Meinungsmache durch SocialBots und Hashtags

Claudia Sommer
Digital Nitro
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4 min readOct 27, 2016

Allerorten wird derzeit über SocialBots, Hashtags, und sonstigen Kampagnen-Tools diskutiert. Ich finde diese Diskussionen etwas kleinteilig und zuweilen auch grotesk. Ein Verbot von SocialBots z.B. ist nicht nur unsinnig, sondern auch realitätsfern.

Auch sind SocialBots & Co nicht per se gefährlich, wie momentan im politischen Berlin kol­por­tie­rt wird.

Man kann mit diesen Tools sehr viel sinnvolles anstellen, zum Beispiel eine Kampagne für eine gute Sache führen oder aufwändige Arbeiten von SociaBots automatisieret durchführen lassen. Es gibt vielfältige positive Einsatz-Szenarien und soweit ist auch alles prima.

Nur ist es wie immer mit technologischem Fortschritt: Es gibt zwei Seiten der Medaille.

Schon 2009 als sich die Netzgemeinde gerade zu euphorisch über den Internet-Wahlkampf von Barack Obama gezeigt hat, gab es auch kritische Stimmen, die da rauf aufmerksam gemacht haben, was passieren kann wenn ein nicht ganz so angenehmerer Zeitgenosse ebenso geschickt das Internet und modernste technische Entwicklungen nicht zur Kommunikation sondern zur Agitation einsetzt.

Diese Stimmen verhallten damals, im allgemeinem Jubel, ungehört. Und wie so eine Agitation digitalisiert in modernen Zeiten aussieht, können wir gerade alle wunderbar an Mr. Trump beobachten.

Auch hierzulande macht sich zunehmend Sorge breit, jemand könnte es Trump gleich tun und diese Sorge ist ja nicht ganz unberechtigt. Die AfD z.B. hat ja schon angekündigt SocialBots selbstredend als Kampagnen-Tool einzusetzen.

Und ganz allgemein treibt es manchen um, dass die öffentliche Meinung gefährlich beeinflusst wird oder werden könnte. Man kann das an sehr rudimentären Beispielen demonstrieren, dass es nicht viel braucht um z.B. absurde Micro-Öffentlichkeiten zu kreieren.

Nun mag der ein oder andere einwenden, dass er/sie davor gefeit ist solchen plumpen Beeinflussungen auf den Leim zugehen und das diese Mikro-Öffentlichkeiten ja keine bis kaum Relevanz haben.

Genau hier fängt mein Problem mit der ganzen Diskussion um SocialBots & Co an.

Erstens gehen wir alle tagtäglich irgendwelchen Beeinflussungen auf den Leim. Man braucht hier nur das AIDA Modell als Beispiel anführen.

Zweitens gibt es nicht „die eine Öffentlichkeit“. An dem Versuch Öffentlichkeit wissenschaftlich zu generalisieren, sind schon eine Menge intelligenter Menschen gescheitert. Eine Öffentlichkeit bündelt immer Einzelinteressen und die sind vielfältig. Alleine dieser Umstand macht es unmöglich von der einen Öffentlichkeit zu sprechen. Nicht umsonst spricht man auch von Mikro- und Makro-Öffentlichkeiten.

Im Gegensatz zu früher, können Dank des Internets und innovativer Kommunikationstools aus Mikro-Öffentlichkeiten wesentlich schneller relevante Makro-, bzw. Gegen-Öffentlichkeiten entstehen. NGOs nutzen diesen Umstand in den letzten Jahren recht erfolgreich für Kampagnen und Agenda Setting.

Nur ist Grad zwischen Agenda Setting, Meinungsmanipulation und Propaganda ein schmaler. Dies ist das Problem welches wir diskutieren müssen.

Foto: Raphaël Labbé

Es lässt sich nicht negieren, dass durch den technologischen Fortschritt auch Propaganda digitalisiert und demokratisiert wird. Das Paradebeispiel für moderne und innovative Propaganda ist ISIS.

Die Diskussion um SocialBots oder Hashtag-Kampagnen, Filter-Bubbles usw. gehen meines Erachtens am Kern des Problems vorbei.

All das sind nur Tools.

Es geht darum wie wir uns vor Meinungsmanipulation in einer digitalisierten Welt durch Propaganda schützen und wie wir Propaganda enttarnen. Mit welchem technischen Mitteln Propaganda ausgeführt wird ist sekundär.

Primär ist die klare Benennung des Problems:

Durch die Digitalisierung von Propaganda stehen selbst relativ kleinen Gruppierungen ein ganzes Arsenal an wirkmächtigen und kostengünstigen Tools zur Verfügung, um ihre Agitation voranzutreiben.

Nie war es einfacher Meinungen zu manipulieren, Ängste zu schüren, eine gezielte Bildsprache unter die Leute zu bringen. Und je wirkmächtiger etwas scheint, desto anschlussfähiger ist es. Hier drin liegt die Gefahr und nicht in SocialBots als solches. Filter-Bubbles und Hashtag-Kampagnen initiiert durch SocialBots sind willkommene Effekte für Agitatoren, denn sie lassen sie wirkmächtiger erscheinen, als sie sind.

Propaganda kann man nur durch Enttarnung entgegentreten und nicht durch Verbote bzw. gesetzlichen Regelungen zur Nutzung von SocialBots, wie von Renate Künast angeregt. Es hat ja auch nach dem 2. Weltkrieg niemand ernsthaft gefordert Radios zu verbieten.

Wir sind alle gefordert und insbesondere gesellschaftliche Institutionen, wie der Bildungsbereich, Medien und die Politik die Propaganda zu adressieren und zu enttarnen.

Aber auch die Netzgemeinde ist gefordert und das Negieren eines Problems weil es der eigenen Euphorie gegenüber dem Internet zuwiderläuft, ist alles andere als hilfreich.

Es ist gut, dass Menschen Diskurse dazu initiieren, Bildungseinrichtungen dazu forschen und Medien darüber schreiben.

Ich halte es für fatal dem Glauben zu erliegen, das Netz regelt das schon von selbst.

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Claudia Sommer
Digital Nitro

A passionate visionary with over 20 years of experience in the digital world, strategically, creatively and technically