Das Famework Framework: Wie aus der Arbeit in Rollen à la Holacracy ein Board wurde

Sarah Eisenmann
Digital Hills

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Inspiriert von Organisationskonzepten wie Holacracy und Frederic Laloux’s Buch Reinventing Organizations haben wir vor über einem Jahr unser eigenes Betriebssystem geschaffen. Ein zentrales Element aus diesem System ist das Famework Framework — unsere Antwort auf das Arbeiten mit Rollen und unser internes Steuerungstool. In diesem Artikel stelle ich Hintergründe, den Entwicklungsprozess sowie die Funktionsweise des Boards vor.

Als wir im Juli 2015 entschieden, die Eck Consulting Group strukturell in Eck Consulting (Beratung) und d.Tales (Agentur) zu trennen, nahmen wir dies zum Anlass unsere Struktur und Arbeitsweise bei Eck Consulting zu überdenken. Inspiriert von Organisationskonzepten wie Holacracy und Frederic Lalouxs Buch Reinventing Organizations haben wir uns mit Rollen, Meetingroutinen, Entscheidungsmechanismen, Lernformaten, Gehaltsvergabe etc. beschäftigt und sozusagen unser eigenes Operating System — kurz: OS — geschaffen.

Arbeiten in Rollen — was und warum?

Ein zentrales Element in diesem Prozess war die Diskussion, ob und wie wir die Prinzipien der Rollen aus Holacracy für unser OS nutzen können. Im Vergleich zu klassischen Job-Titeln würde man sich dann mit (mehreren) Rollen schmücken. Diese können in verschiedenen Bereichen verortet sein, häufiger wechseln und auch von mehreren Personen getragen werden. Für mich sind an einem solchen Rollenkonzept vor allem drei Dinge attraktiv: Die Orientierung an Organisationszielen, Perspektivenvielfalt & persönliche Weiterentwicklung sowie Transparenz, Dynamik und Anpassungsfähigkeit.

Dadurch, dass Rollen weniger eng an Personen gebunden sind , lassen sich persönliche Ziele und die der Organisation besser vereinbaren. Schließlich muss sich jeder in seine Rollen immer wieder neu hineinversetzen und trainiert damit die Differenzierung und Objektivität. Das übergeordnete Ziel rückt dadurch stärker in den Fokus als jene persönlichen Befindlichkeiten, die nicht damit einhergehen. Darüber hinaus verliert ein gewisser Zwang enorm an Gewicht, der die heutige Unternehmenspolitik an vorderster Front beherrscht: Die eigene Position zu stärken, komme was wolle — es geht schließlich um die eigene Karriereleiter. „Die Aktivitäten im POS-Bereich sollen runtergefahren werden? Niemals! Wie soll es mit mir als Head of Trade Marketing sonst nur weitergehen?“ Das Arbeiten und Denken in Rollen schafft dagegen mehr Freiheit, sich von dem Titel-Zwang zu lösen. Schließlich wird das eigene Tun in der Organisation nicht nur auf eine (fixe) Rolle reduziert. Das heißt, durch die bessere Trennbarkeit zum einen und die verringerte Abhängigkeit von Rollen zum anderen fällt es Personen leichter entlang den übergeordneten Zielen der Organisation zu handeln und zu argumentieren.

Darüber hinaus bringt die Tatsache, dass eine Person mehrere Rollen tragen und eine Rolle von mehreren Person eingenommen werden kann, weitere Vorteile. Zunächst bringt eine Person in seiner Rolle eine vergleichsweise größere Perspektivenvielfalt ein. Schließlich hat der Einzelne diverse Einblicke in das Geschehen an anderer Stelle in der Organisation, die nicht selten zu wertvollen Synergien führen. Zusätzlich zeigt sich die Organisation seinen Mitwirkenden durch die Rollen-Kultur als lebende Lernstätte für persönliche Weiterentwicklung. Rollen können im Idealfall nach eigenen Interessen, zeitlich befristet, übernommen werden — und das bereichsübergreifend. Wissenstransfer wird daher aktiv gelebt, Learning by Doing lautet das Credo.

Essenziell in der Arbeit mit Rollen ist außerdem die dadurch geförderte Transparenz, Dynamik und Anpassungsfähigkeit. Rollen bringen das aber nicht per se mit sich. Hier liegt der entscheidende Faktor in der Ausführung. Nämlich darin, dass feste und einfache Mechanismen geschaffen werden, über die Rollen vergeben, neu geschaffen und abgeschafft werden können. Das bedingt darüber hinaus eine transparente Kommunikation der Rollenbeschreibungen. Sicherlich gibt es verschiedene Wege das zu lösen. Ich möchte auf den Prozess aus Holacracy an der Stelle nicht tiefer eingehen, da es mir hier um den Grundsatz an sich geht. Wer sich näher für den Vergabeprozess von Rollen im Holacracy-Konzept interessiert, kann das beispielsweise im Ablauf der Governance Meetings nachlesen.

