Alternative Proteine in DACH & Europa

Luca Fischer
DeepTech & Climate Fonds
6 min readJul 17, 2024

⏳Die Zukunft der Alternativen Proteine: Die Umstellung des globalen Lebensmittelsystems ist entscheidend, um unsere Klimaziele zu erreichen und die Ernährungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung zu gewährleisten. Besonders die reduzierte Landnutzung, als auch die erheblich niedrigeren Treibhausgase machen die Produktion alternativer Proteine besonders attraktiv. Dieser Markt bietet große Chancen für Innovationen und wird bis 2035 voraussichtlich jede zehnte Portion tierischer Produkte ersetzen.

Bisher konnten diese vielversprechenden Aussichten nicht für alle Investments den erwünschten Wert generieren. Meldungen von Insolvenzen, gesunkene Umsätze und starke Einbrüche in der Bewertung häufen sich. Gründe dafür sehen Experten hauptsächlich im Geschmack, den gesundheitlichen Aspekten und dem Preis der Produkte, die zu niedriger Konsumentenakzeptanz führen.

Zudem gibt es Bewegungen in der Politik, welche die Forschung und Produktion an kultivierten Fleischprodukten gänzlich verbieten wollen.

Demgegenüber stehen jedoch positive Entwicklungen die für leichten Optimus sorgen. In den USA, Singapur & Israel gibt es erste Zulassungen für kultiviertes Fleisch. Produkte werden günstiger und besser. Der erste kultivierte Burger kostete $250.000 in der Produktion. Heute können Menschen in Singapur bereits für 13€ kultiviertes Hühnchen essen.

Die Regierungen in Japan und Dänemark setzen Förderprogramme auf und sehen den Bereich als essenziell für ihre Klimapolitik an. Und auch in Deutschland gab die Bundesregierung kürzlich eine Fördermaßnahme in Höhe von 38 Millionen Euro bekannt.

Qualitativ hochwertigere Produkte, die im Preis, den sensorischen Eigenschaften als auch mit ihren Inhaltsstoffen überzeugen können, werden demnach die nächsten Erfolge im Markt prägen. Als Europas größter Markt für pflanzenbasierte Alternativen bietet Deutschland enorme Chancen für Start-ups im Bereich der alternativen Proteine.

Dieser Artikel bietet einen Überblick über innovative Start-Ups im DACH-Raum, verschiedene Technologien und über den Status Quo der europäischen Finanzierungslandschaft.

Market Map des DACH Raums; Good Food Institute (GFI) & eigenes Research

🗺️ Alternative Proteine: Alternative Proteine umfassen eine breite Palette an Lebensmittelinnovationen, die konventionelles Fleisch und andere tierische Produkte wie Milch oder Käse ersetzen. Dazu zählen pflanzenbasierte Alternativen, Proteine aus Fermentation oder aus tierischen Zellkulturen gewonnene Produkte. Zudem kann man die verschiedenen Technologien kombinieren um sogenannte hybride Produkte, bspw. aus Zellkulturen & pflanzenbasierten Proteinen herzustellen.

🌱 Pflanzenbasierte Proteine: Diese Kategorie umfasst Produkte, die direkt aus Pflanzen wie Erbsen, Soja oder Weizen hergestellt werden und darauf abzielen, das sensorische Erlebnis von ihrem tierischen Vorbild nachzuahmen. Vorreiter wie Beyond Meat und Oatly haben die Sparte populär gemacht und die erste Welle der alternativen Proteine geprägt. Während pflanzliche Milchalternativen tatsächlich im Massenmarkt angekommen sind, gibt es im Bereich Fleischalternativen noch Entwicklungspotenzial. Besonders die sensorischen Eigenschaften (Geschmack und Konsistenz), die Länge der Inhaltsliste und der Preis der Produkte sind wichtige Stellschrauben, die Konsumentenakzeptanz antreiben können.

