„Nein heißt Nein!” … oder doch nicht?Über die Selbstverständlichkeit sexualisierter Gewalt gegen Frauen in der Antike und heute

von Antonia Buroh

Lisa Eberle
Dem Schicksal Entkommen
10 min readMar 25, 2019

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Raub der Sabinerinnen durch die Römer: Skulptur von Giambologna in der Loggia dei Lanzi in Florenz

Das Moment der Gewalt ist eine durchgängige Signatur der Literatur der griechisch-römischen Antike. Die in antiken Texten stark männlich strukturierte Gewalt richtet sich einerseits gegen andere Männer, vor allem in Form von innenpolitischen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Andererseits gegen Frauen, insbesondere in Form von sexueller Gewalt. Eine der eindrücklichsten Schilderungen einer Vergewaltigung findet sich in Ovids Metamorphosen. In dieser verfällt der Thraker Tereus der Schönheit seiner Schwägerin Philomela, was in der Folge zu ihrer Vergewaltigung führt.

Nun ist man in Bezug auf die Antike schnell geneigt zu sagen: „Früher war das eben so! Barbaren, raue Sitten…“. Und ja, in der Tat, je nach Kultur und sozialem Status hatte man(n) tatsächlich ganz gute Aussichten mit einem Sexualdelikt ungeschoren davonzukommen. Aber was macht uns eigentlich so sicher, dass es sich in unserer heutigen modernen Gesellschaft so anders verhält? Schließlich wird die klassische Antike von der „westlichen Welt“ als kultureller Ursprung angesehen. Gehört die in der antiken Literatur verhaftete Misogynie demnach auch zu diesem Erbe?

Zweifellos, wir haben Aufklärung und das ganze Paket der technischen, sozialen und politischen Moderne durchlaufen, die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte wurden festgeschrieben, die Demokratie im Westen mehr oder weniger fest verankert. Das Frauenwahlrecht wurde eingeführt, die rechtliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau vollzogen. Aber lässt sich wirklich mit voller Überzeugung behaupten, dass der kulturelle Code, die innere Verfasstheit unserer neo-liberalen, post-post-modernen, spätkapitalistischen Gesellschaft eine wesentlich andere ist als jene, die Ovids Erzählung zum Gegenstand hat? Oder ist es nicht vielmehr so, dass wir immer noch in einer weitestgehend patriarchalisch-hierarchisch organisierten Gesellschaft leben, deren Kulturmuster und Strukturen, deren Macht- und Unterdrückungsmechanismen sich so sehr nicht von der Antike unterscheiden?

Gewiss hat es seit der Antike in vielen gesellschaftlichen Bereichen erhebliche Verbesserungen gegeben. Hinsichtlich des intergeschlechtlichen Entwicklungsprozesses ist jedoch durchaus zu hinterfragen, ob tatsächlich ein Fortschritt stattgefunden hat. In Ovids Metamorphosen manifestieren sich die patriarchalen Strukturen im grundsätzlichen Abhängigkeitsverhältnis Philomelas. Sie wird von einem Mann zum nächsten gereicht, geht von der Obhut des Vaters in die ihres Schwagers über. Diese Praxis der Frauenschacherei scheint heute in der „westlichen Welt” einigermaßen überwunden, wenn sie auch durch die konfliktreiche Überschneidung diverser Kulturkreise nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Zumindest gesetzlich ist der Verkauf von Frauen verboten.

Gleichzeitig verlaufen einige Kulturmuster der Antike und unserer heutigen Gesellschaft möglicherweise analog. Ovids Tereus weist eine für Philomelas weiteres Schicksal fatale scheinbar männliche Disposition auf: Allein der Anblick ihrer immensen Schönheit reicht aus, um seine Lust zu entfachen und im Verlauf Vergewaltigungsfantasien bei ihm wachzurufen. Männliche Lust ist die einzige dargestellte Perspektive, Philomela selbst wird allein durch ihr Äußeres charakterisiert und objektiviert. Tereus Begehren gegenüber Philomela wird als unausweichlich skizziert. Sein künftiges Handeln folgt somit einer strikten Teleologie. Philomelas (Un)wille, ihr „Nein“, kann dem scheinbar nichts entgegensetzen. Wie steht es also um das „Nein“ einer Frau heute? Ist es heute mehr wert als in Ovids Geschichte?

