Auftrag für die Zukunft

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4 min readMar 23, 2021

Von: Thomas Günther und Robert Brütting

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. DATEV-CTO Prof. Dr. Peter Krug gibt im Interview einen Einblick, mit welchen Aspekten von „KI“ sich die Genossenschaft beschäftigt.

DATEV-CTO Prof. Dr. Peter Krug

Herr Prof. Dr. Krug, der Begriff der künstlichen Intelligenz — kurz KI — ist gegenwärtig in aller Munde. Wie definieren Sie, wie definiert DATEV KI?

PROF. DR. KRUG: Wenn wir heute von KI sprechen, meinen wir das, was man wissenschaftlich als schwache KI bezeichnet, nämlich Mustererkennungsprozesse mit bedingten Wahrscheinlichkeiten. Abhängig von diesen Wahrscheinlichkeiten werden entweder nur Muster in vorgegebenen Bildern oder Daten erkannt oder abhängig von den erkannten Mustern Aktionen ausgelöst. Eine starke KI wäre tatsächlich das Nachempfinden des menschlichen Gehirns mit all seinen Fähigkeiten — auch der Emotionalität. Diese Art der KI wird es aber nach Ansicht aller Experten frühestens in 30 bis 50 Jahren geben.

Sie haben eine langjährige Verbindung zur KI. Können Sie diese bitte kurz skizzieren?

Das Thema verfolgt und fasziniert mich seit meiner Studienzeit. Im Rahmen meiner Promotion habe ich mich mit finanzwirtschaftlichen Expertensystemen beschäftigt, die bei DATEV Ende der 1980er-Jahre auch produktiv eingesetzt wurden. Seither hat sich aber der Bereich enorm weiterentwickelt. Insbesondere die Verarbeitungsmöglichkeiten moderner Hardware lassen nunmehr weitaus komplexere Anwendungsbereiche, wie etwa die Bild- und Spracherkennung, zu. Aufgrund meiner langjährigen Berührungspunkte mit diesem Thema ist mir stets eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen der Technologie wichtig. Denn es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass aus einer Euphorie um KI aufgrund der zu hohen Erwartungen eine Depression wird. Weder eine Idealisierung noch eine überzogene Skepsis in Bezug auf diese Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts ist für uns als DATEV oder als Gesellschaft zielführend.

Wo kann die Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz einen Mehrwert für unsere Mitglieder und Kunden schaffen?

Zunächst ist wichtig zu wissen, dass die Begriffe Big Data Analytics und KI oft gemeinsam vorkommen, aber als zwei verschiedene Werkzeuge beziehungsweise Methoden zusammen ihren größten Nutzen entfalten. KI ohne Daten ist wie ein Schwimmbad ohne Wasser. Umgekehrt bedeutet es, je mehr Daten Sie haben, desto mehr Anwendungsgebiete erschließen sich durch KI. Die möglichen Anwendungsbereiche sind vielfältig und reichen von der Verbesserung bestehender Programme bis hin zu eigenen neuen Produkten. So unterstützen zum Beispiel die neuen Automatisierungsservices Rechnungswesen durch die Nutzung umfangreicher Datensätze bei der Durchführung der Finanzbuchführung; der erste verfügbare Automatisierungsservice Rechnungen generiert für ausgewählte Buchungsvorfälle auf der Basis von digitalen Rechnungen automatisiert Buchungen. Dabei werden auf der Grundlage früherer Buchungen KI-Modelle trainiert, die auf neue Belege angewendet werden. Die automatische Belegbearbeitung soll aber erst der Anfang sein.

Haben Sie mit Blick auf die künftige technologische Entwicklung auch Bedenken?

