Imagine.

Guido Augustin
3 min readNov 15, 2015

--

Paris zahlt mit seinem Blut die Rechnung. Jahrhunderte Ausbeutung, Sklaverei, Kolonialismus, Rohstoffsicherung, Billiglöhne, destabilisierende Maßnahmen und Waffenexporte.

Doch wer ist “wir”? Die Rechnung Westen gegen Naher Osten, Christen gegen Muslims, Alte gegen Neue Welt geht nicht auf. Tatsächlich ist es wohl einfacher und komplizierter zugleich. Ich fürchte, unsere politische Führung ist zynischer, als wir uns vorzustellen wagen und jagt lieber radikale Prediger, somalische Piraten oder libysche Bootsschlepper, als sich mit mächtigen Drahtziehern anzulegen, die für die Verschärfung globaler Konflikte Verantwortung tragen. Die USA, England, auch Frankreich, aber auch China und Saudi-Arabien, denen aufgrund der Glaubensbrüderschaft eine besondere Rolle zukommt — in jeder Hinsicht.

Du wirst morgen sein, was du heute denkst. Unsere Vergangenheit holt uns ein. So viel Leid.

Aus der Ohnmacht wächst die Frage: Was kann ich tun?

Das eine ist Mitgefühl. Wie viele Eltern ihre Kinder beerdigen müssen, weil diese auf ein Rockkonzert gingen — da wird mein Herz ganz schwer. Unsere Kanäle quellen über vor Beileidskundgebungen, Solidaritätsadressen und Trotznoten. Einige fordern mehr Empathie — auch in und mit Dramen in anderen Teilen der Welt. Wieso bitteschön wir bei einem Anschlag in Afghanistan nicht auch so reagieren wie jetzt. Doch Solidaritäts-Autismus hilft nichts. Menschen können in jeder Sekunde Millionen von Sinneseindrücken filtern, die allermeisten ausblenden und fokussieren. Ferne ist weit weg. Deswegen nehmen wir eine Bombe auf einem irakischen Marktplatz zur Kenntnis und die Opfer aus Paris rühren uns zu Tränen. So sind wir.

Es hilft, in schweren Stunden an der Seite seiner Freunde zu stehen.

Das andere sind Maßnahmen. Vom Stammhirn aus können wir ja Dreierlei tun: Tot stellen, Flucht oder Angriff. Wir können die Decke über den Kopf ziehen und schlafen, bis alles vorbei ist. Es wird aber nicht vorbei sein. Oder in Fatalismus flüchten. Tot stellen und flüchten sind hier kaum zu trennen. Bleibt der Angriff: Da gibt es Hardliner, die schon Kampfjets betanken und Grenzkontrollen verschärfen. Doch Gewalt gebärt Gewalt. Wer das studieren möchte, reise in unser heiliges Land und sehe sich um — Frieden in weiter Ferne.

Der Angriff muss also ein anderer sein. Wir brauchen eine Lawine (Huhu, Herr Schäuble!) von — ich nenne es mit nur einem Begriff, der unendlich stark ist — Nächstenliebe. Mit allem, was dieses mächtige Konzept in sich vereint, kann es die Lösung sein — in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, in der Politik. Wir müssen also langfristig denken und handeln und nicht nur (aber auch) auf die Erfordernisse der Gegenwart reagieren.

Ein Einzelner ist nicht zu klein.

Ich glaube, jeder Einzelne kann etwas tun. Jeden Tag: Wenn ich im Straßenverkehr wen einscheren lasse, komme ich trotzdem ans Ziel. Wenn ich auf Unbekannte zugehe wie ein neugieriges Kind, kann ich mein Leben und deren Leben bereichern. Wenn ich eine ältere Dame auf einen Kaffee einlade, werde ich reicher — an ihrer Geschichte. Es ist Haltung, die uns stärkt — und es spricht nichts, aber auch gar nichts dagegen, diese Haltung aus der Privatsphäre heraus auf alle Bereiche auszudehnen.

Was passiert dann wohl — regional, national, global?

Es genügt nicht, jährlich an St. Martin zu debattieren, wie der Umzug heißt. Es geht um unseren Mantel. Mein „warum“ ist ganz klein: Ich möchte jeden Tag die Welt ein bisschen besser machen.

You may say I’m a dreamer — but I’m not the only one.

P.S.: Wenn ich lieber kooperiere statt konfrontiere, komme ich in meinem Geschäft voran — und andere auch. Deswegen macht mir die Zusammenarbeit mit Rolf Neijman für sein Buch „Küssen kann man nicht alleine“ so viel Spaß, weil es genau darum geht. Changing the way the world does business. Und mehr.

P.P.S.: Und wer wundert sich noch, dass 1 Million Syrer vor der Tür stehen, weil sie nicht unter diesen Barbaren leben können?

Foto: Depositphotos/tony4urban _

Das habe ich für Guidos Wochenpost geschrieben. Menschen lesen dies, freuen sich darüber und erzählen es weiter. Bitte hier selbst anmelden …

➤➤ Folge Medium auf Deutsch auf Twitter | Facebook | RSS. Du möchtest selbst auf Medium schreiben? Klicke hier, um mehr zu Medium Deutsch und dem Schreiben auf Medium zu erfahren!

--

--