Mit diesen Argumenten im Gepäck machten wir uns also auf unsere Mission: Let’s rock & role! 😉

Die Mission: Unsere Arbeit in Rollen übersetzen

Also fingen wir an: Um Rollenbilder zu definieren, clusterten wir unsere aktuellen Tätigkeiten. Zunächst trennten wir Projektarbeit mit Kunden von allen internen Tätigkeiten. Dann gruppierten wir unsere Aufgaben nach Regelaufgaben, punktuell anfallende Tätigkeiten und einmaligen Projekten. Das Ziel war es, aus den Regelaufgaben und punktuell anfallenden Tätigkeiten Rollen-Cluster zu bilden.

Allerdings hatten wir sehr schnell das Gefühl, nicht auf das gewünschte Ziel zuzusteuern. Eine klassisch funktionale Clusterung wie Marketing, Vertrieb, Buchhaltung, People etc. machte bei uns wenig Sinn. Gerade bei einer Company-Größe von sechs Personen ist es nicht verwunderlich, dass nahezu jeder in den meisten Rollen tätig ist. Und wenn jeder alle Rollen trägt, tragen wir keine. Also mussten wir die Rollen kleiner schneiden. Doch in diesem Schritt merkten wir bald, dass wir unsere bestehende Flexibilität enorm einschränken würden, die wir so schätzen. “Kann ich jetzt nicht mehr selbst einen Tweet in die Welt schicken, nur weil ich die Twitter Rolle nicht explizit innehabe?” Die Befürchtung, Rollen würden uns eher dazu bringen, vorsichtiger im Umgang mit eigenverantwortlichem Nehmen von Aufgaben zu sein, machte uns skeptisch. Worte wie overengineered, überstrukturiert und gezwungen schmückten die Luft im Raum. Wir kamen also zu dem Ergebnis: Wir brauchen eine andere Lösung. Die Geburtsstunde unseres Famework Frameworks brach an.

Das Famework Framework: Unsere Antwort auf die Rollen-Struktur

Wir nahmen also einen Schritt zurück:
Was wollen wir eigentlich erreichen? Wofür wollen wir eine Struktur schaffen? Natürlich war es uns wichtig die Aspekte einzubringen, die uns am Rollenkonzept so gut gefielen: Raum für persönliche Weiterentwicklung und Perspektivenvielfalt, Argumentation orientiert an Organisationszielen sowie Transparenz, Dynamik und Anpassungsfähigkeit.

In der Ausgestaltung der Struktur war uns neben einer wie auch immer gearteten Trennung von Rollen und Personen zudem wichtig, eine Balance zwischen Raum für Eigeninitiativen und der Standardisierung von Regelprozessen zu finden und darüber hinaus eine ganzheitliche Perspektive auf unsere Aktivitäten zu eröffnen.

Fazit: Wir brauchten vor allem Transparenz über unsere Aufgabenfelder und mussten Zugang strukturiert ermöglichen. Plus: Das Ganze mit minimalem Struktur-Aufwand.

Vor diesem Hintergrund haben wir das Famework Framework Board gebaut. Der Aufbau ist recht simpel. In den Spaltenköpfen (orange) sind die Handlungsfelder unserer Company aufgelistet. Diese sind unterteilt in IP (kurz für: Intellectual Property), Marketing, Vertrieb, Wissensmanagement, Finanzen, People, Office und Projekte. Jede der Spalten ist zudem in drei Bereiche unterteilt, die jeweils die Art der Aufgaben widerspiegeln. Der erste Part beschreibt Regelaufgaben, die immer wieder anstehen. Der zweite Teil enthält Projektaufgaben, die wir innerhalb von zwei Wochen erledigen wollen. Der dritte Bereich der Spalten lässt dann noch Raum für Ideen und zukünftige Pläne, die als Backlog bzw. Pool für die zwei-Wochen-Zeile dient. Wer an welcher Aufgabe arbeitet, machen wir über farbige Büroklammern an den Post-Its sichtbar.

Wie arbeiten wir nun damit? In einem Rhythmus von zwei Wochen treffen wir uns zum General Update, einem 60- bis 90-minütigen Meeting zum Besprechen unserer Aktivitäten der letzten bzw. Planung der nächsten zwei Wochen. Dabei gehen wir die Spalten von Links nach Rechts einmal durch. Zunächst besprechen wir die Regelaufgaben und Projekte der letzten zwei Wochen. Dann schauen wir, ob wir zusätzliche Tasks aus Ideas & Plans in die nächsten zwei Wochen aufnehmen können, wenn die Zeit es zulässt bzw. diese etwa wegen Termindruck oder Umprioisierung relevanter werden.

