Design-Thinking begreifen
Man sagt, die Sufis erzählen eine Parabel: eine Stadt, in der nur Blinde leben, wird von einem König besucht, der auf einem Elefanten reitet und vor der Stadt sein Lager aufstellt. Die Blinden schicken einige von ihnen aus, um sich die Sache näher »anzusehen«. Die Männer (und Frauen?) untersuchen den Elefanten. Jeder betastet einen anderen Körperteil. Als sie in die Stadt zurückkehren erzählt der eine, der den Rüssel betastete, der Elefant gleicht einer Schlange, jener, der das Ohr berührte meinte, nein, eher wie ein Fächer, der dritte ist überzeugt der Elefant gleicht einer mächtige Säule, er untersuchte das Bein, ein vierter vergleicht den Elefanten mit einem Seil.
Jeder der Blinden erkennt etwas Richtiges, aber als einzige Wahrheit ist es unzureichend, ja das Tier ist sogar mehrheitlich vom Einzelnen nicht erkannt worden.
So ähnlich ergeht es wohl auch den Nicht-Designern unter den »Design-Thinkern«, jenen, die über diese »Methode« oder dieses »Tool-Set« reden (und lehren) ohne selbst als Designer tätig zu sein, die »Schmiedls«, die einen Hype auslösen, darauf reiten bis die Welle zusammenbricht und sich dann das nächste »ultimative Management-Tool« aussuchen, um sich wieder als »Experten« darin zu verkaufen. Das ist nicht gut, weil die Ergebnisse letztlich nicht zufriedenstellen (wie man an einer Menge Alltagsbeispiele erkennen kann). Obwohl sie damit helfen den Markt aufzubereiten, schaden sie mehr als sie nützen. Diese Leute beschädigen den Ruf dieser Denkweise.
Echte Designer, so wie es David Kelley oder Tim Brown von IDEO sind (sie haben diesen Begriff geprägt), sind Sehende — sie sind wahre Design-Thinker. Wahre Design-Thinker (d.h. die Designer) werden auch noch dann so arbeiten (mit dieser »Methode«), wenn die Consultant-Karawane bereits weitergezogen ist. Schließlich ist es ihre ureigenste Denkweise. Design-Thinking ist die Denkweise der Designer, sie erscheint aussenstehenden chaotisch, ist es vielleicht im Prozess auch, aber sie hat immer ein verwertbares, ein nützliches Ergebnis. Fragen Sie die Designer!
Was also tun?
Statt »zum Schmiedl« lieber gleich »zum Schmied« gehen, sich über Design-Thinking informieren und die echten Design-Thinker engagieren — echte Designer als Sparringpartner nutzen.
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Rudolf Greger ist Co-Gründer von GP designpartners,
Gründer des Design-Thinking-Tanks
und Autor von »6 sätze über design«, »Appetitanreger für Designmanagement« und »integriert entwerfen — reflektiert«.