PA 200 Tornado der Luftwaffe. Foto: Philipp Hayer

Keine Strategie?

Kai Schmidt
Das Sonar
5 min readDec 14, 2015

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Der Kampf des Westens gegen den IS

Der Einsatz der Bundeswehr gegen den IS wurde schnell beschlossen. Das klare Motiv der Bundesregierung hinter dem Einsatz ist mit ihm die eigene Solidarität mit Frankreich zu zeigen. Die Kritik, die an dem Einsatz geäußert wird, bezieht sich darauf, dass hinter dem Einsatz keine Strategie für den Kampf gegen den IS steht und auch keine für ein Ende des Syrienkrieges. Das gesamte Vorgehen des Westens sei planlos und eine Lösung, oder auch ein Sieg gegen den IS sei damit nicht zu erreichen.

Nehmen wir jedoch an, dass die Luftkampagne, der Einsatz von Raketenartillerie, die Ausbildung und Ausrüstung vor allem von kurdischen Kämpfern und die Einsätze von Spezialeinheiten nicht aus blindem Aktionismus und Ideenlosigkeit gewählt wurden, sondern dass rationale Gründe die westlichen Regierungen zur Wahl dieser Mittel gebracht haben. Stellen wir uns die Frage, warum der Westen so vorgeht, wie er vorgeht.

Zunächst muss man die Erfahrungen des Westens in den Konflikten der letzten Jahre beachten. Der Kampf gegen den IS ist wiederum ein Kampf gegen einen irregulären Gegner, wie ihn der Westen bereits zweimal in jüngster Zeit, teilweise sogar im gleichen Gebiet geführt hat. Der massive Einsatz von Bodentruppen hat dabei keinen Erfolg gebracht, sondern nur Leben und Geld gekostet.

Litauische Soldaten in Afghanistan Provinz Chaghcharān 2007. Foto: Vilius Džiavečka

Erklären lässt sich dies leicht, wenn man auf den klassischen Militär Carl von Clausewitz zurückgreift: Ein Feldzug hängt an drei Variablen: Dem zu erreichenden Ziel, den eingesetzten Ressourcen und der investierten Zeit. Je schwieriger das Ziel, desto höher muss der Einsatz von Zeit und Ressourcen sein. Setzt man weniger Ressourcen ein, muss man mehr Zeit investieren. Hat man weniger Zeit um das Ziel zu erreichen, muss man mehr Ressource investieren.

In einem asymmetrischen Konflikt ergibt sich daraus folgendes Problem: Der schwache Gegner, also der Guerilla, der Insurgent oder wie immer man ihn nennen mag, hat das kleinste denkbare Ziel. Er will schlicht und ergreifen nur weiter Widerstand leisten. Dies bedeutet, dass er keinerlei Zeitdruck hat. Er muss nur genügend Ressourcen akquirieren, um weiterhin als bewaffnete Gruppe zu existieren und damit für den starken Gegner eine Bedrohung zu sein. Er hat also ein minimales Ziel, dabei minimalen Zeitdruck und benötigt daher nur minimale Ressourcen, um es zu erfüllen.

Anders der starke Gegner. Er hat ein sehr viel größeres Ziel. Er will Sicherheit schaffen und muss dafür jeden Gegner unschädlich machen. Gerade bei irregulären Gegnern ist dies sehr schwer und erfordert einen hohen Einsatz von Ressourcen. Auch der Zeiteinsatz ist hoch, selbst bei einem maximalen Einsatz von Ressourcen wird es längere Zeit dauern, bis man einen irregulären Gegner komplett unschädlich machen kann. Um es plakativ auszudrücken: Es benötigt nur einem Mann mit Kalaschnikov, um eine ganze Gegend unsicher zu machen. Es braucht aber schon eine Kompanie, um ein Dorf in dieser Gegend zu schützen und ein Bataillon, um den einen mit Kalschnikov ausfindig zu machen.

Kämpfer von Ansar Dine, einer islamistischen Rebellengruppe in Mali. Foto: Voice of America.