Last but not least: Die HALL OF DONE. Das Feiern unserer Erfolge kommt oft zu kurz, daher haben wir eine Routine dafür geschaffen. Alles, was in den letzten zwei Wochen erledigt wurde, landet in der bei uns sehr beliebten HALL OF DONE. Sobald diese voller Post-Its hängt, gönnen wir uns ein Special-Fun-Team-Event. Vorschläge, was das sein könnte, werden ab Start einer neuen HALL OF DONE eingebracht. Termine finden wir in der Regel mit 1–2 Wochen Vorlauf.

Das Famework Framework: Ein Fazit

Nun, nachdem wir auf die Struktur und Funktionsweise des Boards geschaut haben, stellt sich natürlich die Frage: Wo ist nun der Link zu den Rollen? Haben wir damit erreicht, was wir wollten? Dazu ein kurzer Blick zurück zu unseren Zielen. Was wir wollten, war zum einen die allgemeinen Vorteile der Arbeit in Rollen…

Raum für persönliche Weiterentwicklung und Perspektivenvielfalt,

Argumentation orientiert an Organisationszielen

Transparenz, Dynamik und Anpassungsfähigkeit.“

…für uns nutzen und zum anderen die Ausgestaltung für uns anpassen…

„Balance zwischen Raum für Eigeninitiativen und der Standardisierung von Regelprozessen

ganzheitliche Perspektive auf unsere Aktivitäten zu eröffnen.

Plus: Das Ganze mit minimalem Struktur-Aufwand.“

Durch die Spiegelung unser Aktivitäten auf dem Board haben wir zunächst eine weitestgehende Trennung zwischen Personen und Aufgaben — quasi Micro-Rollen — geschaffen. Dadurch zum einen, und durch unsere Struktur, wie wir damit arbeiten, zum anderen, haben wir den Grundstein für die Arbeit in Rollen im Allgemeinen zunächst erfüllt. Kommen wir zu unseren besonderen Anforderungen in der Ausgestaltung. Innerhalb der Regelaufgaben haben wir zwar meist eine längere Zuständigkeit pro Thema — beispielsweise in der Buchhaltung, Analytics, oder Newsletter-Erstellung. Dennoch hat im General Update jeder die Möglichkeit anzubieten eine Regelaufgabe für die nächste Zeit zu übernehmen oder abzugeben. Wer sich derzeit darum kümmert, zeigen die farbigen Büroklammern.

In der 2-Wochen-Planung bilden wir zudem zu jedem neuen Thema eine neue Task Force. Es hat sich bewährt, einen Task Owner zu bestimmen, an den sich je nach Größe der Aufgabe weitere Kollegen dranhängen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, Aufgaben alleine zu übernehmen. Das entscheiden wir kollektiv im General Update. Dadurch, dass sich unsere Tätigkeiten sowohl aus den Regelaufgaben als auch den 2-Wochen-Tasks bzw. Ideas & Plans speist, lassen wir nicht nur viel Raum für Eigeninitiative, sondern schaffen uns einen ganzheitlichen Blick auf unser Tun.

Bisher konnten wir schon einige Learnings in der Arbeit mit dem Framework sammeln, die ich gerne hier teilen möchte. Zunächst wollten wir das Management einzelner Projekte andockbar machen, ohne dabei großen Aufwand zu erzeugen. Nehmen wir beispielsweise den Launch unseres Digital Hills Magazins. Hier machte es für uns Sinn einen Teil des Boards zeitweise über SCRUM separat abzubilden. Da wir vollen Fokus auf den Launch legten, hatten wir den Bedarf, ein kleinteiligeres Planning aufzustellen. Im General Update haben wir dann in den Spalten Marketing, Vertrieb und IP über Items aus dem SCRUM Board anstelle der Post-Its des Frameworks gesprochen. Ein weiteres Learning mit dem wir in der Arbeit mit dem Framework besser werden wollen, ist, dass wir die inhaltliche Besprechung der Regelaufgaben von der Verteilung der Rollen trennen. Dadurch schaffen wir für den Rollenvergabeprozess mehr Raum, beispielsweise durch einen gesonderten Slot im General Update.

Alles in allem haben wir aus unserer Sicht eine Minimum Viable Structure mit Micro-Rollen und hochdynamischen Prozessen entwickelt, mit der wir super gerne arbeiten. Nicht nur aufgrund der HALL OF DONE 🙂

Originally published at www.digital-hills.de on October 6, 2016.

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