© Renate Schrattenecker-Fischer

Warum Batman keine Kinder hat

Vom Versuch, die Welt alleine zu retten, und der Erkenntnis: Das geht sich weder zeitlich noch kraftmäßig aus.

Stephanie Doms
Published in
5 min readOct 24, 2016

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Dass mein Mann nicht nur mit einer Schlagbohrmaschine umgehen kann, sondern auch mit einem Bügeleisen, hat mir schon bei unserem Kennenlernen weiche Knie beschert. Und auch heute noch finde ich es ziemlich männlich, dass er sich redlich bemüht unseren Arbeits- und Familienalltag fifty-fifty zu gestalten. Manchmal braucht es dazu zwar ein paar sanfte Erinnerungen und gelegentlich kleinere Nervenzusammenbrüche meinerseits, aber immerhin.

Auf unserem Weg in Richtung Gleichberechtigung sind wir zuletzt ein großes Stück weitergekommen. Das liegt vor allem daran, dass der Sommerurlaub von einem — sagen wir mal — etwas größeren Nervenzusammenbruch geprägt war. Bis zum Tag vor der Abreise habe ich noch gearbeitet wie eine Blöde und sämtliche Aufträge — bei allen ging es natürlich um Leben und Tod, was denn sonst — irgendwie eingezwickt. Doch es war nicht dieser temporär hohe Druck, sondern die Tatsache, dass sich das Tempo ab dem ersten Geschäftstermin kurz nach der Geburt unseres Sohnes laufend gesteigert hat. Das wurde mir zu diesem Zeitpunkt das erste Mal klar. Im Urlaub dann der Breakdown. Als hätte jemand eine Sektflasche mit aller Gewalt geschüttelt und ihr anschließend den Hals abgeschlagen, entlud sich der Stress des letzten Jahres explosionsartig.

Ausflug ins Land der Ausgebrannten

Die Wahrheit ist: Ich war mit meiner Kraft am Ende. Ich hatte weder noch Lust auf diese ganze Familienidylle noch darauf, in meinen Job zurückzukehren. Am liebsten hätte ich meinen Koffer ein weiteres Mal gepackt, um noch viel, viel weiter weg zu fahren. Alleine. Doch es wäre eine Flucht gewesen und hätte das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben. Die letzten Tage des Urlaubs konnte ich dann doch noch entspannen — indem ich die freie Zeit dazu nutzte, mir zu überlegen, was sich ändern musste. Mir wurde sehr schnell klar, dass es leider unmöglich ist, die Welt alleine zu retten — vor allem als Mutter (ich glaube, deswegen haben Batman und Co keine Kinder). Eines war klar: Ich brauchte Unterstützung. Daheim angekommen, organisierte ich mir einen Gärtner, eine Freundin kümmerte sich um meine Abrechnungen, meiner Mama brachte ich zum ersten Mal bereitwillig die Bügelwäsche vorbei und ich plane seither zwischen den einzelnen Projekten mehr zeitlichen Puffer ein.

Als Außenstehender wird man sich vermutlich nicht wundern, wenn ich sage, dass es sich verdammt gut anfühlt, nicht alles selber zu machen. Ich allerdings war anfangs überrascht. Ich komme aus einer Selbermacher-Familie, in der Fleiß und Perfektion einen hohen Stellenwert haben. Mir war mulmig zumute, als ich die Mail an meine Freundin schickte, in der ich ihr kurz erklärte, welche Rechnungen wie verschickt werden mussten. Und kurz bevor der Gärtner das erste Mal kam, habe ich noch überlegt, ihm abzusagen und die Sträucher doch selber zu stutzen. Würde schon irgendwie gehen in einer von Söhnchens mittlerweile knapp bemessenen Schlafphasen, zwischen Mittagessenkochen, Kundenrückrufen und Partnerschaftspflege…