Gerade im DACH-Raum gibt es eine Vielzahl an neuen und etablierten Unternehmen, die den Markt prägen. Zum einen sind hier Start-Ups wie Planted oder vly zu nennen, zum anderen etablierte Lebensmittelunternehmen wie Infamily Foods mit der Marke Billie Green oder Rügenwalder Mühle.

🦠 Proteine basierend auf Fermentation: Fermentation steht als Sammelbegriff für eine Reihe von Verfahren bei denen Mikroorganismen genutzt werden, um funktionale Inhaltsstoffe zu schaffen. Dieses Jahrtausend alte Handwerk, wurde früher hauptsächlich genutzt, um Lebensmittel zu konservieren, alkoholische Getränke zu erzeugen und den Nährwert von Lebensmitteln zu verbessern.

Fermentation kann man grob in drei verschiedene Formen aufgliedern: 1. Traditionelle Fermentation, Biomasse-Fermentation und Präzisionsfermentation.

Traditionelle Fermentation wird seit Jahrhunderten für die Herstellung von Lebensmitteln wie Käse, Joghurt oder Bier genutzt. Diese Methode führt zu Produkten mit einzigartigen Geschmacks- und Nährstoffprofilen sowie veränderter Textur. Auch im Hinblick auf pflanzliche Proteinalternativen wird mit Fermentation gearbeitet, beispielsweise bei Tempeh, einem Produkt aus Sojabohnen die mit einem Pilz geimpft werden und verschiedenen Fleischalternativen wie dem neuen Steak von Planted.

Die Biomasse-Fermentation nutzt das schnelle Wachstum und den hohen Proteingehalt bestimmter Mikroorganismen, um effizient große Mengen an Protein zu produzieren. Die mikrobielle Biomasse kann als Zutat dienen und entweder intakt oder minimal verarbeitet werden. Viele Unternehmen arbeiten auch an der Nutzung von Myzelium oder Mikroalgen für die Fermentation. Exemplarisch sind hier die Start-Ups Infinite Roots oder MicroHarvest zu nennen.

Präzisionsfermentation verwendet mikrobielle Wirte als “Zellfabriken”, um funktionelle Inhaltsstoffe zu produzieren. Dafür werden Mikroorganismen in einem biochemischen Verfahren darauf programmiert, bestimmte Inhaltsstoffe herzustellen. Diese Inhaltsstoffe verbessern sensorische Eigenschaften und funktionale Attribute pflanzlicher Produkte oder kultivierten Fleisches. Beispiele sind die Herstellung von Kasein durch Formo oder Fermify oder Ei-Proteinen durch Clara Foods oder onego.bio.

🧬Zellbasierte Proteine: Hierbei geht es um Inhaltsstoffe, welche direkt aus Tierzellen kultiviert werden, ohne dass Tiere gezüchtet und geschlachtet werden müssen. Dieses Segment steht noch am Anfang seiner Entwicklung, verspricht jedoch eine drastische Reduktion der Emissionen und Landflächennutzung im Vergleich zur Fleischproduktion.

Der Prozess beginnt mit der Entnahme einer kleinen Zellprobe von einem lebendigen Tier, die in einem Bioreaktor unter optimalen Bedingungen kultiviert wird. Durch die Zugabe von Nährstoffen und dem Schaffen eines geeigneten Umfelds können sich die Zellen teilen und zu Muskel- und Fettgewebe heranwachsen, welche dem traditionellen Fleisch in Geschmack, Textur und Nährstoffgehalt ähnelt. Weiterführende Informationen gibt es u.a. vom GFI.

Das Konzept, welches zuerst 2013 vom niederländischen Wissenschaftler Prof. Mark Post vorgestellt wurde, hat sich im letzten Jahrzehnt stark weiterentwickelt, so dass die ersten Produkte in Singapur und in den USA bereits zugelassen sind. Unternehmen wie Upside Foods verkaufen ihre Produkte bereits in der Gastronomie und kürzlich hat Eat Just ihr kultiviertes Hähnchenfleisch im Supermarkt in Singapur platziert. Die Konkurrenz im DACH-Raum sind u.a. Bluu Seafood mit ihrem kultivierten Fisch oder Myria Meat, die auf kultiviertes Schweinefleisch setzen.

