“Ein CDO muss konstruktive Disruption schaffen”

Transformer in Chief — der CDO Talk #3 mit Markus Sontheimer, DB Schenker

Digital Hills
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7 min readOct 6, 2016

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Dies ist Teil 3 unserer neuen Serie CDOs aus Deutschland, in der wir die Chief Digital Officer deutscher Unternehmen zum Gespräch bitten. In unseren Interviews hinterfragen wir die Praxis der noch recht jungen Rolle in Unternehmen und sprechen über die aktuellen Herausforderungen und Chancen, denen sich Unternehmen im Zuge der Digitalisierung stellen müssen. Mit unserem aktuellen Gesprächspartner tauchen wir diesmal in die Welt der Logistik ein.

Unser nächster Gesprächspartner innerhalb der CDO-Reihe, Markus Sontheimer, hat eine spannende Doppelrolle beim Speditions- und Logistikunternehmen der Deutschen Bahn, DB Schenker inne: Er zeichnet nicht nur als Chief Information Officer für die IT-Belange des Konzerns verantwortlich, sondern wurde Mitte 2016 ebenfalls in die Position des Chief Digital Officers berufen. Markus Sontheimer ist damit für die beiden Ressorts IT und Digitalisierung zuständig.

Im Rahmen unserer Serie durfte ich Markus Sontheimer einige Interviewfragen zu seinen beiden Aufgabenfelder bei DB Schenker stellen. Besonders interessant dabei die Bündelung der Innovations- und Digitalisierungsprojekte in Personalunion sowie die unterschiedlichen Initiativen, Projekte und Bestrebungen, um DB Schenker fit für die digitale Zukunft zu machen. Diese reichen von Kooperationen mit Startups, datengetriebenen Geschäftsmodellen, dem Management von Wandel und Veränderung bis hin zur Entwicklung von Prototypen im Rahmen des Fraunhofer IML.

Markus Sontheimer, Foto: DB Schenker

Nicole Forrai: Was sind aus Ihrer Sicht die Aufgabenfelder eines CDO? Wie wird diese neue Rolle in der unternehmerischen Realität ausgefüllt und innerhalb des Konzerns wahrgenommen?

Markus Sontheimer: Der CDO ist in der Verantwortung, die Digitalisierung des Unternehmens zu führen. Dies bewerkstelligt er aber nicht alleine, das kann nur in Zusammenarbeit mit den anderen Vorständen geschehen. Hierfür muss der CDO gleichzeitig verschiedene Rollen als Innovationsscout, Berater, Entwickler und Change Manager vereinen. Dadurch ergibt sich ein Zusammenspiel welches sich im Englischen schön differenzieren lässt: Jeder Vorstand ist „Accountable“ für die Digitalisierung in seinem Bereich, der CDO ist „Responsible“ für die Digitalisierung im Unternehmen und federführend für die Entwicklung. Nur durch diese enge Zusammenarbeit lassen sich Trends und Entwicklungen im Markt oder im gesellschaftlichen Umfeld erkennen.

Auch das Ableiten von Maßnahmen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle kann nur gemeinsam erfolgreich passieren. Andernfalls ist die Gefahr groß, die Skaleneffekte der Organisation nicht zu nutzen und auch weiterhin Insellösungen zu schaffen. Der CDO hat die einmalige Chance, die historisch gewachsenen Fragmente eines Konzerns mittels Innovationen und Digitalisierungsprojekten zusammen zu führen. So wird ein echter Mehrwert geschaffen und die Zukunftsfähigkeit für das Unternehmen sichergestellt.

Mit 100 Mitarbeitern in die digitale Transformation

Nicole Forrai: Im Speziellen: An was arbeiten Sie gerade als Chief Digital Officer? Welche Themen beschäftigen Sie derzeit?

