„Trotz des Startup-Hypes trauen sich noch zu wenige Menschen das Abenteuer Unternehmertum selbst zu”

Seit Startups aus dem Silicon Valley weltweit für Aufsehen sorgen, entwickeln sich die Themen „Digitalisierung“ und „Innovation“ zu den weltweiten Megatrends. In Deutschland werben heute unzählige Events und Ausschreibungen um junge Erfinder. Doch der Weg vom brillanten Konzept zum funktionierenden Geschäftsmodell mit hohen Gewinnen ist weit und endet oft nicht am erhofften Ziel. Bestsellerautor Felix Plötz, der selbst bereits zwei Startups gegründet und erfolgreich verkauft hat, stellt am 21. September 2018 sein neues Buch „Das Ende der dummen Arbeit“ vor.

Birgit Unger
DELUXE Mallorca
7 min readSep 21, 2018

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Felix Plötz gilt als der Shooting-Star unter den deutschen Top-Speakern

Das Buch ist der Nachfolger zu seinem bisher größten Buch-Erfolg „Das 4-Stunden-Startup“, das seit über 2 Jahren ungebrochen auf den Bestsellerlisten steht (u.a. SPIEGEL-Bestseller Wirtschaft, Manager Magazin-Bestseller, Handelsblatt-Bestseller“) und zu den meistverkauften Wirtschaftsbüchern Deutschlands gehört. Felix Plötz gilt als der Shooting-Star unter den deutschen Top-Speakern. Zu seinen Kunden gehören internationale Konzerne wie Audi, BMW, Bosch, E.ON, Innogy, Lufthansa, Siemens, Swiss Life, Volkswagen genauso wie mittelständische Unternehmen. DELUXE sprach mit ihm über seine Beobachtungen der deutschen Startup-Szene und den digitalen Innovationsstau in deutschen Unternehmen.

Herr Plötz, Sie haben selbst eine gut bezahlte Stelle in einem Großkonzern aufgegeben, um Ihr erstes Startup zu gründen, das Sie an den ADAC verkaufen konnten. Später haben Sie den Verlag Plötz & Betzholz gegründet, der Bücher von Social Media Stars herausgibt, und auch diesen erfolgreich verkauft. Wo sehen Sie die größten Risiken für junge Gründer beim Schritt in die Selbstständigkeit?

Meine Antwort mag überraschen, aber ich denke, die größten Hürden sind nicht die „bekannten Übel“, über die jeder jammert, wie zum Beispiel Bürokratie und Steuern. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass sich trotz des Startup-Hypes noch zu wenige Menschen das Abenteuer „Unternehmertum“ selbst zutrauen. Sie schaffen nicht den Spagat, um groß zu denken — aber klein anzufangen. Zu viele Menschen verharren zu lange in ihren Träumen und Ängsten, anstatt einfach mal zu schauen, was passiert, wenn sie tatsächlich anfangen. Und dann auch eben gerne klein. Zu große Visionen können auch lähmen.

Und ich sage es immer wieder: Ich freue mich sehr über den Erfolg meines Buches „Das 4-Stunden-Startup“, doch ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass es so unglaublich lange auf den Bestsellerlisten stehen würde. Es holt mich auch heute noch buchstäblich von den Beinen, wenn ich mir vor Augen führe, wieviele Menschen ihr Potenzial nicht im normalen Job einbringen, sondern nebenbei gründen wollen. Und man muss so ehrlich sein: „Nebenbei“ zu gründen ist ein Haufen Arbeit, das macht sich nicht von alleine. Die größte Hürde ist es, seinen Arsch vom Sofa zu erheben, die Höhle der Löwen auszuschalten, und selbst ans Machen zu kommen.

Führen Sie eine Statistik dazu, wieviele der Startups, die Sie für ihre Bücher beobachtet haben, langfristig im Markt ihren Platz finden? Was sind Erfolgsfaktoren?

