Warum der #Tatort den Tod des Fernsehens überleben wird.

Twitter ist in Deutschland nicht gerade ein Massen-Medium. Nur am Sonntagabend um 20:15 Uhr ist für 90 Minuten auf Twitter ein Hashtag im Sekundentakt zu sehen: der #Tatort. Aber warum ist #Tatort auf Twitter so erfolgreich?

🗿Hans Christian Blecke
Die EintagsTexte
4 min readMay 28, 2016

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Tatort — eine starke Marke.

Der erste Tatort „Taxi nach Leipzig“ wurde im November 1970 ausgestrahlt. Inzwischen gibt es über 1.000 Folgen der Reihe. Damit ist der Tatort eines der ältesten und bekanntesten TV-Formate in Deutschland. Man kann sagen, fast jeder über 14 Jahren kennt den Tatort.

Obwohl die einzelnen Folgen von verschiedenen Sendeanstalten produziert werden, und die Ermittler häufig wechseln, ist der Krimi in den Köpfen (und Herzen!) der Deutschen fest verankert. Das liegt wahrscheinlich an zwei Dingen, die diese Reihe besonders machen.

Erstens: Die Dachmarke

Dem Name Tatort wird von allen Sendeanstalten genutzt und auch nicht verwässert. Diese Zusammenarbeit unter einem Dach ist ziemlich einzigartig in der deutschen TV Landschaft. Und sie hilft den Produzenten völlig verschiedene Charaktere und Erzählstile unterzubringen. Das macht den Tatort vielseitig.

Ja ich weiß! Natürlich ist Dir nicht egal, ob das Team aus Münster oder vom Bodensee ermittelt. Du hast Deine Lieblinge, das ist klar. Aber fast jeder Tatort bekommt seine Chance. Du schaust erstmal rein. Abschalten — oder auf Twitter ablästern — kann man ja immernoch.

Zweitens: Die Kontinuität

Mit Sicherheit liegt der Erfolg zu großen Teilen an der Kontinuität. (An dieser Stelle bitte ich die Herrschaften aus dem Marketing besonders gut aufzupassen!) Eine immer wiederkehrende feste Sendezeit ist das A&O im Marketing. Das predigt Dir jeder Coach, jeder Stratege und jeder Konzeptioner.

Mach es regelmäßig!

Es stimmt einfach. Die Menschen, besonders die in Deutschland, lieben es, wenn sie sich auf etwas verlassen können. Wenn Du Tatort irgendwie gut findest, dann bist Du Sonntag um 20:13 vorm Fernseher. Schnell noch Sportergebnisse und Wetter und dann… (na, hast Du auch gerade die Titelmelodie vom Tatort im Kopf?) ;-)

Ok, Tatort ist beliebt, aber warum auch #Tatort?

Zuerst einmal ist das reine Statistik. Wenn man von 8–10 Millionen Zuschauern pro Erstausstrahlung ausgeht, dann sprechen wir immerhin von mindestens 10% der Deutschen Gesamtbevölkerung. Oder, was wohl noch eindrücklicher ist, von immerhin satten 25% der deutschen Haushalte. Zieh Dir das rein! Fast jeder vierte Haushalt schaut Tatort!

Natürlich sind bei dieser Masse an Zuschauer auch eine Menge Leute dabei, die Twitter nutzen. Aber das alleine ist noch nicht der Grund. Dann müssten ein paar andere Formate, vor allem in den privaten Sendern, auch ähnlich gut unterwegs sein. Sind sie aber nicht. Denn beim #Tatort ist es die Schnittmenge aus TV-Zuschauern und Twitter-Nutzern.

Es ist halt einfach ein Fakt, dass zum Beispiel Pro7 oder RTL eher jüngere Zuschauer haben, die auf Facebook und neuerdings auch Snapchat unterwegs sind — oder sich per WhatsApp unterhalten. Auch das Bildungsniveau spielt dabei eine Rolle. RTL Publikum ist halt eher für „Bauer sucht Frau“ und das Geballer bei „Cobra 11“ zu begeistern. Der oft wenig actionreiche und eher sozialkritisch anspruchsvollere Tatort wird dagegen eher von Medienproduzenten, als von Medienkonsumenten gesehen. Und eben diese Produzenten produzieren sich auch auf Twitter, dem Kanal für „irgendwas mit Medien“ Typen. Das ist die Sache mit der Schnittmenge.

Der Tatort ist da, wo seine Zielgruppe ist.

Ganz offensichtlich hat man bei der ARD recht schnell erkannt, dass die Tatort Zielgruppe bevorzugt auf Twitter abhängt. Und man hat das getan, was Du auch tun solltest, wenn Du erfolgreich sein willst. Man ist dahin gegangen, wo die Zielgruppe ist. Und das war genau richtig.

Mit einem guten Social Media Team hinter @Tatort ist es der ARD gelungen, das bestehende Grundrauschen aufzunehmen und zu verstärken. Da wird während der Ausstrahlung diskutiert, Votings werden gebracht und auch vor und nach der Sendung wird den Fans auf Twitter eine Menge geboten.

Und genau an dieser Stelle tun sich fast alle anderen TV-Formate ungeheuer schwer. Abgesehen vom ZDF, das mit dem ZDI (Zweites Deutsches Internet) und einer Radikal-Verjüngung durch Formate wie heute+ und Neo Magazin noch gut mithalten kann, gibt es online keine ernsthaften Angebote. Vor allem die Privaten, deren Stern gerade im Sturzflug verbrennt, haben meiner Meinung nach noch keinen Weg gefunden, ihre Werbefernsehen-Masche im Netz zu etablieren.

Deswegen wird #Tatort das Fernsehen überleben:

Die Macher in den ARD Sendeanstalten haben die Bedürfnisse der Zielgruppe (Live-Talks und Online-Content) genau richtig verstanden. Deswegen ist der Tatort auch in der Mediathek stark. Und das ist der Jackpot. Denn in der Mediathek erwischt man die User, die eigentlich nur noch Netflix schauen und das lineare TV schon vergessen haben. Das sind die User von morgen. Und sie gucken heute Abend den Tatort.

Darum wird der #Tatort den Tod des Fernsehens überleben!

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Dieser Text ist zuerst erschienen auf www.blecke.de

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