Doch, aber ich sehe eher die Gefahr für den Berufsstand der steuerlichen Berater, aber auch für unsere Gesellschaft, dass wir uns mit diesen Themen nicht ausreichend intensiv beschäftigen. Gerade daraus könnte eine noch stärkere Abhängigkeit von den großen Internetkonzernen resultieren als bisher und dies den Wohlstand in Europa gefährden. Darüber hinaus ist sicher, dass sich die digitale Welt weiter verändern wird. Dies wird DATEV, dem steuerlichen Berufsstand, den Mitarbeitern in den Kanzleien und auch den Mandanten der Berater eine große Anpassungsfähigkeit abfordern. Ich bin mir aber sicher, dass wir diese Herausforderung mit unserem genossenschaftlichen Ansatz gemeinsam erfolgreich meistern werden.

Die künstliche Intelligenz ist für Sie also mehr eine Chance als ein Risiko?

Absolut. Die Berücksichtigung aller steuerlichen Besonderheiten wird immer aufwendiger. Ein Paradebeispiel hierfür ist das geltende Umsatzsteuerrecht. Aus der früher belächelten Buchhaltersteuer erwächst nunmehr insbesondere bei grenzüberschreitenden digitalen Geschäftsmodellen eine kaum mehr zu bewältigende Komplexität, die sich zudem dynamisch ändert. Infolgedessen glaube ich eher daran, dass wir auf KI-gestützte Methoden angewiesen sind, weil vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels eine manuelle Abarbeitung aller Sachverhalte nicht mehr möglich sein wird. Es wird sich daher die Tätigkeit von einfachen repetitiven hin zu komplexen Aufgaben weiterentwickeln.

Glauben Sie, dass sich DATEV bei diesem Trend wegen der strengen datenschutz- und berufsrechtlichen Anforderungen überhaupt beteiligen kann?

Ja, und gerade deshalb. Natürlich ist die Prüfung rechtlicher Fragestellungen im Rahmen der Entwicklung derartiger Angebote für uns eine Herausforderung und bindet entsprechend Ressourcen. Aber dies ist zwingend notwendig, um die datenschutz- und berufsrechtlichen Besonderheiten unserer Mitglieder uneingeschränkt zu erfüllen. Darüber hinaus bieten die hohen Standards auch eine große Chance, bei diesem Thema Akzeptanz zu erreichen. Aufgrund verschiedener Datenskandale ist der Begriff Big Data regelmäßig negativ vorbelegt. Gerade hier können wir als DATEV mit unserer besonderen Vertrauensstellung die Vorteile von KI und Big Data nutzen, ohne dass vertrauliche Informationen an Außenstehende geraten oder aus Profitstreben genutzt werden. Hier zeigt sich wiederum der Vorteil unserer Organisationsform als Genossenschaft. Denn gerade unsere Transparenz sowie die Möglichkeit der Mitbestimmung unserer Mitglieder schaffen das notwendige Vertrauen, die Daten der Kanzleien im Kreis der Mitglieder zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise gemeinsam davon zu profitieren.

Wie lautet Ihr persönliches Fazit, verbunden mit einem kurzen Ausblick in die Zukunft?

Mir ist wichtig zu betonen, dass die Themen Daten und KI eine erhebliche Komplexität aufweisen. Es geht nicht nur darum, ein Verfahren zu implementieren. Vielmehr muss sich die gesamte Unternehmensorganisation daran ausrichten, datengetriebene Geschäftsmodelle zu identifizieren. Ferner sind Algorithmen zu entwickeln, die Daten mit Methoden wie Anonymisierung und Pseudonymisierung umfassend und rechtssicher verarbeiten und betriebswirtschaftlich zielführend auswerten, um sie dann benutzerfreundlich zur Verfügung zu stellen. Wir werden hier weiterhin Erfolge und Misserfolge erleben und das Thema über Jahrzehnte hinweg vorantreiben müssen. Wir werden dafür sorgen, dass dies beharrlich und konsequent erfolgt. Ein Treiber dafür wird stets meine eigene Faszination für dieses hochspannende Themengebiet sein.

Photo by Franki Chamaki on Unsplash

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