Zuckerberg möchte aus der Filterbubble abgeholt werden

Claudia Sommer
Digital Nitro
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5 min readNov 11, 2016

Seit dem fulminanten Sieg von Donald Trump bei US-Wahl, wird allerortens darüber diskutiert wie das denn überhaupt passieren konnte. Die Gründe sind vielfältig und vielschichtig. (Siehe unten)

Das Filterbubble-Phänomen in Kombination mit dem Facebook Newsfeed sind einer der Gründe für Trumps Sieg.

Dazu und zu anderem wurde Mark Zuckerberg auf der Techonomy Konferenz interviewt.

Die Ausführungen von Mark Zuckerberg zum Wahlausgang und der Rolle von Facebook dabei lassen einen stauen, denn es ist mehr als offensichtlich, dass der Facebook Newsfeed Filterbubbles kreiert, nicht ausgewogene, sowie falsche Information verbreitet und auch kaum bis keine qualitative Gewichtung vornimmt, bzw. die Quelle eines Posts nicht zu einer qualitativen Bewertung heranzieht.

Selbst in der rein visuellen Darstellung des Newsfeeds, wird keine Unterscheidung vorgenommen zwischen „Propagandistic Content“ und zum Beispiel geprüftem „Journalistic Content“.

Nun hätte man auf Grund der oben genannten Tatsachen einen selbstkritischen Mark Zuckerberg erwarten können, aber das Gegenteil war der Fall.

Mark Zuckerbergs Selbstkritik beschränkte sich darauf einzugestehen, dass der Newsfeed ein unfertiges Produkt ist welches permanent weiterentwickelt wird. Nun hat aber eben jenes Produkt signifikanten Einfluss auf die Meinungsbildung von Menschen, denn Facebook ist eine gigantische virtuelle soziokulturelle Einrichtung. Insofern ist es unverantwortlich als CEO eines milliardenschweren Unternehmens sich auf eine „Trail&Error“ Argumentation zurückzuziehen. Denn „Errors” können gravierende Auswirkungen haben wie wir nun alle wissen.

Und als wäre dies nicht schon bedenklich genug, lassen die weiteren Ausführungen von Mark Zuckerberg aufhorchen.

Anstatt sich mit der Verantwortung von Facebook auseinanderzusetzen, versucht er sich in Verallgemeinerungen wie zum Beispiel, dass das Bildungsniveau auch einen Teil zum Wahlausgang beigetragen hat. Das mag wohl sein, nur ändert das nichts an der Verantwortung die Facebook auf Grund eines schlechten Produkts trägt.

Auf Nachfrage nach welchen Kriterien der Newsfeed entwickelt, bzw. weiterentwickelt wird, wird sehr deutlich, dass es fast nur um quantitative Kriterien geht. Dass so ein Ansatz nicht wirklich zur Produktqualität beiträgt, ist hinlänglich bekannt, aber darum geht es hier nicht.

Abenteuerlich wird es als Mark Zuckerberg gefragt wird, welchen Sinn und Zweck denn der Newsfeed hat, was die Mission von Facebook ist und welche Rolle der Newsfeed in Demokratien spielt.

Zusammenfassen lassen sich seine Antworten wie folgt:

  • Wir geben User was sie haben wollen
  • Unsere Aufgabe ist es den User sinnvollen Content zu liefern
  • Unsere Forschung sagt, dass die Bubbel kein signifikantes Problem ist
  • Die Schwarmintelligenz bzw. die Intelligenz der Menschen bilden ein ausreichendes Korrektiv
  • Gesellschaftliche Werte sind in jedem Land anders

An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, ob Mark Zuckerberg sein eigenes Produkt überhaupt kennt, aber der Reihenfolge nach.

Die Aussage „Wir geben Usern was sie haben wollen“ macht natürlich in der Produktentwicklung erstmal Sinn, aber auch hier spielen Ethik und Moral eine Rolle. Es ist ethisch und moralisch nicht immer vertretbar Usern einfach das zugeben was sie wollen.

Und auch ein hochkompetitives Umfeld ist keine Entschuldigung dafür jegliche Ethik über Bord zu werfen.

