10 faszinierende Fakten über Tapire

Sie gestalten Wälder, können mit ihren Nasen greifen und ihre Jungtiere sehen aus wie Wassermelonen. Faszinierende Fakten über eine seltene und uralte Spezies.

Cosima Ertl
6 min readApr 13, 2015

von Karen Eng, übersetzt von Cosima Ertl

Patricia Medici, ein TED Fellow, arbeitet mit Tapiren, den größten an Land lebenden Säugetieren Südamerikas. Foto: Marina Klink

Wenn man jemanden in Brasilien einen Esel nennen will, dann nennt man ihn einen Tapir. Die großen, in Wäldern beheimateten Säugetiere sehen aus wie eine Kreuzung zwischen einem Wildschwein und einem Ameisenbär. Sie werden zwar oft verlacht, doch Tapire sind wahrhaft faszinierende Tiere.

Die Brasilianerin Patricia Medici ist Naturschutzbiologin und Vorsitzende der Expertengruppe für Tapire der Weltnaturschutzunion IUCN und hat ihr Leben den Tapiren gewidmet. Als sie 1996 ihre Arbeit mit den Tieren begann, war so gut wie nichts über die scheuen Pflanzenfresser bekannt. Auch dank ihrer Forschung wissen wir inzwischen, dass die Tapire für ein gesundes Ökosystem der Wälder unerlässlich sind und dass sie gefährdet sind.

Wir haben Patricia Medici gebeten, einige faszinierende Fakten zu ihrem Lieblingstier mit uns zu teilen. Hier kommen ihre Antworten, in ihren eigenen Worten.

1. Tapire gelten als lebende Fossilien.

Es gibt sie seit dem Eozän und sie haben mehrere Aussterbephasen überlebt. Heute gibt es noch vier Arten: den Bergtapir aus den Anden, den Mittelamerikanischen Tapir, den Schabrackentapir aus Südostasien und den Flachlandtapir aus Südamerika, wobei ich letzteren am intensivsten erforsche.

2. Tapire sind über ein Jahr lang trächtig.

Es ist überraschend, dass die Tapire noch nicht ausgestorben sind, denn sie pflanzen sich nur sehr langsam fort. Ihre Tragzeit beträgt 13 bis 14 Monate und sie bringen immer nur ein Jungtier zur Welt. Nimmt die Größe einer Tapirpopulation ab — aufgrund von Waldrodungen, Krankheit, Bejagung oder Straßenverkehr — ist es unwahrscheinlich, dass sie sich jemals wieder erholt. Es kann sogar so weit kommen, dass man gar nicht mehr von einer Population sprechen kann, weil es nur noch einzelne Individuen verstreut in der Landschaft gibt. Tapire können sehr zäh und anpassungsfähig sein, wenn sie auf sich alleine gestellt sind. Darum haben sie es geschafft, so lange zu überleben. Doch trotz ihrer Widerstandsfähigkeit leidet dann ihr Genpool.

Man sollte einem Tapirbaby und seiner Mutter lieber nicht zu nahe kommen. Die ansonsten friedlichen Tiere werden äußerst aggressiv, wenn sie eine Gefahr für ihren Nachwuchs wittern. Foto: Daniel Zupanc

3. Tapire sind die größten Landsäugetiere Südamerikas.

Sie wiegen bis zu 300 kg, also etwa halb so viel wie ein Pferd. Ihr Gewicht ermöglicht es ihnen, Bäume umzuwerfen, um an die Früchte zu gelangen. Sie sind im Allgemeinen zwar sanftmütig und friedlich, greifen mitunter aber auch schon mal an, wenn sie sich bedroht fühlen, vor allem Weibchen mit ihren Jungtieren. Tapire sind nachtaktiv. Sie verstecken sich im Dickicht der Wälder und schlafen tagsüber die meiste Zeit, bis sie um ca. halb vier nachmittags aufwachen und Nahrung suchen. Ihr Gewicht und die Tatsache, dass sie nachtaktiv sind, machen es sehr schwer, die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu erforschen. Man kann einen Tapir nicht einfach verfolgen und Daten sammeln. Man muss die Tiere fangen, betäuben und mit Sendehalsbändern versehen, Kamerafallen aufstellen und sie während der aktiven Nachtstunden mithilfe der Funkhalsbänder verfolgen. Vielleicht hat es deswegen so lange gedauert, bis man ernsthaft begonnen hat, Tapire zu erforschen.

4. Tapire nennt man auch „die Gärtner des Waldes“.

Tapire haben eine große Reichweite. Sie legen auf ihren Wanderungen von Waldstück zu Waldstück weite Strecken zwischen verschiedenen Lebensräumen zurück und stellen damit ein wichtiges Bindeglied zwischen diesen Lebensräumen dar. Sie fressen in einem Waldstück Früchte, schlucken die Samen herunter, legen dann lange Wege zurück und scheiden dabei Kot aus. Auf diese Weise verteilen sie die Samen und sorgen für einen genetischen Austausch zwischen den Pflanzen verschiedener Lebensräume. Diese Funktion erfüllen zwar auch viele andere Tiere, aber da Tapire eine große Menge an Früchten fressen, verteilen sie auch eine große Menge an Samen. Der Aufbau der Wälder und ihre Diversität sähen ohne die Tapire völlig anders aus.