Die fragwürdige Konjunktur des „Neins“ (im deutschen Strafrecht)

Die Silvesternacht 2015/16, in welcher es vermehrt zu sexuellen Übergriffen auf Mädchen und Frauen kam, löste in Deutschland erstmals eine gesellschaftlich breite und ernsthafte Debatte über das „Nein-heißt-Nein“ aus. Sie gab den entscheidenden Anstoß zur Erweiterung des deutschen Sexualstrafrechts, welches nun ein „Nein“ ernst nimmt. Bezeichnenderweise wurde die gesellschaftliche Debatte darüber durch die sogenannte „Flüchtlingskrise“ ausgelöst, nicht durch einen innergesellschaftlichen Aushandlungsprozess, als ein Resultat des rechtlichen Gleichstellungsprozesses und der Frauenbewegung der 1960er Jahre.

Die ab 2015 in den Medien geführte Diskussion hatte dabei zeitweise den Anschein, als sei die Problematik des Sexismus und der sexuellen Gewalt gegen Frauen erst importiert worden und nicht etwa schon kultureller Bestandteil unserer westlichen Gesellschaft gewesen. Fast hätte man den Eindruck gewinnen können, an die Stelle des in den Metamorphosen als Barbar beschriebenen Tereus sei ein neues Handlungssubjekt getreten. Nun in Gestalt dutzender, vermeintlich unzivilisierter, reizüberfluteter „Araber“, „Nafris“ — welche ethnischen Minderheiten sich auch immer damit in Verbindung bringen ließen — die analog über die Kölner Frauen „herfielen“.

Im Juli 2016 wurde das Sexualstrafrecht schließlich durch den sogenannten „Nein- heißt-Nein“-Passus erweitert, im November desselben Jahres trat das Gesetz in Kraft. Für die Strafbarkeit eines sexuellen Übergriffes kommt es seither weder darauf an, ob der‘die Täter‘in dem Opfer mit Gewalt gedroht, Gewalt angewendet oder sich die betroffene Person gegen den Übergriff körperlich gewehrt hat. Entscheidend ist jetzt, dass die sexuelle Handlung nicht gewollt war und dass das für den‘die Täter‘in auch erkennbar gewesen ist.

Diese Gesetzesänderung geht zwar in die richtige Richtung. Dennoch schiebt sie die Verantwortung über die Situation immer noch der Frau zu. Denn wir Mädchen werden leider immer noch dazu erzogen, unsere Wut nicht zu zeigen. Klar „Nein“ zu sagen fällt oftmals schwer, in Gewalt- und Bedrohungssituationen umso mehr. Das führt häufig zu Passivität. Doch Passivität ist kein Einverständnis. Warum also nicht das schwedische Modell übernehmen, welches eine proaktive Zustimmung zum Geschlechtsverkehr der involvierten Partner‘innen fordert? Schließlich heißt nur ein „Ja“ eindeutig „Ja“.

„Nein“ als Chiffre

Dass der Wille der Frau in unserer Gesellschaft oft Auslegungssache und eine zu Gunsten des Mannes veränderbare Variable ist, zeigt sich im Magazin Men’s Health. In der August-Ausgabe des Jahres 2016 (und damit mitten in der „Nein-heißt-Nein“-Debatte) wird dem Leser in einem Artikel mit dem fragwürdigen Titel „So sagt sie nie wieder nein“ anschaulich erklärt, wie er auch bei Ablehnung durch seine Partnerin auf „seine Kosten“ kommen kann. Sei es durch selbstlose „liebevolle Berührungen“ oder das „entspannende Bad mit Rosenblättern bei gedämpftem Licht“, denn nur so fühlt sich Frau schließlich besonders wohl; und welcher Mann will schon Orangenhaut sehen, wenn er in Stimmung ist? Wenn das Alles noch nicht geholfen hat, rettet vielleicht ein „kühl servierter Champagner“ den Abend. Betrunken fällt das „Ja“-Sagen meist nicht mehr so schwer. Und wenn das schließlich auch nicht hilft? — Bis zum Einsatz von K.O.-Tropfen scheint hier nicht mehr viel zu fehlen.

