: Bundesarchiv, Bild 146–1968–032–32 / CC-BY-SA 3.0

Diese Rückschläge führten auch zu einer Radikalisierung der Gegenseite. Hoffmann rief alle anti-bolschewistischen Kräfte, auch die rechtsradikalen Anti-Demokraten, zum Kampf gegen die Münchner Räterepublik auf. Neben dem Freikorpsführer Ritter von Epp folgte auch die spätere NS-Größe Ernst Röhm dem Aufruf Hoffmanns und mit ihnen etwa 15.000 Mann, viele mit nicht weniger rechtsextremen Ansichten. Zudem wurde nun auch die Reichsregierung von Hoffmann um Hilfe gebeten und 15.000 Mann wurden von Berlin entsandt, um die Räterepublik in München zu beseitigen. Derweil wurden in München 20 Personen aus dem Umfeld der rechtsextrem-völkischen Thule-Gesellschaft verhaftet.

Der Angriff auf München begann am 1. Mai. Die Regierung Hoffmann und die Führung des Militärs hatten zuvor bekannt gemacht, dass jeder der die Waffen gegen die Truppen erhebt mit dem Tod bestraft würde und dass jeder Angehörige der Roten Armee als Staatsfeind zu betrachten sei. Tags zuvor hatte die Räteregierung 10 Gefangene erschießen lassen, davon 7 mit Verbindungen zur Thule-Gesellschaft. Bei einem ist unklar ob er auch Verbindungen zu dieser Gruppe hatte. Die beiden anderen waren Gefangene Regierungssoldaten, die man für Angehörige des Freikorps Garde-Kavallerie-Schützen-Division hielt, das während des Spartakus-Aufstandes durch ihre Gewalt gegen Linke bekannt geworden war.

Freikorpssoldaten mit einem Geschütz in München 1919. Bild: Bundesarchiv, Bild 146–1998–009–15 / CC-BY-SA 3.0

Diese Erschießung lieferte den Regierungstruppen und Freikorps den passenden Vorwand für ihr brutales Vorgehen bei der Zerschlagung der Räterepublik. Die Kämpfe waren heftig. Artillerie und Flugzeuge wurde in den verbissenen Straßenkämpfen eingesetzt. Die Gefechte forderten bis 3. Mai mindestens 606 Opfer, darunter 335 Zivilisten, 233 Kämpfer der Roten Armee und 38 Kämpfer aus den Reihen Regierungstruppen und Freikorps.

Durch Artilleriebeschuss beschädigtes Gebäude. Bild: Bundesarchiv, Bild 146–2006–0033 / CC-BY-SA 3.0

Höchstwahrscheinlich hat es weitere Opfer gegeben, deren Zahl auf bis zu 400 geschätzt wird. 53 russische Kriegsgefangene, die auf Seiten der Räterepublik gekämpft hatten, wurden gefoltert und erschossen. Es gab weitere Verhaftungen und Hinrichtungen aufgrund von Denunziation. Über 2200 Menschen wurden als Unterstützer der Räterepublik zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt.

Die kurze Herrschaft der Räte in München verunsicherte die bürgerlichen Schichten nachhaltig. Die Erfahrung der Revolution führte dazu, dass man sich den Kräften zuwandte, welche sich am extremsten dem Kampf gegen den Bolschewismus verschrieben hatten. München wurde zu einem Hort des Rechtsextremismus in der Weimarer Republik und zur Geburtsstadt des Nationalsozialismus.

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