Bild: Sony Pictures Entertainment

Ghostbusters (2016)

Dominik Bärlocher
6 min readJul 25, 2016

Die Geisterjäger gehören irgendwie zu meiner Jugend. Lustigerweise dürften auch die Ghostbusters gewesen sein, die mir das Konzept von Reboots und Neuinterpretationen erklärt haben. Damals, als ich noch ein kleiner Pimpf war, war der Cartoon mit Slimer (The Real Ghostbusters, 1986) nebst den Ninja Turtles das Grösste in meinem Freundeskreis. Als ich dann alt genug für die Filme war, war irgendwie alles anders. Dann kam später Extreme Ghostbusters (1997), das wohl eines der besten Intros der 1990er hatte.

Aus diesen autobiographischen Gründen habe ich mich richtig auf den Reboot des Franchises gefreut und mir auch nichts weiter dabei gedacht, als bekannt wurde, dass das Team der Geisterjäger neu aus Frauen bestehen wird. Warum sollte mich das auch jucken?

Bange wurde es mir erst, als ich den ersten Trailer zum Film gesehen habe. Irgendwie waren die Gags weder lustig noch schienen sie besonders kreativ. Einer der grössten Witze im Trailer war so in etwa “Ich bin eine schwarze Frau und ihr hasst mich, darum bin ich auf den Boden gefallen”. Lustig ist anders.

Gefallen hingegen haben mir die neuen Protonenpacks, die Waffen, der Geisterjäger. Sie sahen zwar nicht mehr so aus, als ob sie aus zufällig gefundenen Teilen bestehen würden, aber die roten Cyclotrons — ja, ich weiss sogar, wie die runden Bauteile der Protonenpacks heissen — machen optisch viel her.

Das Produktionsdesign ist eine der Stärken des Films. — Bild: Sony Pictures Entertainment

Der Film ist daher auch beleidigend schlecht. Die ganze Sexismus-Sache ist ehrlich gesagt das kleinste Problem des Films.

Penis! Furz! Spass!

Der Humor im Film, der vom Studio als Benchmark für die Actionkomödie mit Frauen in den Hauptrollen genannt wird, beginnt dort, wo die Intelligenz endet: Unter der Gürtellinie. Von den ersten Witzen, die sich mit Mittelfingern und Vaginalgeräuschen als Pointe versuchen, in die Herzen der Zuschauer zu schleichen bis zum Ende, wo die Pointe Protonenlaserbeschuss der Hoden des Gegners ist, hat kein Witz im Film irgendwelchen Charme oder Anspruch. Der Film ist in etwa so aggresiv unlustig wie ein Adam-Sandler-Film. Nur, dass es halt bei den Ghostbusters zusätzlich beleidigend ist, da der Originalfilm von 1984 so viele gute Witze hat und als Klassiker des Genres gilt.

Es liegt nicht nur daran, dass die Witze nicht lustig sind, sondern auch, dass die Comediennes im Film nach jeder Pointe innezuhalten scheinen und zu fragen scheinen “Habt ihr den Witz verstanden? Vagina ist die Pointe! Haha! Lacht!” Auf Dauer wird das extrem irritierend und irritierend. Das heisst aber nicht, dass der Film total unlustig ist.

Die lustigste Figur des Films ist Chris Hemsworth. — Bild: Sony Pictures Entertainment

Der witzigste Charakter im ganzen Film ist der einzige, der sich nicht auf sein Könnnen als Stand-Up-Comedian — da nicht vorhanden — verlässt. Chris Hemsworth als idiotischer Sekretär Kevin würde in jeder Szene die Schau stehlen, wird aber in der zweiten Hälfte des Films bequem aus der Haupthandlung geschrieben. Hemsworth spielt seinen Part mit Nonchalance und Natürlichkeit, wohingegen die Geisterjägerinnen in den Hauptrollen alle versuchen, übertrieben und gezwungen lustig zu sein.

