Containerschiffe während des Ladevorgangs im Hafen von Colombo. Bild: J.Gmorard

Handelskriege verhindern

Die Steitschlichtung der Welthandelsorganisation

Kai Schmidt
Published in
5 min readApr 21, 2018

--

Von KAI SCHMIDT

Viel war in den letzten Monaten von einem drohenden Handelskrieg zwischen der EU und den USA infolge der von Donald Trump verhängten Zölle auf Ausländische Waren die Rede. Gegenmaßnahmen der EU könnten zu weiteren Maßnahmen der USA führen und damit eine Spirale immer neuen Handelsbeschränkungen auslösen. Solch ein Handelskrieg schadet letztlich der gesamten Weltwirtschaft und nicht nur den direkt beteiligten Akteuren. So viel vom möglichen Handelskrieg und seinen Folgen die Rede war, so wenig hörte man davon, dass es eine Institution gibt, welche genau dies verhindern soll: Die Welthandelsorganisation (WHO) und ihr Streitschlichtungsmechanismus.

Nichtsdestotrotz nutzt die EU nun diesen Weg, um gegen die USA vorzugehen. Am vergangen Mittwoch reichte die Europäische Union bei der WHO Beschwerden gegen die USA ein, wegen der von der Trump-Regierung verhängten Strafzölle auf einige europäische Waren. Daher lohnt sich ein kurzer Blick auf den Streitschlichtungsmechanismus der WHO.

Logo der Welthandelsorganisation. Im Englischen World Trade Organization WTO; französisch: Organisation mondiale du commerce, OMC

Die Welthandelsorganisation ist der Zusammenschluss von Staaten, welche kooperativ Handel treiben wollen. Bei freiem Handel gewinnen alle beteiligten Länder, solange sich alle an die Regeln halten. Um zu verhindern, dass einzelne Länder die Regeln brechen und um Regelbrüche fair und unabhängig bestrafen zu können wurde ein Streitschlichtungsmechanismus geschaffen.

Der Prozess der Streitschlichtung beginnt, wenn sich ein Land bei der WHO über eine Maßnahme eines anderen Landes beschwert. Wie diese Woche gesehen, kann sich die EU über die USA beschweren, weil Einfuhrzölle erhöht oder erstmals erhoben werden. Im Unterschied zu den Schiedsgerichten die in Freihandelsabkommen, wie dem berühmt berüchtigten TTIP enthalten sind, können bei der WTO nur Staaten gegen andere Staaten vorgehen und nicht Firmen gegen Staaten.

Der erste Schritt der Streitschlichtung nachdem Beschwerde eingereicht wurde, sind bilaterale Verhandlungen zwischen den Streitparteien. Es soll so möglichst eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Gelingt dies nicht, wird ein sogenanntes Panel einberufen. Dieses besteht aus Experten und soll über den Streitfall entscheiden. Ist das Panel etabliert, so kann es nur noch aufgrund eines einstimmigen Votums aller Mitglieder der WHO abberufen werden. Ein beklagtes Land kann den Prozess also nicht blockieren. Dies gilt für alle Schritte des Verfahrens, wodurch dieses quasi zu einem Automatismus wird.

Aluminiumbarren auf einem Eisenbahnwagin verladen. Zölle auf dieses Metal sind Gegenstand im aktuellen Streit zwischen EU und USA. Bild: Adrian Michael

Die drei, in Ausnahmefällen fünf, Mitglieder eines Panels wägen nun die Fakten und rechtlichen Aspekte des Falles ab und treffen eine Entscheidung. Diese hat die Form eines Berichts, in dem auch Maßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung festgeschrieben werden. Dieser Bericht wird automatisch angenommen, wenn nicht wiederum ein einstimmiges Votum aller Mitglieder ihn zurückweist. Der Report ist rechtlich bindend und die in ihm beschriebenen Maßnahmen dürfen und müssen umgesetzt werden. Es ist also nicht an den Staaten zu bestimmen, wie ein Streit ausgetragen wird, sondern alleine das Panel entscheidet, wer im Recht ist und wie er dieses Recht im Zweifel durchsetzen darf.