Über die Erfolgsfaktoren kann man ganze Bücher schreiben, was ich auch vorziehe, anstatt Ihnen eine „einfache“, aber viel zu kurze Antwort zu geben. Wenn ich es ganz grob zusammenfassen müsste, dann so: Jede Phase einer Gründung hat ihre eigenen Stolperfallen. Am Anfang schaffen viele den Sprung nicht vom Wollen zum Machen. In der Mitte geben viele Menschen auf, weil sie sich Unternehmertum als Sprint vorgestellt hatten und dann realisieren, dass es ein verdammter Marathon ist. Am Ende, also zum Beispiel vor einem erfogreichen Exit, scheitern viele, weil Sie sich unbewusst den Erfolg selbst nicht gönnen und die eine oder andere Form von Selbstsabotage betreiben. Viele sind auch durch den eigenen Erfolg geblendet, es bis hierhin geschafft zu haben und denken, sie könnten diese Erfahrungen auch 1:1 auf ein neues Szenario wie einen Verkauf übertragen. Doch ehrlicherweise ist es so, dass man beim ersten Mal ein Amateur ist. Definitionsgemäß, denn man macht es ja zum ersten Mal! Daher brauche ich genügend Bescheidenheit, um auch kurz vor einem Exit mir einzugestehen, dass ich Hilfe und Berater brauche. Auch als „gestandener“ Gründer und Unternehmer.

Ein Beispiel im Buch ist Pakadoo als Intrapreneurship-Beispiel eines Mittelständlers

Ihr neues Buch „Das Ende der dummen Arbeit“ zeigt, wie man auch als Angestellter im Großkonzern erfolgreich innovative Geschäftsideen umsetzen kann. Welche der Beispiele im Buch halten Sie für herausragend?

Richtig, „Das 4-Stunden-Startup“ hat gezeigt, wie ich neben dem Job ein beliebiges, aber vom normalen Job völlig losgelöstes unternehmerisches Projekt starte. In „Das Ende der dummen Arbeit“ zeige ich, wie ich Unternehmer im Unternehmer werden kann, also ein „Intrapreneur“. Es zeigt, wie wir unser Potenzial innerhalb unserer Firmen besser umsetzen, also zu mehr Eigeninitiative, mehr Innovation, mehr Freiraum — und damit auch zu weniger „dummer“, stupider Arbeit kommen.

Zwei tolle Beispiele, dich ich im Buch beschreibe sind die Deutsche Bahn als großer Konzern und Pakadoo als Intrapreneurship-Beispiel eines Mittelständlers. Die Deutsche Bahn habe ich im letzten Buch noch als Negativbeispiel aufführen müssen. Sie haben damals zwar in ihre Stellenanzeigen überall reingeschrieben, dass unternehmerisches Denken und Handeln wichtig sind — sogar für einen „Planungsingenieur Fahrbahnen“, aber selbst kaum die Möglichkeit für unternehmerischen Freiraum geschaffen. Damit war das Ganze nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

Heute hat die Bahn ein Intrapreneurship-Programm, das allen 320.000 Beschäftigten offensteht. Das ist schon beeindruckend! Und es ist auch ein wichtiger Schritt zu mehr Innovation von innen heraus. Die alten „Ideenprogramme“, wo man als Mitarbeiter seine Verbesserungsvorschläge einwerfen konnte, sind zu modernen Intrapreneurshipansätzen so vergleichbar wie eine Brieftaube mit einer Email.

Digitalisierung ist aktuell Ihr zentrales Thema. Wo sollten deutsche Unternehmen hier nach neuen Geschäftsmodellen suchen?

Ja, ich halte aktuell in sehr vielen Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen Vorträge. Es ist spannend: Gefühlt redet heute fast jeder über Digitalisierung. Gleichzeitig ist das Thema aber so groß, dass es ein bisschen ist, wie der Auftrag über „das Leben“ zu sprechen. Der eine fängt dann an zu philosophieren, während der andere Ernährungstipps gibt. Mein Ansatz zum Thema „Digitalisierung“ ist ein ganz klarer: Ich gehöre nicht zu den Propheten, die den Leuten Angst machen und lauter Schreckensszenarien ausmalen. Ich sehe vor allem die Chancen, das ist vielleicht meine unternehmerisch geprägte Sichtweise. Vor allem bin ich fest davon überzeugt, dass wir unsere Unternehmen nicht digital transformieren können, wenn Chefs es nicht schaffen, ihre Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen. Wenn das nicht geschieht, gibt es nicht viel zu transformieren. Dann müssten Sie die ganze Belegschaft auswechseln! Keine gute Idee, daher ist es wichtig, seine Mitarbeiter zu fördern und zu fordern.

