Berlin war früher NICHT besser

Medium auf Deutsch
3 min readMay 3, 2016

--

von Danilo Sierra, übersetzt von Nina Roßmann für Medium Deutsch

“Das ist das Berlin, das ich vermisse” Bildquelle hier.

Das würde ich gerne wiederholen: 👏🏽In👏🏽Berlin 👏🏽war👏🏽 früher👏🏽 nicht👏🏽 alles👏🏽besser👏🏽.

Ich muss gestehen, ich verstehe einfach nicht, wie sich jemand vor seinen Computer setzen und einen fünf Absätze lange Blogpost darüber verfassen kann, dass “Berlin ruiniert ist”, “seinen Reiz verloren hat”, “nicht mehr cool ist”, und anschließend die immer gleiche zugrundeliegende Idee wiederholt: “In Berlin war früher alles besser — als du noch nicht da warst”. Sobald dieser Unterton mitschwingt, ist klar, dass man es mit einem Fremdenhasser zu tun hat. Und es regt mich auf, dass angeblich progessive Magazine diesen Müll veröffentlichen.

Besonders eigenartig finde ich, dass alle von einer Zeit träumen, in der es nichts gab außer verrauchte Bars und Underground Parties. Ich verstehe schon: Underground Parties sind wirklich cool und Bars auch, aber beides gibt es immer noch und das wird sich so schnell auch nicht ändern! Ja, es stimmt schon, Ostgut Ton ist mittlerweile Mainstream, aber der Grund dafür ist, dass das Label wirklich hart dafür gearbeitet hat und alles, was es tut, professionalisiert hat. So wie erfolgreiche Leute das eben machen. Wenn du also behauptest, früher sei alles besser gewesen, dann verstehe ich das als: “Hier soll es nur die Dinge geben, die ICH gerne hätte”.

Berlin ist besser als nie zuvor und ist immer noch dabei, sich zu steigern. Es gibt besseres Essen, es gibt mehr Menschen mit den verschiedensten Hintergründen, mehr kreativen Output und definitiv mehr Geld in der Stadt. Natürlich kann man endlos die Übel der Gentrifizierung anführen, aber es ist zu einfach gedacht, die Leute dafür verantwortlich zu machen, die jahrelang einen Traum gehegt, ihr Leben geändert und in vielen Fällen buchstäblich alles zurückgelassen haben, das sie kennen und besitzen, um hierher zu kommen. Die Realität ist so viel komplexer.

Alle gehen nach Berlin und aus gutem Grund. Das Leben hier ist einfach wunderbar. Und wer sich über Hipster, Veganer oder über was auch immer es gerade im Trend liegt zu ätzen, aufregt, den verstehe ich als: “Du mit allem, was dir wichtig ist, bist hier nicht willkommen”.

Die Auswahl der Dinge, die man tun, konsumieren oder produzieren kann, ist quasi unendlich — größer noch als als du hierher gezogen bist. Tut mir leid, so ist es nun mal.

Schon klar: Ein Londoner, der einmal hier war, wird es schon wissen, oder?

Die Stadt ist zwar keine Brache voller Anarchisten in verlassenen Gebäuden mehr, wie in der Zeit, als du hierher gezogen bist bzw. wie du es dir vorgestellt hast, wenn du von Berlin geträumt hast — aber das heißt doch nicht, dass du behaupten kannst, dass die Leute, die heute kommen, die Stadt “ruinieren”. Die Zeiten, in denen die Leute nach Berlin kamen, um etwas zu entkommen, sind vorbei. Wir wollen nichts entkommen, wir wollen es hier zu etwas bringen und uns diese Stadt zu eigen machen. Und damit wirst du leben müssen.

Im Sinne der konstruktiven Kritik: Wenn du also einen Artikel für ein Magazin über Berlin schreiben willst, bitte ich dich freundlich darum, dir ernsthaft darüber Gedanken zu machen, was hier gerade passiert, durch wen es passsiert und was neu ist, anstatt es einfach mit der Vergangenheit zu vergleichen und auf den immer gleichen Club zu verweisen.

➤➤ Folge Medium auf Deutsch auf Twitter | Facebook | RSS. Du möchtest selbst auf Medium schreiben? Klicke hier, um mehr zu Medium Deutsch und dem Schreiben auf Medium zu erfahren!

--

--