Warum wir uns für Fix-Gehälter entschieden haben

Frank Scheffler
Digital Frontiers — Das Blog
6 min readSep 23, 2019
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Als Mitbegründer von Digital Frontiers führe ich oft Interviews mit zukünftigen Mitarbeitern. Dabei sprechen wir selbstverständlich auch über das Gehalt und gleicht seine gegenseitigen Erwartungen ab. Neben dem eigentlichen Jahresgehalt spielt dabei aber auch das Gehaltsmodell eine wesentliche Rolle. Entgegen dem Trend haben wir von Anfang an auf Fix-Gehälter gesetzt. In diesem Post möchte ich unsere Motivation dafür erläutern.

Geld als Motivator

Geld regiert ja bekanntlich die Welt. Doch inwieweit trifft das auch auf uns als Mitarbeiter zu? Mit 30 die erste Million, mit 40 in Rente gehen: Wer hat nicht schon mal daran gedacht, wie es sich anfühlen müsste, derart sorgenfrei leben zu können? Regiert das Geld, also letztlich unser Gehalt, somit unser Handeln? Wie so oft lautet die Antwort: “ja und nein”!

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Sofern wir nicht in die privilegierte Situation geboren wurden, uns von Geburt an um Geld keine Sorgen machen zu müssen, sind wir auf unser Einkommen in Form eines Gehalts angewiesen. Gemäß der Maslowschen Bedürfnispyramide deckt es in erster Linie unsere physiologischen und Sicherheitsbedürfnisse ab. Ob wir unsere Miete zahlen und unsere Familie ernähren können, hat also durchaus einen Einfluss auf unsere Motivation und somit unser Handeln. Wenn man sich um seine Existenz sorgen muss, ist man weniger entspannt. Der Grundstein für kreatives Schaffen fehlt. Ein zu geringes Gehalt wirkt daher (zumindest auf Dauer) eher als Demotivation denn als Antrieb zur Selbstverwirklichung.

Als sogenannte Knowledge Worker, als die wir in unserer Branche ja gelten, ist es daher wichtig, dass wir genug verdienen, um uns keine Sorgen machen zu müssen. Für die eigentliche Kreativität, die sich uns uns selbst verwirklichen lässt, bedarf es allerdings vielmehr des richtigen Arbeitsumfelds. Dieses zeichnet sich zum Beispiel aus durch:

  • herausfordernde aber nicht überfordernde Aufgaben und Projekte
  • Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen anstatt nur verantwortlich gemacht zu werden
  • Kollegen die einen fordern und fördern
  • Freiräume zum Experimentieren anstatt strikter Vorgaben
  • Führungskräfte, die dieses Umfeld ermöglichen, anstatt klassische Manager

All dies sind Faktoren, die man sich mit dem Gehalt allein nicht erkaufen kann. Dies gilt sowohl für Arbeitgeber, die glauben, man könne sich mit genügend Geld Motivation erkaufen, aber eben auch für Mitarbeiter, die sich lediglich an ihr Gehalt klammern und sich damit manchmal selbst in einen goldenen Käfig sperren.

Zielerreichungen als Gehaltsbestandteil

Neben den soeben genannten Aspekten und der absoluten Höhe des Gehalts hat das Gehaltsmodell, also die Aufteilung und damit verbundenen Zielsetzungen der verschiedenen Bestandteile, einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation und Kreativität der Mitarbeiter. Obwohl es in der IT-Beratungsbranche sehr verbreitet ist, den Kunden verrechenbare Zeit als maßgebliche Größe für den sogenannten variablen Gehaltsanteil anzusetzen, kommt es nicht selten vor, dass das damit einhergehende Modell dermaßen durch Sonderregelungen verkompliziert wurde, dass man geschlagene 30 Minuten braucht, um es einem neuen Mitarbeiter im Bewerbungsgespräch überhaupt zu erklären.

Dabei klingen die zugrundeliegenden Ideen solcher Modelle auf den ersten Blick gar nicht schlecht:

  1. Die variable Vergütung des Mitarbeiters steigt oder fällt mit der Zeit, in der er in Kundenprojekten eingesetzt wird.
  2. Der Mitarbeiter kann also sein Gehalt selbst sowohl positiv als auch negativ beeinflußen.
  3. Arbeitgeber und Mitarbeiter teilen sich unternehmerisches Risiko und Chancen (zumindest in begrenztem Umfang).
  4. Durch einen höheren variablen Gehaltsanteil werden insgesamt höhere Gehälter ermöglicht.
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Leistung zahlt sich endlich wieder aus!

Und genau hier liegt gleich der erste Trugschluss. Die Leistung eines Mitarbeiters sollte niemals rein quantitativ betrachtet werden.

Niemand würde schließlich bei einer Handwerkerrechnung nur auf die geleistete Zeit achten.