Der kleine Greifrüssel der Tapire ist hervorragend geeignet, um nach Blättern und Früchten zu suchen. Foto: Luciano Candisani

5. Der Tapir ist eine Regenschirmart.

Tapire benötigen viel Platz, um alles zu finden, was sie brauchen, und teilen sich ihren Lebensraum mit vielen anderen Tieren: Pekaris, Rehen, Vögeln, Insekten und so weiter. Schützt man also den Lebensraum der Tapire, schützt man automatisch auch den Lebensraum vieler anderer Arten.

6. Der Greifrüssel der Tapire ist sehr beweglich.

Obwohl der Rüssel eines Tapirs nicht so beweglich ist wie der eines Elefanten zum Beispiel, ist er doch hervorragend dafür geeignet, Nahrung zu suchen und Blätter und Früchte aufzusammeln.

7. Obwohl der Flachlandtapir Südamerikas vom Aussterben bedroht ist, ist es oft schwer, andere davon zu überzeugen.

Der Flachlandtapir lebt in elf Ländern Südamerikas und in vielen verschiedenen Ökoregionen. In Brasilien lebt er in vier verschiedenen Biomen: im Atlantischen Regenwald, im Pantanal, im Amazonas-Regenwald und im Cerrado. Seine starke Ausbreitung führt dazu, dass die Menschen annehmen, dass es reichlich Tapire gibt, doch in Wirklichkeit sind diese Biome nicht miteinander verbunden. Vom Atlantischen Regenwald sind nur noch 7 % übrig und beim Cerrado sieht es ähnlich aus. Die Ränder des Amazonas-Regenwaldes werden mit jeder Sekunde weiter abgeholzt. In Wirklichkeit gibt es also nur kleine, isolierte Tapir-Populationen in Südamerika. Und trotzdem müssen UmweltschützerInnen jedes Jahr aufs Neue ausführlich begründen, warum der Tapir auf der Roten Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion bleiben muss.

8. Der Tapir wird im Amazonas-Regenwald wegen seines Fleisches gejagt, was seine Bestände gefährdet.

Aktuelle Studien der Jagdmethoden indigener Völker im Amazonas-Regenwald ergaben, dass die Gebiete in direkter Umgebung von indigenen Stämmen keine Säugetiere mehr aufweisen. Es gibt riesige leere Gebiete ohne Tapire, Pekaris, Agutis oder sonstige Säugetiere. Und dabei hat dort der Kahlschlag noch nicht einmal begonnen.

Traurigerweise werden Tapire immer wieder für dumm gehalten und man denkt, sie seien einer Rettung nicht würdig. Viele Menschen setzen sie mit Eseln gleich, aber ich vergleiche Tapire lieber mit Jaguaren, denn sie sind stark und majestätisch.

Manche verwechseln Tapire auch mit Ameisenbären oder anderen Tieren. Sie wissen nicht einmal, was Tapire sind! Ich bemühe mich intensiv darum, das zu ändern, denn ich glaube, dass ein größerer Bekanntheitsgrad der Tapire unsere Bemühungen, sie zu retten, erleichtern wird.

Die Streifen und Flecken der jungen Tapire lassen sie aussehen wie Wassermelonen. Leider verlieren sie diese Zeichnung, wenn sie erwachsen werden. Foto: LIana John

9. Tapirbabys sind wahrscheinlich die niedlichsten Jungtiere im gesamten Tierreich!

Sie werden mit dunklem Fell und gelben oder weißen Streifen und Flecken geboren. Damit sehen sie einer Wassermelone ziemlich ähnlich. Die Streifen und Flecken verblassen nach drei Monaten und sind nach fünf bis sechs Monaten meist völlig verschwunden. Manchmal weisen aber auch junge erwachsene Tapire noch letzte Überbleibsel der Flecken auf. Tapirkälber bleiben 12 bis 18 Monate bei der Mutter.

10. Wo wir gerade bei Tapirbabys sind, es gibt ein Jungtier im brasilianischen Pantanal, das TED heißt!

Ich arbeite seit 2008 im Pantanal und habe bisher 45 Tapire eingefangen und beobachtet. Eins der Weibchen, das ich beobachte und das ich 2013 zum ersten Mal eingefangen habe, Justine, hat irgendwann zwischen April und Mai 2014 ein Junges bekommen. Und vor Kurzem haben wir die kleine, männliche Wassermelone mit unserer Kamerafalle erwischt. Ich habe den kleinen Tapir TED getauft.

Foto des jüngsten Neuzugangs in Medicis Tapirfamilie: Tapirbaby TED. Foto: Patricia Medici

Dieses Interview wurde ursprünglich in anderer Fassung im TED Blog >>> veröffentlicht

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