Gegen diese Entscheidung kann nur noch vor dem sogenannten Appellate Body Beschwerde eingelegt werden. Dieser ist eine ständige Institution mit sieben Mitgliedern, welche auf vier Jahre gewählt werden. Sie sind damit ähnlich unabhängig wie klassische Richter und können ohne politische Einflussnahme arbeiten. Über die einzelnen Fälle wird jeweils in Gruppen aus drei Angehörigen des Appellate Bodys entschieden. Hier werden nur noch die rechtlichen Aspekte geklärt. Der Bericht des Panels kann Aufgrund dieser Prüfung nun bestätigt, abgelehnt oder verändert werden. Diese Möglichkeit der Überprüfung der Panel Entscheidungen, welche nahezu immer stattfindet, führt dazu, dass die Panels professionell und unabhängig arbeiten, damit ihre Entscheidungen eben nicht andauernd vom Appelate Body verworfen werden.

Zölle auf Bourbon Whiskey wäre eine mögliche Sanktion, welche gegen die USA verhängt werden könnte. Bild: Wikipedia

Wird befunden, dass ein Land tatsächlich die Verträge verletzt, muss es dies umgehend ändern. Tut es dies nicht erhalten die benachteiligten Parteien von der WHO die Erlaubnis Gegenmaßnahmen zu treffen. Meist sind dies Sanktionen in Höhe des Schadens, welcher durch das rechtswidrige Verhalten entsteht. Durch dieses rechtliche Verfahren wird verhindert, dass Sanktionen und Gegensanktionen unkontrolliert verhängt werden und so eine Spirale aus immer neuen Strafmaßnahmen entsteht.

Autorisiert die Welthandelsorganisation Sanktionen so wird das beklagte Land keine Gegensanktionen begründen können, da die Sanktionen international als gerechte Strafe angesehen werden. Will man langfristig nicht aus der Welthandelsorganisation fliegen, so wird man sich ihren Entscheidungen unterwerfen.

Ein gutes Beispiel ist der sogenannte FSC-Fall, in dem die EU die USA wegen Steuervorteilen verklagte, die für Exportfirmen gewährt wurden. Von der WHO wurde ein Verfahren eingeleitet. Zwar versuchten die USA, ein Verfahren zu vermeiden und drohten mit Gegenbeschwerden, aber sie nahmen an den geforderten Verhandlungen teil und als diese kein Ergebnis brachten, nahmen die USA dennoch weiterhin am Verfahren teil.

Das etablierte Panel entschied zugunsten der EU und auch die US-Beschwerde gegen den Report wurde abgelehnt. US-Regierung leistete dem Urteil Folge und verabschiedete ein ihrer Meinung nach konformes neues Gesetz. Doch auch gegen das neue Gesetz legte die EU Beschwerde ein. Aufgrund der unklaren Verfahrenslage wurde sich in Verhandlungen darauf geeinigt, ein Panel zu etablieren und dann eventuell den Appellate Body einzuschalten, während ein Antrag auf Sanktionen wegen Nicht-Umsetzung des vorhergegangenen Panel Reports währenddessen ruhen sollte.

Sowohl das Panel als auch der Appellate Body entschieden wieder gegen die USA und die WHO autorisierte Sanktionen in Höhe von vier Milliarden Dollar, welche die EG gegen die USA verhängen durfte. Die US-Regierung wollte sich konform Verhalten und die Gesetze im Kongress ändern lassen. Dieser verzögerte den Prozess jedoch. Erst nachdem die EU nach langem Drohen erste Sanktionen tatsächlich verhängte und ankündigte, schrittweise auf die vollen vier Milliarden anzuheben, verabschiedete der Kongress ein neues Gesetz, welches den WTO-Anforderungen entsprach.

Die jetzige Beschwerde der EU gegen die USA wird denselben Weg gehen. Ob auch dieser Streit erfolgreich gelöst werden kann ist unklar, zumindest hat die WHO bereits bewiesen, dass sie dazu in der Lage ist Streitigkeiten im internationalen Handel effektiv beizulegen.

--

--