Besonders gelungen ist der Vorschlag, wie mit der Absage an Oralverkehr umzugehen ist: Der Mann solle mit dem Versprechen locken, nach vollzogenem Akt „eine Stunde lang alles zu tun, was Sie möchte“. Dies könne zwar im schlimmsten Fall auf unbeliebtes „Rumknuddeln“ herauslaufen, aber wer weiß, vielleicht führt das ja auch wieder zu Sex. Auf den Punkt gebracht: Die Frau weiß nicht so genau, was sie eigentlich möchte. Vielmehr noch: Der Mann weiß es besser, und darf sogar für sich in Anspruch nehmen, es besser zu wissen.

Füttert man Google mit den Worten „Frau will keinen Sex“, werden einem 1000fach Artikel präsentiert, die allerlei Gründe für sexuelles Desinteresse aufzählen — physische und medizinische, Fehlverhalten des Partners, mangelndes Selbstbewusstsein, körperliche Unzufriedenheit, Stress etc. Die Möglichkeit, dass sie einfach nicht möchte oder nicht in Stimmung ist, wird nicht in Betracht gezogen. Sofern man das Internet als das Leitmedium der Gesellschaft betrachtet, scheint es auf irgendeine verquere Art und Weise gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass etwas „nicht stimmen muss“, eine Fehlfunktion des weiblichen Köpers vorliegt, wenn sie sich nicht leidenschaftlich in den Laken wälzen will.

Wo beginnt sexuelle Gewalt?

Ist dies lediglich partieller Ausdruck eines anachronistischen Frauenbildes? Ein Phänomen, das der Zeit zuwiderläuft? Oder ist das Problem etwa der Struktur der Gegenwart geschuldet, in der wir leben? Männliche Gewalt und weibliche Widersetzung waren integraler Teil der Konstruktion von „normaler“ Sexualität im 18. und 19. Jahrhundert. Die wankelmütige, gefühlsverwirrte und stetig durch ihre körperlichen Unzulänglichkeiten verunsicherte schwache Frau jedenfalls ist noch ganz dieselbe, die Männer einst als „hysterisch“ pathologisierten. Hier scheint sich das Bild der antiken Furien, Sinnbild der rachsüchtigen und potenten Frau, ins andere Extrem gekehrt zu haben.

Schwer zu sagen, was hier diskriminierender, welche Perspektive fragwürdiger ist: Die Objektivierung und Entmündigung der Frau als reines Instrument zur Bedürfnisbefriedigung des Mannes. Oder das Bild des dauergeilen Typen, welcher, ganz seiner Natur entsprechend, unbedingt etwas penetrieren muss und sich seine Partnerin zum Zweck der Triebbefriedigung „hält“. Beziehung als ständige Verfügbarkeit von Sex. Da wären wir wieder bei dem Männertypus des Tereus angelangt, und so schließt sich der Kreis auf traurige Weise.

Damit transportiert der Text in Men’s Health eine gefährliche Botschaft: Ein „Nein“, die Ablehnung durch eine Frau ist nicht ernst zu nehmen. Sie ist nicht endgültig und Frauen können schließlich immer irgendwie in den Geschlechtsverkehr hineingetrickst werden. Zumindest scheint es immer ein Potenzial für Beeinflussung und einen Verhandlungsspielraum zu geben. Auch Ovid schrieb bereits in seiner Liebeskunst (1.665–78):

“Vielleicht wird sie zuerst dagegen ankämpfen und Unverschämter! sagen; sie wird aber im Kampf besiegt werden wollen. […] Magst du es auch Gewalt nennen, diese Art der Gewalt ist den Mädchen willkommen, was Freude macht, wollen sie oft geben, ohne es wahrhaben zu wollen“.