Es ist doch so: Wir haben unendlich viel Innovationspower in unseren Firmen, dies müssen wir nur heben. Welches konkrete neue Business sich das Unternehmen am Ende vornimmt ist dabei übrigens zweitrangig. Es muss zur DNA des Unternehmens passen, sich in die Strategie einfügen und einen attraktiven Markt adressieren. Das ist, was zählt.

Wissen Sie übrigens, was der derzeit populärste Vortrag ist? Er lautet „Digitalisierung ohne Bullshitbingo“. Das hat einen Grund, denn vielen Chefs und Mitarbeitern bluten schon die Ohren, wenn sie nur das Wort „Digitalisierung“ hören. Deswegen gehe ich das Thema anders an als viele andere Speaker oder Experten.

Das Ende der dummen Arbeit. Wie du als Angestellter zu mehr Sinn, Geld und Freiheit kommst.

Sehen Sie in der Digitalisierung auch Risiken für den Arbeitsmarkt?

Ja, absolut. Ich bin zwar von meiner Haltung her Optimist, da bisher jede neue Technologie das Leben insgesamt besser und leichter gemacht hat. Vor ein paar hundert Jahren ging es Königen und Kaisern schlechter als vielen Menschen heute, die sich für unterprivilegiert halten. Die Lebenserwartung war viel geringer, von Krankheiten und hygienischen Umständen ganz zu schweigen, war das Leben der normalen Menschen sowohl härter als auch viel beschränkter. Technologien, die sich durchsetzen, tun dies immer, weil sie fundamentale Probleme lösen, die die Lebensqualität erhöhen. Daher glaube ich an die positiven Effekte, auch der Digitalisierung. Doch wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es auch unschöne Effekte bei einem solch massiven Ereignis wie der der Erfindung des Webstuhls, der Dampfmaschine oder eben der heutigen Digitalisierungswelle gibt. Politik und Unternehmen tragen in dieser Situation eine besondere Verantwortung für die Menschen.

Um John Cryan, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, zu zitieren: „Die traurige Wahrheit ist, wir werden nicht mehr so viele Leute brauchen. Es gibt in unserem Unternehmen heute Menschen, die wie Roboter arbeiten. Morgen wird es stattdessen Roboter geben, die sich wie Menschen verhalten. Es spielt keine Rolle, ob wir als Unternehmen an diesem Wandel teilnehmen, er kommt so oder so“.

Genau darum müssen wir uns kümmern, und deswegen finde ich es auch so wichtig, dass sich viel mehr Menschen ein solides, unternehmerisches Rüstzeug anzueignen. Auch und gerade als „normale“ Angestellte.

Motivation, Führung, Innovationen und Startup-Spirit sind Themen Ihrer Vorträge als Keynote-Speaker. Wo gibt es besonderen Handlungsbedarf?

Auch hier gilt: Viele schaffen den Sprung vom Wollen zum Machen nicht. Wenn Digitalisierung und Innovation keinen Platz neben dem Tagesgeschäft finden, dann gehen sie unter!

Es ist also eine der wichtigsten Führungsaufgaben heute, dafür zu sorgen, dass es genügend Raum in etablierten Unternehmen gibt, um ein bisschen wie in einem Startup zu arbeiten, selbst wenn das Unternehmen keines mehr ist. Damit ist zeitlicher Raum gemeint, so wie es beispielsweise Google mit seiner 20%-Regel jahrelang vorgelebt hat, aber auch Raum im Sinne von Freiheit. Freiheit, über neue, disruptive Ideen nachzudenken, zu experimentieren, und auch Fehler zu machen, solange sie noch klein und verschmerzbar sind.

Wenn wir diesen Kulturwandel hinbekommen — und das schaffen derzeit bereits sehr viele Unternehmen — dann müssen wir uns keine Sorgen mehr um die Herausforderungen der Digitalisierung machen, sondern können uns voll auf die Chancen konzentrieren. Ich finde, das ist eine Vorstellung, für die es sich lohnt zu arbeiten.

Herr Plötz, wir bedanken uns für das Gespräch.

Mehr über den Autor und sein neues Buch erfahren Sie auf www.felixploetz.com

Interview: Birgit Unger für www.deluxemallorca.com.

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Birgit Unger
DELUXE Mallorca

PR & Content Creation. Fifteen years ago, Birgit took on the travel magazine DELUXE Mallorca as editor-in-chief. Her background is in advertising.