Apple Music — Das Ende der Besitzkultur

Mein Haus, mein Auto, meine Plattensammlung — in den 80er Jahren waren das Attribute mit denen Du Dich als Familienvater beweisen konntest. Hattest Du etwas geschafft, hast Du es gezeigt — besonders gerne durch materielles Eigentum. Heute, eine Generation später, ist diese Sicht auf die Dinge mächtig ins Wanken gekommen.

đź—żHans Christian Blecke
Die EintagsTexte
4 min readJun 3, 2016

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Es begann mit dem Leasing fĂĽr Autos.

Vor allem Geschäftsleute “mieteten” sich ihre Luxus-Limousinen vom Hersteller für ein paar Jahre, minderten mit den Kosten den Betriebsgewinn und ersparten sich die teuren Kaufpreise. Eine clevere Idee. So clever, dass Du es heute wahrscheinlich genauso machst. Mit Deinem Firmenwagen und dem Privatwagen, versteht sich. Ist ja auch ok. Nicht umsonst ist es heute üblich, bei Autohändlern zuerst prominent die Leasingrate auf dem Preisschild zu finden. Der sieht eh besser aus, als der Kaufpreis (normalerweise mindestens zwei Stellen weniger!) und wenn Du wirklich unbedingt wissen willst, was der Wagen bei Barzahlung ohne jegliches Verhandlungsgeschick kosten könnte, dann such halt die lange Zahl irgendwo unten auf dem Sticker, direkt neben dem Normverbrauch — der anderen Zahl, die keinen Aussagewert mehr hat.

Aber vergessen wir mal kurz das Preisschild. Ist eh nicht mehr wichtig, wenn Du in der Stadt wohnst. Als echter Hipster machst Du natürlich Car Sharing. Schließlich ist es viel lässiger, ein Auto nur mal kurz kräftig über die Bordsteinkanten zu prügeln, statt einen Hunderter im Monat für die Innenstadt-Garage zu blechen, die sowieso ständig zugeparkt ist. Und das Beste am Car Sharing ist natürlich: Um Wartung und Reparatur musst Du Dich nicht kümmern. Es geht nur noch um die reine Nutzung.

Damit stehen Autos mit Videos auf einem Level. Sie sind Leihgaben. Du musst sie nicht mehr besitzen, Du kannst sie einfach nutzen — wann Du sie brauchst, so lange Du sie brauchst, und wo Du sie brauchst.

Eigentum spielt kaum noch eine Rolle.

Bei Musik war das ein Prozess in zwei Schritten. Der erste Schritt war der Wechsel von analog auf digital. Oder anders gesagt: vom realen Eigentum zum virtuellen Eigentum. Die Plattensammlung wurde abgelöst von iTunes mit seinen MP3-Playlists. Diese Entwicklung machte Musik portabel, verfügbarer und zugänglicher für jedermann. Und es machte Apple, den bis dahin eher mittelmäßigen Computer-Hersteller, zu einem weltbeherrschenden Entertainment-Giganten.

Damals hat Apple, die digitale Musik nicht erfunden. Aber der Konzern hat einen Weg geschaffen, die digitalen Inhalte fĂĽr jedermann nutzbar zu machen. Und genau das passiert jetzt wieder. Apple Music ist nicht der erste Streaming Dienst fĂĽr Musik, trotzdem wird durch diesen Dienst die komplette Musik-Industrie auf den Kopf gestellt. Again!

Plötzlich ist Eigentum bei Musik vollkommen uninteressant geworden. Warum willst Du noch Alben herunterladen? Oder gar CDs kaufen? Du kannst doch jetzt Musik jederzeit überall abfordern. Bequem und zum Flatrate Tarif. Als Student übrigens zum unverschämt billigen Flatrate Tarif (wieder so ein Ding, das Apple genial eingefädelt hat) Du musst Musik nicht mehr Lied für Lied kaufen.

Du musst kaum noch etwas kaufen!

Du kannst viele Dinge mieten. Deine Wohnung zum Beispiel. Die mietest Du. Und wenn Du einen Job in einer anderen Stadt findest, mietest Du eine neue Wohnung. Oder: wenn Dir die Nachbarn nicht passen. Kein Problem. Umzug. Fertig.

Urlaub mietest Du auch. Schon immer. Das Ferienhaus, den Wagen und den Strandkorb. Alles mietest Du. Dein Smartphone. Kannst Du auch mieten. Und nach einem Jahr gegen ein neues Modell tauschen. Laptop? Mietest Du. Auch als Privatperson ganz problemlos. Zum Beispiel.. na…? Bei Apple natürlich. (Und als Student… siehe oben)

Profis für Dein nächstes Projekt kannst Du auch mieten. (Mich zum Beispiel — HIER) Festangestellte sind heutzutage (Achtung Ironie!) eh nur noch teuer und schwer wieder loszuwerden. Da nimmst Du besser gleich Miet-Mitarbeiter. Ganze Branchen leben inzwischen schon von Arbeitskräften, die gemietet werden. Und weil wir gerade vom Geschäft reden: Bauern mieten Mähdrescher, Banken mieten ihre eigenen Gebäude und selbst der kleine Handwerker von nebenan hat seine Bürosoftware, genau wie seine Homepage, natürlich nur gemietet.

Kabelfernsehen ist auch so ein Beispiel. Der Receiver ist gemietet, die Programme sind gemietet. Wenn Du Langeweile hast, dann miete Dir doch einen Film und wenn alles nichts mehr hilft, dann mietest Du Dir bei Netflix unendlich viele Streaming Stunden. Bücher und Hörbücher mietest Du bei Amazon. Und den Sessel, in dem Du das Buch genießt? Kriegst du auch…Gemietet!

Deinen Partner beim Squash, Deinen Trainer in der Muckibude und die hĂĽbsche, gebildete Dame fĂĽr den Theaterbesuch, all diese Menschen kannst Du ganz einfach mieten. Und noch ein paar mehr.

Ja, für viele von uns ist das Ende der Besitzkultur näher, als sie gedacht haben. Der Balast verringert sich, das Leben wird unverbindlicher. Das kann eine Chance sein. Nur eine Sache sollten wir bei all der Freude nicht vergessen:

Es gibt immer auch einen Vermieter.

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Die EintagsTexte S1E33

Dieser Text ist zuerst erschienen auf www.blecke.de

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