Der Westen lief zweimal in diese Falle. In Afghanistan und im Irak sind die Aufständischen trotz maximalem Einsatz von Ressourcen und beachtlichen Zeitaufwand nicht besiegt worden. Im Gegenteil erstarkten sie wieder, nachdem die westlichen Truppen abgezogen waren. Die logische Folgerung daraus ist, dass sich der massive Einsatz von Ressourcen, dabei besonders die verlorenen Leben, nicht gelohnt hat. Ein riskanter, teurer und langwieriger Einsatz von Bodentruppen, der noch nicht mal Erfolg verspricht lohnt sich also nicht.

Die andere radikale alternative wäre Nichtstun. Nichtstun hat den Erfolg des IS erst ermöglicht und auch das Vakuum, welches die westlichen Truppen in Afghanistan hinterlassen haben, wird nun zunehmend von den Taliban gefüllt. Das Vorgehen des Westens, soviel muss man anerkennen, hat den Vormarsch des IS gestoppt. Die Terroraktion des IS in Europa ist auch darauf zurückzuführen, dass er im Nahen Osten derzeit keine Erfolge vorweisen kann mit denen er seine Anhänger und neue Rekruten motivieren kann. Genauso wenig wie man den Vormarsch im Nahen Osten zulassen konnte, kann man nun zulassen, dass der IS zu einer Basis internationaler Terrornetzwerke wird.

Der Westen sieht sich also mit einem Gegner konfrontiert, der mit sehr geringen Ressourcen unbegrenzt ein minimales Level an Widerstand leisten kann. Der Westen kann aber nicht unbegrenzt ein maximales Ressourcenaufgebot dagegenstellen. Bei einem begrenzten Ressourceneinsatz sieht es da schon anders aus. So teuer die momentanen Maßnahmen auch sind, Luftangriffe, Spezialkräfte, Ausbildung und Waffen sind sehr viel billiger als der Unterhalt eines großen Kontingents am Boden. Sowohl monetär als auch politisch kann man dies unbegrenzt durchhalten.

Wenn die Alternativen Nichtstun und Maximaleinsatz keinen Erfolg versprechen, dann ist es rational etwas Neues zu versuchen. Was aber können diese begrenzten militärischen Maßnahmen erreichen? Alleine nicht besonders viel. Zunächst ist es gelungen den Vormarsch des IS aufzuhalten und einige Gebiete wieder zurückzuerobern. Zweitens sind die Luftangriffe und Kommandoaktionen ein Störfeuer, das es dem IS erschwert sein Gebiet zu kontrollieren, Ressourcen zu sammeln und militärisch schlagkräftig zu bleiben. Man dämmt den IS ein, vernichten wird man ihn auf diesem Weg nicht.

E-7A Wedgetail der Australischen Luftwaffe bei der Luftbetankung im Rahmen eines Einsatzes gegen den IS. Foto: US Verteidigungsministerium.

Aber dies gilt für den militärischen Weg generell. Politische Lösungen müssen her. Das ist jedoch ein Allgemeinplatz. Fraglich ist welche politischen Lösungen erfolgsversprechend sind und noch viel wichtiger ist die Frage wie diese Lösungen überhaupt erreicht werden können. In der verfahrenen Interessenlage der zahllosen Akteure dieses Konfliktes scheint es sicher, dass politische Lösungen noch lange auf sich warten werden lassen.

Daher erscheinen die Maßnahmen des Westens auf den zweiten Blick nicht irrational und man könnte sogar von einer Strategie sprechen. Eine Strategie bei der man einem Gegner, der zeitlich unbegrenzt Widerstand leisten kann, Mittel entgegensetzt, die ihm schaden und die man seinerseits unbefristet einsetzen kann. In Afghanistan sagt man der Westen könne nicht gewinnen. Die Taliban müssten nur durchhalten, denn der Westen würde irgendwann müde werden und sich aus Afghanistan zurückziehen. Dem IS kann man nun sagen: Ihr werdet nicht siegen, denn der Westen wird nicht müde werden, gegen euch Widerstand zu leisten.

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