Unschwer zu erkennen, dass sexuelle Übergriffe an dieser Stelle verharmlost werden. Dieses Selbstverständnis entspricht ausformulierten Aussagen wie: „Sie hat es doch gewollt/provoziert!“ Die propagierte Sichtweise könnte Indiz für jene subgesellschaftlichen Mechanismen sein, aufgrund derer sich Frauen immer noch für Übergriffe von Männern rechtfertigen müssen. Verständlich, dass in diesem Spannungsfeld aus vermeintlich typisch männlichen und typisch weiblichen Verhaltensmustern schwerlich Grenzen auszumachen sind. Wann beginnt also sexualisierte Gewalt? Bei konsequenter Auslegung schon mit Nicht-Akzeptanz einer Absage an Geschlechtsverkehr und dem damit einhergehenden Umstimmungsversuch?

Wendet man diesen Maßstab an, könnte man provozierend formulieren: Der Artikel in Men’s Health liefert hier eine direkte Anleitung zu nicht einvernehmlichem Geschlechtsverkehr und damit zur Vergewaltigung der eigenen Freundin. Durch das Nichtanerkennen eines „Nein“ wird Frauen das Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen.

Im Jahr 2004 gaben laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Deutschland 25 Prozent der befragten Frauen an, körperliche und/oder sexualisierte Gewalt durch den Partner oder Ex-Partner erlebt zu haben. Solche und andere Statistiken können nicht zuletzt als Anhaltspunkte für strukturell etablierte männliche Umdeutungspraktiken und die allgemeine Geringschätzung und Bevormundung von Frauen gesehen werden. Denn Frauen, die man aufgrund ihrer vermeintlich irrationalen Natur nicht ernst zu nehmen braucht, stellen keine mündigen Individuen dar, verfügen zwar über einen eigenen Willen und können ihn auch äußern, dieser nimmt sich jedoch aus männlicher Perspektive irrelevant aus — zumindest für die oben angesprochenen (Ex-)Partner der 25 Prozent. In dieser Hinsicht stellt die Strafrechtsreform nur einen winzigen Teil dessen dar, was sich im Umgang mit Sex und sexualisierter Gewalt ändern muss: Aufklärung, Rollenbilder, Erziehung und Information.

Gesellschaftlich etablierte Umdeutung

Der Artikel in Men’s Health erweist sich leider nicht als Einzelfall, sondern als Teil einer weit verbreiteten Umgangskultur, in der Frauen nicht „Nein“ sagen können. Ein weiteres Indiz dafür, wie konsensfähig sexualisierte Gewalt in der Partnerschaft ist, ist ein Song der bekannten Schlagergröße G.G. Anderson aus dem Jahr 2000 mit der vielsagenden Textzeile:

„Nein heißt ja, wenn man so lächelt wie du […] wenn man flüstert so wie du […] Pfeif auf deinen Verstand […].“

Nun könnte man beschwichtigend einwenden, dass das volkstümlich-folkloristische und schlageraffine Milieu zum Glück nur einen Teil der bundesdeutschen Gesellschaft repräsentiert, Platz 55 der deutschen Singlecharts für immerhin zwei Wochen also nicht ganz so aussagekräftig ist. Dem entgegen steht leider der Fakt, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen G.G. Andersons „Rape-Song“ ein Forum zur besten Sendezeit einräumte.

Mindestens ebenso bedenklich — das Wörterbuch Frau–Deutsch; Deutsch–Frau des Langenscheidt-Verlags, das in Zusammenarbeit mit dem auf Mann-Frau-Stereotypen spezialisierten und selbsternannten Comedian Mario Barth entstanden ist. Gleich auf der ersten Seite springt es ins Auge: „Nein“ = „Ja“; „Ja“ = „Nein“; „Vielleicht“ = „Nein“. Aha. Ergänzend hierzu eine aus Film und Fernsehen bekannte, immer wieder reproduzierte Szene: Er fragt: „Bist du sauer?“ Sie antwortet: „Nein!“ Und alle wissen ziemlich gut, dass sie natürlich stinksauer ist. Tatsächlich finden sich ebenso dutzende Internetquellen, die versuchen verzweifelten Männern zu helfen, welche nicht verstehen, was ihre Freundin/Frau so von sich gibt.