Kind on top

Ja, es geht schon irgendwie, alles selber zu machen. Aber nicht gut und auch nicht besonders lange. Dass ich als Mutter nicht nur verantwortlich für mein Glück bin, sondern auch für das meines Kindes, ließ mich in den letzten Wochen vieles überdenken. Das Ergebnis, zu dem ich kam, war ernüchternd: Ich gestalte meinen Alltag, als würden mein Mann und ich halbe-halbe machen, so wie früher. Nur dass wir in Wahrheit weitermachen wie vor dem Kind und die Elternsache zusätzlich schmeißen. Meine Arbeitslast war und ist so hoch wie vor der Geburt, nur dass ich jetzt noch bemühter bin als zuvor, den Haushalt perfekt zu managen — immerhin ist das das Umfeld, in dem unser Kind aufwachsen und sich geborgen fühlen soll. Und natürlich auch noch die Kinderbetreuung selbst!

Mir ist schleierhaft, wie ich das so lange ausgehalten habe. Jedenfalls reichte es mir im Urlaub. Und das merkte auch mein Mann. Ich liebe ihn noch mehr als ohnehin schon dafür, dass er nach dem Urlaub keine hundert Erinnerungen gebraucht und nicht lange gefackelt hat, um zur Entschärfung der Lage beizutragen. Er ist zu seinem Chef gegangen und hat gesagt: “Ab sofort möchte ich Stunden reduzieren und ab März gehe ich für vier Monate in Karenz.” Und sein Chef? Der sagte “okay”. Seither hat mein Mann noch mehr Zeit, sich um unseren Sohn zu kümmern, zu kochen und zu putzen — ohne dass er sich diese Zeit irgendwie abzwicken muss, was mit zusätzlichem Stress verbunden wäre. Sogar in der Spielgruppe waren meine Männer schon zweimal zusammen — und sorgten damit für großen Wirbel (und Neid), weil kein Vater vor ihm es gewagt hat. Mein Mann findet’s gut. Und ich sowieso. Zwar zog ich die Augenbrauen hoch, als er voller Euphorie zu unserem Sohn sagte: “Toll, dann machen wir einmal in der Woche einen Vater-Sohn-Projekttag und unternehmen etwas Spannendes!” Aber eigentlich weiß ich, dass ihm klar ist, dass der Alltag mit Kind nicht nur aus Abenteuern besteht und ich keine Lust habe, abends dann erst recht alles selber sauber machen zu müssen. Zumindest hoffe ich, dass er das weiß… Vermutlich ist das nur die Anfänger-Euphorie, die man als erfahrener Karenzler belächelt.

Heute umdenken, morgen Gleichberechtigung

Von Fifty-fifty sind wir zwar immer noch weit entfernt, aber wir nähern uns an. Und das gibt mir neuen Schwung. Und wann immer ich mir einbilde, es wäre Schwäche, meinen Mann oder andere in die Pflicht zu nehmen, dann weise ich meinen Ehrgeiz vehement in die Schranken. Denn eines vergesse ich (und ganz bestimmt auch viele andere Frauen) häufig: Bloß, weil wir uns um die Kinder kümmern und zum Lebensstandard der Familie auch finanziell beitragen wollen, ist Erschöpfung nicht allein unser Problem. Ich hoffe, dass es irgendwann keine ausgebrannten Frauen mehr braucht, die das Wort für ihre Männer ergreifen und ihnen diktieren, was sie zu tun haben, damit die Gleichberechtigung möglich wird, die beide Partner wünschen und schätzen.

Bis dahin habe ich noch einiges zu tun. Beispielsweise die Zahl der familienunfreundlichen Yoga-Abendkurse sukzessive zu reduzieren und mir für gewisse Textaufgaben Unterstützung zu suchen. Ich weiß jetzt schon, dass dazu einige Kämpfe mit meinen tief verwurzelten Prinzipien nötig sein werden. Aber ich werde Übereifer und Perfektionismus nicht gewinnen lassen. Mein Wohl und das Wohl meiner Familie sind mir mehr wert.

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Stephanie Doms
eins
Editor for

Wortspielerin und Freudentänzerin. Texterin, Autorin, Yoga- und Mentaltrainerin. www.stephaniedoms.com