Die Qualität der Arbeit, welche sich letztlich in Kundenzufriedenheit auf der einen und Marktwert der Mitarbeiter auf der anderen Seite widerspiegelt, wird bei solchen Modellen ignoriert. Ein Mitarbeiter, der im Vergleich zu einem anderen dieselbe (oder ggf. sogar schlechtere) Qualität in der doppelten Zeit abliefert, wird durch ein solches Modell sogar belohnt.

Ein weiteres Problem ist die direkte Beeinflussbarkeit, welche fälschlicherweise allzu gern als Vorteil herausgestellt wird. Niemand würde das Gehalt eines Entwicklers gemessen an den Lines of Code, die er erstellt, auszahlen. Wie lange würde es bei einem solchen Modell dauern, bis die ersten Code-Generatoren Einzug ins Projekt halten? Und wie stünde es in einem solchen Fall um die Qualität und Verständlichkeit des Codes? Wenn überhaupt, dann dürfen Zielsetzungen nur indirekt beeinflussbar sein, wie zum Beispiel der Firmenerfolg, zu dem der Mitarbeiter ja schließlich beiträgt. Dazu trägt er nämlich zum Beispiel auch bei, indem er sich ständig (siehe 20%-Zeit) weiterbildet, die Firma auf Konferenzen vertritt oder Artikel und Blog-Posts veröffentlicht, was schließlich seinen Marktwert und somit dem erzielbaren Umsatz zugute kommt.

Darüberhinaus muss es im Interesse des Arbeitgebers liegen, dass seine Mitarbeiter miteinander kooperieren, indem sie sich regelmäßig zu Projekten und Themen austauschen, ihr Wissen teilen und gemeinsame Lösungen erarbeiten. Allzu oft wird dies jedoch durch den Arbeitgeber selbst verhindert, indem er seine Mitarbeiter gemäß der Fokussierung auf Stundenverrechenbarkeit zwingt, ausschließlich Zeit für den Kunden aufzuwenden.

Abschließend gilt es noch einen oft verkannten Nachteil jedweder gehaltsgebundener Zielerreichungen zu erwähnen: Sie üben bestenfalls eine sehr geringe Motivation aus, bergen aber das Risiko hoher Demotivation, sofern sie nicht eintreten. Das liegt zumeist daran, dass solche variablen Gehaltsbestandteile als sogenanntes Zielgehalt für ein Jahr angesetzt werden. Der Mitarbeiter hat also bereits die Erwartung, dieses (feste) Ziel zu erreichen. Und obwohl es dabei teils um hohe Anteile des Gehalts geht, ist der Belohnungseffekt für den Mitarbeiter gefühlt nur sehr gering, während er zum Beispiel einen unerwarteten Bonus als nachträgliche Würdigung seines Engagements viel mehr zu schätzen weiß.

Fix-Gehälter bei Digital Frontiers

Die Nachteile und Risiken variabler Gehaltsmodelle waren für uns bei Digital Frontiers der Grund dafür, von Anfang an auf Fix-Gehälter für unsere Mitarbeiter zu setzen.

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Als agil aufgestelltes Unternehmen wollen wir stets auf die Anforderungen unserer Kunden reagieren können und tun dies selbstorganisiert. Zielvereinbarungen auf Jahressicht für unsere Mitarbeiter festzulegen, würde uns dabei viel zu sehr einschränken. Die damit verbundene Bürokratie zur Vereinbarung und Messung der Zielerreichung würde uns wertvolle Zeit kosten.

Vielmehr konzentrieren wir uns darauf, unseren Mitarbeitern (neben ihrem Fix-Gehalt) ein Arbeitsumfeld zu bieten, welches unsere agile Kultur unterstützt. Dazu zählt auch, dass man sich nicht ständig Gedanken um sein Gehalt machen muss, sondern sich im Rahmen unserer 20%-Zeit kreativ entfalten kann. Das unternehmerische Denken unserer Mitarbeiter wird dadurch sogar gefördert. Denn anstatt rein auf die Zeit beim Kunden fokussiert sein zu müssen, animieren wir unsere Mitarbeiter so, die qualitativ besten Lösungen zu finden.

Dem Argument, es gäbe ja vereinzelt auch Mitarbeiter, die ein solches System ausnutzen würden, begegnen wir in Diskussionen oft. Allzu häufig werden daher komplexe Regelwerke geschaffen, mit dem Anspruch den möglichen Missbrauch zu verhindern und die Kontrolle zu wahren. Betrachtet man jedoch den prozentualen Anteil an der Belegschaft, für den solche Regeln erstellt werden, so wird schnell klar, dass man den Großteil der Belegschaft damit unnötig reglementiert. Dies führt insgesamt zu mehr Unzufriedenheit und Misstrauen in der gelebten Firmenkultur.

Wir sind davon überzeugt, dass hier weniger mehr ist, und vertrauen darauf, dass unsere Mitarbeiter wissen, was das Richtige für Digital Frontiers ist.

Ich freue mich über Fragen und Anregungen zu diesem Post. Wie immer findet ihr mich auch auf Twitter.

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