Alle diese Beispiele zeugen davon, dass ein offenbar erheblicher Teil der Gesellschaft — und hierzu zählen genauso auch Frauen­ — in Bezug auf Frauen von einer grundsätzlichen Diskrepanz zwischen Gesagtem und Gemeintem ausgeht. Der angesprochene Stereotypus, das Klischee der überemotionalen, neurotischen und zickigen Frau wird munter fortgeschrieben. Das “Mysterium“ Frau muss permanent decodiert und entschlüsselt werden. Oder man macht es wie Men’s Health und erspart sich die mühevolle Dechiffrierung, indem man die Frau von vornherein als unmündig betrachtet und über ihren Kopf hinweg für sie entscheidet.

„Ja“ zu sich selbst, statt „Nein“

Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an Philomela. Nach durchlittener Vergewaltigung schwört Philomela Rache: Sie konfrontiert Tereus lautstark mit seiner Tat und droht ihm, Allen von der Vergewaltigung zu erzählen. Tereus, sich seiner Schuld bewusst, bringt sie daraufhin zum Schweigen, indem er ihr die Zunge herausschneidet. Philomela wird hier also buchstäblich ihrer Stimme beraubt und damit entmündigt. Eine deutlichere Metapher gibt es wohl kaum.

Philomela, noch immer von Tereus versteckt gehalten, findet schließlich, auch ohne sprechen zu können, einen Weg ihre Schwester Procne — delikaterweise Tereus’ Gemahlin — von ihrer Vergewaltigung wissen zu lassen. Am Ende der Geschichte steht die grausame Rache der Frauen. Das Bild der neurotischen, irrationalen Frau wird erneut gezeichnet und bestätigt. Zwischen Sexobjekt und Furie bleibt wenig Spielraum für andere Rollen. Doch das ist nicht das Entscheidende, in dem Text findet sich noch etwas anderes Bemerkenswertes: Philomela findet ihre „Stimme“ wieder. Indem sie nämlich mit Hilfe eines gewebten Tuches ihre Geschichte erzählt und so von ihrer Schwester „gehört“ wird.

Für Ovids Philomela war es überlebenswichtig, ihre Stimme zu finden, sich mitzuteilen. Genauso, wie es für Identität und gesellschaftliche Rolle heutiger Frauen essentiell ist, mit starker Stimme für sich einzutreten, sich in einer immer noch stark von Männern dominierten Welt zu behaupten.

Wenn wir als Gesellschaft erreichen wollen, dass Frauen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben, müssen alle Menschen jeden Geschlechts und jeder Sexualität, wir als Gesellschaft, lernen, zuzuhören; genau hinzuhören. Dies setzt allerdings voraus, dass Frauen sich klar ausdrücken können. Denn so wie es aussieht, scheinen viele Frauen immer noch Probleme mit dem „Nein“-Sagen zu haben: aufgrund ihrer Erziehung, aus Scham, mangelndem Selbstbewusstsein, der Angst vor Ablehnung oder um Konflikte zu vermeiden.

Internetforen sind voll von Beiträgen, in denen Frauen von sexuellen Begegnungen berichten, die sie aus genannten Gründen einfach über sich haben ergehen lassen. Viele Beiträge eint, dass die involvierten Männer keine Kenntnis davon gehabt zu haben scheinen, dass die Handlungen nicht ganz einvernehmlich stattgefunden haben. Was dies natürlich in keinem Fall entschuldigt, oder von ihrer Pflicht entbindet sensibel auf ihre Partnerin einzugehen. Für diese Frauen wäre es umso wichtiger, zu lernen, die Dinge beim Namen zu nennen. Situativ ihre Stimme zu erheben, indem sie besser auf ihre Bedürfnisse achtgeben, sich auch im Interesse ihres Selbstbildes ernst nehmen. Dazu gehört auch, gängige Geschlechterzuschreibungen und -stereotypen zu hinterfragen. Dies gilt natürlich für alle Bereiche zwischenmenschlicher Begegnungen. Sie müssen deswegen nicht öfter „Nein“ sagen, die Freiheit liegt vielmehr darin, es zu können, und dass ihr „Nein“ etwas gilt, etwas bedeutet: sich selbst und andere zu respektieren.

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