Hochsensibilität

Sensibilität ist leider ein sehr negativ behafteter Begriff, der oft mit Schwäche gleichgesetzt wird. Immer wieder wird sensiblen Personen gesagt, sie sollen sich mal etwas zusammenreißen, sich nicht so anstellen. Unter einer hochsensiblen Person stellen sich die meisten dann wahrscheinlich einen Menschen vor, der seine Emotionen nicht im Griff hat und bei jeder Kleinigkeit weinend zusammenbricht. Ob das wirklich so ist oder ob Hochsensibilität nicht auch etwas sehr positives sein kann, möchte ich versuchen, in diesem Artikel zu erläutern.

janine.
3 min readDec 18, 2016

Hochsensibilität — was ist das eigentlich?

Generell besitzt jeder Mensch einen natürlichen Filter. Vergleichbar mit dem Fokus einer Kamera. Man fokussiert das wichtige Objekt. Man hört, was man hören will und sieht, was man sehen will. Alles andere ist verschwommen und wird kaum bis gar nicht wahrgenommen.
Hochsensible Personen (kurz HSP) jedoch besitzen diesen Filter nicht. Sie nehmen alles wahr. Jedes noch so kleine Detail. Ob wichtig oder unwichtig.

Die Hochsensibilität kann sich von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich auswirken. Die einen nehmen Geschmäcker oder Gerüche intensiver wahr. Andere hören stärker oder sehen Dinge, die andere wiederum nicht sehen. Oder aber man fühlt Emotionen sehr stark. Vielleicht ist es auch all das auf einmal, das ist wie gesagt sehr individuell.

Wie wirkt sich die Hochsensibilität bei mir aus?

Bei mir persönlich bezieht sich die Hochsensibilität vor allem auf Geräusche. Plötzliche, laute Geräusche sind für mich immer eine Qual. Und auch Orte, an denen viele Menschen aufeinander treffen, an denen viele Gespräche auf einmal stattfinden, strengen mich sehr an.

Klassenräume zum Beispiel. Allgemein war die Schule für mich immer ein sehr anstrengender Ort, an dem ich nicht gerne war. Die vielen Menschen, kahle Klassenräume mit grellem Licht, es ist laut, weil alle durcheinander reden, ständiger Leistungsdruck, Stress, die Angst, etwas falsches zu sagen und keine wirklichen Ruhepausen. Sich neben all dem, was drum herum passiert, auf den Unterricht zu konzentrieren, war für mich fast unmöglich. Das alles kostete mich sehr viel Kraft und Energie, weshalb ich nach dem Unterricht völlig erschöpft und den restlichen Tag zu nichts mehr zu gebrauchen war.

Auch heute bin ich nicht gerne an Orten, an denen viel los ist. Manchmal habe ich total Lust, in die Innenstadt zu fahren. Dort angekommen, bereue ich es allerdings nach kurzer Zeit bereits wieder, einfach weil dort viel zu viel los ist und die Hektik mich zu sehr anstrengt.

Die Hochsensibilität bezieht sich aber natürlich auch auf das Fühlen. Ich fühle von allem irgendwie mehr und intensiver.
Bücher, Gedichte oder Musik können mich so stark berühren, dass ich mich entweder wahnsinnig gut dabei fühle und vor Freude in die Luft springen könnte oder aber mich bringt ein einziges Wort schon zum weinen.
Andererseits kann ich mich aber auch extrem gut in andere Menschen hineinversetzen. Oft muss ich nicht mal wirklich mit einer Person sprechen um herauszufinden, wie es ihr gerade geht und was sie in diesem Moment fühlt. Manchmal betrete ich einen Raum und spüre sofort, ob dort gerade eine eher negative oder positive Stimmung herrscht.

Auch macht mich die Hochsensibilität zu einem sehr intuitiv handelnden Menschen. Bei allen Entscheidungen, die ich treffe, weiß ich unterbewusst, was das richtige ist. Wenn ich einen Menschen kennenlerne, kann ich bereits nach der ersten Begegnung sagen, ob dieser Mensch zu mir passt oder nicht.

Die Hochsensibilität ist einerseits also erschöpfend, überfordernd, kraftraubend. Ohne sie wäre ich allerdings nicht der Mensch, der ich heute bin. Sie hat mich zu einem extrem einfühlsamen und kreativen Menschen gemacht.
Sie erlaubt mir, die Welt mit anderen Augen zu sehen und zeigt mir, wie schön die Welt sein kann. Durch sie weiß ich intuitiv, was das Richtige und Wahre ist und ich kann mich voll und ganz auf mein Bauchgefühl verlassen.

Also: Fluch oder Segen?

Die Antwort ist: sie ist das, was du daraus machst.
Sie ist eine Gabe. Man muss nur lernen, mit ihr umzugehen.

Mich würde nun interessieren, ob es unter euch vielleicht auch hochsensible Personen gibt? Schreibt mir gerne in einem Kommentar, wie ihr davon erfahren habt und ob es für euch eher eine Gabe oder eine Last ist. Auch jeder andere darf mir natürlich gerne seine Gedanken zu dem Thema schreiben.

Und ansonsten würde ich sagen:

Bis bald, eure Janine.

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