  • Melissa McCarthy hat vor allem Witze, deren Pointe “Fett!” ist. Zu Beginn sind das Körpergeräusche, dann ist sie die Figur, die versucht mit physical comedy und Dingen, die kein normaler Mensch könnte — wie Sprünge bis zur Decke oder den Kopf um 180 Grad drehen — zu amüsieren. Weil ihr Übergewicht offensichtlich lustig ist.
  • Kristen Wiig ist zu Beginn die einzige Figur, die einigermassen Ernst bleiben kann und ein seriöses Leben führt. Sie soll also der straight man oder besser die straight woman zum Irrsinn aller anderen sein. Diese Prämisse wird aber nach etwa fünf Szenen aus dem Fenster geworfen. Danach ist sie die, die von Geistern vollgeschleimt wird. War schon beim ersten Mal nur moderat witzig, wird auch nicht nach zwei, drei weiteren Malen lustiger.
  • Kate McKinnon würde die Schau stehlen. Ihre Figur ist diejenige, die unter keinen Umständen auf die Menschheit losgelassen werden sollte, sich aber mit der Gesellschaft rumprügeln muss. Sie ist respektlos, sagt immer genau das, was keiner hören will und sieht irre aus. Trotzdem ist sie hochintelligent. Eigentlich wäre sie eine Goldmine für Witze und aussergewöhnliche Beobachtungen anderer. Weil aber keine andere Figur im Film Tiefgang oder Komplexität beweist, und stets im Hyperaktivitätsmodus agiert, wird McKinnons komödiantisches Talent unter einem Haufen Penis-, Vagina- und Kotzewitzen begraben.
  • Leslie Jones hat es am Schlimmsten erwischt. Die Drehbuchautoren des Film haben sich gedacht, dass es gesellschaftlich angebracht und sogar belustigend sei, wenn die schlimmsten Klischees, denen sich afroamerikanische Frauen gegenüber sehen, in eine Rolle gesteckt werden. Ihre Figur ist eine stetig schreiende, slangsprechende, dicke Frau, die dann auch noch die einzige ohne Doktortitel im Team — also objektiv dümmer als ihre kaukasischen Geisterjäger-Freundinnen — ist.
Am Schlimmsten erwischt es Leslie Jones’ Figur, die jedes Klischee afroamerkanischer Frauen bedient. — Bild: Sony Pictures Entertainment

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass die Story total ins Wasser fällt. Stellenweise wird der Plot ganz vergessen, damit irgendwelche unpassenden Witze gemacht werden können. Und am Ende wird dann durch Faulheit und Ahnungslosigkeit der Autoren die Welt gerettet, nachdem sich die Geisterjägerinnen als Geistermörderinnen verdient machen, da der Film die eigene Pseudowissenschaft nicht konsistent anwendet.

Was funktioniert

Ein totaler Reinfall ist der Film zwar ohne Frage, was aber nicht heisst, dass der Film keine guten Ideen hat. Nicht nur beweist er, dass Chris Hemsworth lustig sein kann, sondern er hat auch viel Talent abseits der Schauspieler im Film und den Drehbuchautoren.

Die neuen Protonenpacks sehen grossartig aus. Sie wirken zwar polierter als die Originale aus dem Jahre 1984, verlieren aber nicht den Charme der ihnen innewohnt. Protonenpacks sind im Wesentlichen kleine Atomreaktoren, die aus Teilen, die ihr Erfinder in der Garage rumliegen hatte, gebaut sind. Sie sollten auf keinen Fall auf dem Rücken getragen werden. Oder abgefeuert. Die neuen Packs haben ein rot glühendes Cyclotron — das runde Ding am unteren Ende — was doch einiges hermacht.

Der Look des Films stimmt absolut. Alles andere nicht. — Bild: Sony Pictures Entertainment

Generell fühlt sich der Look der Geisterjägerinnen richtig an. Auf Standbildern aus dem Film sieht das richtig aus. Auch die Posen der Hauptrollen stimmen und sind erfrischend hemdsärmlig und dem Originallook der Ghostbuster getreu.

Auch das Effekte-Departmen hat sich selbst übertroffen und den 3D-Effekten, die mittlerweile etwas an Attraktivität verloren haben, einen neuen Dreh hinzugefügt. Ghostbusters hat oben und unten schwarze Streifen, wie sich Zuschauer das gewohnt sind. Doch wenn immer etwas Gespenstisches passiert — sei das Protonenpackfeuer oder Geisterkotze — brechen die Effekte aus dem Bild aus und gehen auf diese schwarzen Streifen. Das ist toll.

Doch sobald Story und Schauspielerei dazukommt, ist fertig lustig und fertig beeindruckend.

Ghostbusters ist eine Enttäuschung auf der ganzen Linie und sollte von keinem angesehen werden. Denn glaubt mir, ihr werdet nicht nur enttäuscht sondern auch beleidigt sein.

Ghostbusters kommt am 4. August in die Schweizer Kinos.

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