Seinen Usern sinnvollen Content zu liefern, ist natürlich bei so einem Produkt unabdingbar. Nur zählen Hatespeech, diskriminierender Content, Propaganda, Lügen und ähnliches sicherlich nicht dazu. Hier wird mehr als deutlich, wie schlecht das Produkt Newsfeed ist.

Dann führt Mark Zuckerberg aus, dass Facebook natürlich permanent versucht die Qualität seiner Produkte zu verbessern. Der Kampf gegen Clickbaits zum Beispiel. Nun ja, diese schaden ja auch direkt dem Geschäftsmodell von Facebook. Es wäre wirklich wünschenswert Facebook würde sich anderen qualitativen Problemen seiner Produkte genauso engagiert widmen.

Mehrmals verweist Zuckerberg auf eigene Forschungsergebnisse, die angeblich belegen, dass das Filterbubble-Phänomen kein signifikantes Problem ist, ebenso seien Fake-News kein bedeutungsvolles Problem. Nun es wäre hilfreich wenn Facebook diese Forschungsergebnisse veröffentlichen würde, so dass sie einem Peer-Review Verfahren zugänglich sind. So haben diese angeblichen Ergebnisse keinerlei wissenschaftlichen Wert.

Zuckerberg vertraut ansonsten voll und ganz auf die Intelligenz der Menschen als Korrektiv und propagiert ja schon seit längerem das Counterspeech-Konzept. Prinzipiell können diese Mechanismen wirken, aber eben nicht wenn die User in einer Filterbubble stecken, denn dort ist zum Beispiel niemand der zu einer Counterspeech ansetzen könnte.

Gesellschaftliche Werte sind laut Zuckerberg in jedem Land anders. Das ist richtig, aber von einem amerikanischen Unternehmen kann durchaus erwartet werden freiheitliche und demokratische Grundprinzipien zu achten und zu fördern. Das ist ja selbst seit Jahrzehnten Leitlinie der amerikanischen Aussenpolitik.

Hier wird der Mangel an „Good Corporate Governance“ überdeutlich. Auch auf Nachfrage wird klar, dass es keine institutionalisierte Prozesse zu „Good Corporate Governance“ bei Facebook gibt. Formal erfüllt Facebook die Mindestanforderungen von Corporate Governance und versucht ein nicht ganz so klimaschädliches Unternehmen zu sein.

Ansonsten beschränkt sich „Corporate Governance“ auf die Ansichten und Werte des Facebook Managements. Mehrmals versicherte Mark Zuckerberg „I personally care about…“. Was Mark Zuckerberg persönlich denkt was ihm wichtig ist, ist in freien und demokratischen Ländern nicht der Maßstab für Ethik und Moral. Genau deshalb gibt es Prozesse für „Good Corporate Governance“. Es mag verwunderlich sein, dass dies bei einem Unternehmen dieser Größenordnung nicht vorhanden ist, aber bei genauerem Hinsehen, verwundert es nicht mehr, wenn Boardmember Peter Thiel für Governance zuständig ist. Das Thiel von Moral und Ethik nicht viel hält ist hinlänglich bekannt.

Es darf von einem Unternehmen, welches für sich in Anspruch nimmt die Welt zu verbessern und mit Milliarden von Dollar bewertet ist, erwartet werden eine gute Unternehmensführung zu praktizieren, wo „Good Corporate Governance“ selbstverständlich implementiert ist.

Das Interview von Zuckerberg zur US-Wahl belegt eindrucksvoll welche Lücken sich bei Facebook auftun und wie fehlerhaft und unethisch die Facebook Algorithmen sind.

Das Filterbubbles kein Problem darstellen widerlegt Zuckerberg eindrucksvoll selbst, denn zu solchen Ausführungen wie den seinen, kann man nur kommen, wenn man selbst in einer Bubble lebt.

Das Interview in voller Länge:

UPDATE:

Zuckerberg zeigt sich immer noch gänzlich uneinsichtig:

Weitere Gründe warum Trump die Wahl gewonnen hat:

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Claudia Sommer
Digital Nitro

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