⛏ Infrastruktur („Picks and Shovels“)

Durch die alternative Proteinwende bieten sich die Möglichkeit für potentielle Investments in die unterstützende Infrastruktur, welche beim Erreichen der sensorischen Eigenschaft und Preisparität helfen soll. Beispielsweise brauchen Unternehmen aus dem Bereich der Fermentation und aus der Zellkultivierung Bioreaktoren, um ihre Produkte zu kultivieren. Auch Nährmedien für das Wachstum der Stammzellen sind ein entscheidender und kostspieliger Faktor, welche benötigt werden. Hier können beispielsweise funktionale Stoffe aus der Fermentation Abhilfe leisten. Einen tieferen Überblick über Infrastruktur Investment bietet z.B. der Artikel von Christian Gupta & Nicolaus Norden von FoodLabs.

Übernommen vom GFI

Hybride Produkte entstehen durch einen Mix der verschiedenen Methoden der Herstellung. Diese Produkte nutzen die Vorteile verschiedener Technologien, um bspw. pflanzenbasierte Produkte mit fermentierten oder kultivierten Inhaltsstoffen aufzuwerten. So entwickelt das Unternehmen Cultimate kultiviertes Fett für pflanzenbasierte Burger, um den Geschmack realistischer abzubilden oder Protein Distillery funktionale Inhaltsstoffe über Fermentation für pflanzenbasierte Produkte mit verbesserten sensorischen Eigenschaften.

💸 Europa als globaler Lichtblick

Laut einem kürzlich erschienen Artikel von FoodLabs & Dealroom ist erkennbar, dass europäische Investoren den FoodTech Bereich mit Fokus auf AgTech und Alternative Proteine weiterhin wertschätzen. Im Jahr 2023 machte Europa mehr als die Hälfte der globalen Finanzierungen für klimaschützende FoodTech Unternehmen aus und übertraf damit zum ersten Mal die USA.

FoodLabs x Dealroom

Europäische Start-Ups nahmen 2023 mehr Geld auf als diese aus den USA

Die Analyse zeigt demnach, dass die Investitionen in den Bereich der Alternativen Proteine sich momentan auf dem Niveau von 2019 befinden. Weiterhin zeichnet sich ein Trend zu Investitionen in kultivierte & fermentierte Proteinen ab.

Trend zu kultivierten & fermentierten Proteinen, FoodLabs & Dealroom

Nennenswerte Deals der letzten 12 Monate in der DACH-Region waren u.a. Infinite Roots (53 Mio. €), Planet A Foods (15 Mio. €), Protein Distillery (15 Mio. €), Cultivated Biosciences (5 Mio. €) & Cultimate (3 Mio. €). Im Jahr 2024 werden wohl weitere Wachstumsrunden folgen, die den europäischen Standort weiter stärken.

Der DTCF sieht sich als aktiver Teil des FoodTech Ökosystems und dem angrenzenden Bereichen AgTech. Mit unserem gesamten Fondsvolumen von bis zu 1 Milliarde, scheuen wir uns nicht vor kapitalintensiven Investitionen. Wir sind interessiert an frühen Wachstumsrunden und freuen uns auf den Austausch mit Start-ups und Investoren, die aktiv das Lebensmittelsystem verändern möchten

Sind Sie als Unternehmer:in im Bereich der alternativen Proteine tätig, haben Sie Anmerkungen oder kennen Sie Unternehmen, die wir übersehen haben? Dann nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf!

Wir freuen uns über Ihre Nachrichten, Anregungen & Kritik.
Kontakt: Luca @ l.fischer@dtcf.de.

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Luca Fischer
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