Markus Sontheimer: Neue digitale Angebote werden in absehbarer Zeit den Logistikmarkt stark verändern. Das bringt zum einen Chancen aber natürlich auch Gefahren für unsere bestehenden Geschäftsmodelle. Um auf diese rechtzeitig und angemessen reagieren zu können haben wir für uns entschieden, ein Pionier der Digitalisierung zu sein. Dazu treiben wir neue Marktplätze, Plattformen und Geschäftsmodelle voran. Nur so sind wir auch morgen für unsere Kunden attraktiv. Ich als Chief Information und Chief Digital Officer muss die Strukturen und das Klima schaffen, um diesen gewaltigen Wandel zu ermöglichen. Dafür haben wir im ersten Schritt den CDO auf Vorstandsebene etabliert und ein Ressort mit drei Abteilungen geschaffen. Dort arbeiten wir mit rund 100 Mitarbeitern daran, Innovationen und digitale Lösungen von außen in das Unternehmen einzubringen. Dabei haben wir erstmals auch ein Team von Experten zusammengestellt, das sich gezielt mit datengetriebenen Geschäftsmodellen beschäftigt und mittels Datenanalyse unsere Produkte und Dienstleistungen weiterentwickelt.

Gleichzeitig schließen wir uns mit Startups und Jungunternehmen zusammen. Wir haben erkannt, dass diese Kooperationen einen Geschwindigkeitsvorteil bieten, der sich durch nichts ersetzen lässt. Um hier ein Beispiel zu nennen: Wir sind kürzlich eine Kooperation mit der amerikanischen Frachtbörse uShip eingegangen. Hier etablieren wir eine Frachtenbörse im europäischen Landverkehr. Für unsere Partner erhöht sich dadurch die Auslastung und für unsere Kunden ermöglichen wir gleichzeitig eine schnellere und flexiblere Lieferung. Das Endprodukt wird Ende 2016 unter dem Namen Drive4Schenker live gehen.

Nicole Forrai: Wenn wir noch einmal genauer nachhaken dürfen: Sie tragen laut Profilangabe in XING neben CDO, „Chief Digital Officer“ auch den Titel CIO, also „Chief Information Officer“. Was unterscheidet beide Rollen voneinander? Wie wichtig ist Ihrer Erfahrung nach das IT-Know-how für den CDO und welche anderen Kompetenzen braucht er?

Markus Sontheimer: Informationstechnologien sind inzwischen ein Grundbedürfnis von Unternehmen. Neben der technischen Verantwortung ist der CIO ein vollwertiger Manger mit Programmen, Prozessen und maßgeblicher Beteiligung an den Transformationsprozessen. Um als CIO erfolgreich zu sein darf man sich nicht nur auf Implementierung und Betrieb von Technik begrenzen, Beratung und aktives Mitgestalten um technologische Neuerungen in Produkten und Prozessen zu verankern sind Kernaufgaben eines modernen CIO. Ohne dieses Triumvirat reduziert sich der CIO auf die Rolle des Dienstleisters und trägt so dazu bei, technische Neuerungen von seinem Unternehmen fern zu halten. Dabei darf er aber die traditionellen Tagesthemen eines CIO nicht vernachlässigen, IT-Infrastruktur, Bebauungsplanungen, Dienstleister Auswahl und Steuerung, Sicherheit und Stabilität der IT-Systeme und Softwareentwicklung/-pflege sind auch nach wie vor in den Kernaufgaben.

Der CDO hingegen muss konstruktive Disruption schaffen und ist dafür mit der Kompetenz ausgestattet, weitreichende fachliche Veränderungen in das Unternehmen zu bringen. Er muss diese Kompetenz nutzen um Bestehendes in Frage stellen zu dürfen und darf auch keinesfalls vor einer Diskussion über bestehende Produkte, Services oder Prozesse zurückschrecken. Der CDO muss bedeutend radikaler und konsequenter vorgehen; der Schwerpunkt seines Handelns liegt auf neuen Technologien. Um diese für das Unternehmen nutzbar zu machen, darf er auch vor Paradigmenwechseln keine Angst haben!

Nicole Forrai: Was halten Sie von der provokanten These, ein guter CDO würde sich selbst „abschaffen“?

Markus Sontheimer: Ein Unternehmen muss sich konstant verändern. Heutzutage ist die Geschwindigkeit der Veränderung so hoch, dass der CDO als Spezialist hierfür benötigt wird. Dieser muss den Markt, die Konkurrenz und das gesellschaftliche Umfeld ständig beobachten und die potentielle oder vorhandene Disruption für das Unternehmen nutzen. Theoretisch ist der resultierende Transformationsprozess irgendwann abgeschlossen und damit der CDO nicht länger notwendig. In der Realität ist die Anzahl der Disruptoren die aus der digitalen Welt auf Dienstleistungsunternehmen zukommen groß. Bei diesem konstanten Strom der Veränderung halte ich es nicht für möglich, die Rolle des CDO wieder abschaffen zu können.

Das »DB Schenker Enterprise Lab for Logistics and Digitization« verbindet die Forschung und Entwicklung des Fraunhofer IML mit der zukunftsorientierten und internationalen Ausrichtung von DB Schenker. Foto: Website

Nicole Forrai: Was bedeutet „digitale Transformation für DB Schenker“? Und wo steht DB Schenker gerade in diesem Prozess der Transformation?

Markus Sontheimer: Für DB Schenker ist die digitale Transformation der einzige Weg, um zukünftige Erfolge im hart umkämpften Logistikmarkt nachhaltig sicher zu stellen. Wir haben das Thema daher auf der Vorstandsebene etabliert. Wir stehen aktuell an der Grenze der ersten 100 Tage CDO Organisation.

Nicole Forrai: Was sind die großen Chancen und Herausforderungen, vor denen Sie als CDO von DB Schenker aktuell stehen? Wie gehen Sie diese an?

Markus Sontheimer: Die Herausforderung besteht darin, aus der gesamten Bandbreite an Möglichkeiten die Auswahl der Themen, die wir weiter verfolgen wollen sinnvoll zu kanalisieren. Für die Megatrends wie autonomes Fahren haben wir natürlich eine Roadmap und arbeiten mit Partnern daran, gemeinsam die Ersten zu sein, die eine wirtschaftliche sinnvolle Lösung in der Logistik anbieten zu können. Hinzu kommt die Komplexität Neues in die bestehende Landschaft zu integrieren: Wir haben bei vielen Themen keine grüne Wiese und müssen bestehende Applikationen und Abläufe mit neuen Strukturen, Herangehensweisen und Methoden verflechten.

Nicole Forrai: Welche Rolle spielen Change, Kulturwandel und Mindset-Themen in der Ausübung Ihrer Tätigkeit als CDO? Würden Sie sich selbst als „Transformer in Chief“ bezeichnen?

Markus Sontheimer: Den Begriff „Transformer in Chief“ sagt mir jetzt erstmal nichts. Aber die Fähigkeit signifikanten Change zu managen sollte im Werkzeugkasten jedes guten Managers sein. Der CDO muss diese Fähigkeit beherrschen und anwenden, er darf aber nicht der Einzige im Unternehmen sein der das tut. In unserem Modell sind alle Vorstände ‚Accountable‘ für ihre fachliche Domäne und haben daher selber ein großes Interesse die Transformation mit anzuführen.

Nicole Forrai: Mit dem DB Schenker Enterprise Lab for Logistics and Digitalization im Frauenhofer Enterprise Lab Center arbeiten Sie daran, das Logistiksystem der Zukunft zu entwickeln. Wie sieht dieses in Ihrer Vision aus und welche Hürden gilt es, zu nehmen?

Markus Sontheimer: Unsere Vision ist gemeinsam mit dem Frauenhofer IML Lösungen zu entwickeln, die wir anschließend zusammen mit unseren Kunden anwenden können. Dabei arbeiten wir jetzt schon mit Kunden zusammen, die auf zukunftsorientierte Lösungen setzen. So können wir die im Labor getesteten Prototypen in einer Produktionsumgebung zur Serienreife bringen. Unseren Kunden ermöglichen wir so einen individuellen und innovativen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.

Nicole Forrai: Herr Sontheimer, ich bedanke mich für das Interview!

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Das nächste Interview der Serie erscheint in Kürze. Seien Sie gespannt und verpassen Sie nicht das CDO-Interview #4! Abonnieren Sie einfach unseren Newsletter, um es nicht zu verpassen.

Originally published at www.digital-hills.de on October 6, 2016.

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Nicole Forrai
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Passionate for organizationaldesign & people striving for their purpose. Convinced about intuition in business. Interdisciplinary thinking, generalist.