Checkliste für die CMS-Evaluation

Es gibt mehr Content Management Systeme (CMS) auf dem Markt als Sand am Meer. Sich hier einen Überblick zu verschaffen, ist Schwerstarbeit. Ein System zu finden, das sowohl viel kann, hoch performant und sicher ist, als auch gut erweiterbar und dokumentiert ist, braucht ein glückliches Händchen und viel Erfahrung.

Dragan Nikolic
durchdacht
6 min readFeb 11, 2019

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Welche Merkmale machen ein gutes CMS aus? Worauf soll ich achten? Welche Fragen stelle ich einer Web-Agentur, wenn ich eine Website mit CMS in Auftrag gebe? Es gibt immer noch eine grosse Diskrepanz zwischen Entscheidungsträgern und Autoren, was die Auswahl eines passenden CMS betrifft. Während bei Entscheidungsträgern meist Faktoren zählen wie Bekanntheitsgrad, Support, Sicherheit, Preis etc., sind es bei Autoren meist ganz andere Dinge. Nicht zuletzt die Usability.

Eine kleine, aber durchdachte Checkliste

1. Gibt es eine Demo?

Sie möchten nicht «die Katze im Sack» kaufen. Bemühen Sie sich im Rahmen der Evaluation bereits um einen Test-/Demo-Zugang, damit Sie sich ein konkretes Bild vom Produkt machen können. Wirkt es auf den ersten Blick intuitiv oder sieht es eher so aus, dass ein mehrtägiger Grundkurs nötig ist, um effizient damit zu arbeiten?

2. Ist das CMS open-source?

Wir empfehlen, darauf zu achten, ob das Produkt open-source ist. Die Gefahr einer «Black Box» ist gross, wenn Sie später einmal Daten migrieren wollen. Oder wenn der Produktanbieter plötzlich von einer anderen Firma aufgekauft wird, die das Produkt einstampft.

3. Rich-Text-Editor

Wie gut ist so ein Rich-Text-Editor zu bedienen?

Ist es möglich,

  • eigene Absatzformate zu definieren?
  • die Buttons selber anzuordnen und auszuwählen?
  • Material aus einem MS-Office Dokument zu kopieren und einzufügen?
  • stabile, semantisch korrekte Tabellen zu erstellen und zu bearbeiten?

Gibt es eine integrierte Rechtschreibprüfung?

4. Benutzerverwaltung und Berechtigungen

Wie granular können Berechtigungen fürs Erstellen, Bearbeiten und Löschen von Inhalt gesetzt werden? Können Sie mit einfachen Mitteln einen geschützten Bereich erstellen?

5. Bilder und Asset Management

Gibt es eine riesengrosse Mediathek, wo Sie nach ein paar Monaten nichts mehr finden, weil es Tausende von Bildern gibt? Sind die Dateien durchsuchbar?

Ist es möglich,

  • Bilder im CMS auszuschneiden?
  • Kopien zu erstellen?
  • die Bildgrösse zu ändern?
  • die Dokumente mit Tags und anderen Metadaten zu versehen?
  • Alternativtexte und Bildlegenden zu definieren?

Unterstützt das CMS Picture-Sourcesets (d.h. das Ausliefern eines Bildes in unterschiedlichen Auflösungen, optimiert für das Zielgerät)? Können Autoren den Fokuspunkt im Bild definieren, um sicherzustellen, dass beim dynamischen Zuschneiden des Bildes nicht das Wesentliche rausgeschnitten wird?

6. Mehrsprachigkeit

Hier gibt es grosse Unterschiede in der CMS-Welt. Wir haben beim Evaluieren von CMS Beispiele gesehen, die wir keinem Kunden zutrauen möchten. Bei mehrsprachigen Websites kann man erstaunlich viel falsch machen. Kann man beispielsweise wirklich alle Texte im CMS übersetzen? Also auch die Texte für Formular-Labels, Interaktions-Buttons in Slideshows oder sonstige Javascript-Komponenten?

7. Versionierung

Falls Ihnen wichtig ist, dass ältere Versionen von Seiten und Dateien gespeichert und notfalls eine wiederhergestellt werden können, sollten Sie sich informieren, ob das möglich ist (sei es «out of the box» oder als Erweiterung). Eine Seite als Entwurf zu speichern, gehört heute meist zum Standard-Funktionsumfang.

8. Seitenstruktur

Bei einer Vielzahl von Seiten kann die Übersicht schnell verloren gehen, wenn Sie im CMS nichts als eine flache, alphabetische Auflistung vorfinden. Ideal ist: Die Seitenstruktur wird hierarchisch 1:1 so aufgelistet wie im Frontend auch. Hauptebene, Ebene 2, Ebene 3 usw. als Baum-Darstellung. Gibt es ausserdem eine brauchbare CMS-interne Suchfunktion, wo Sie sowohl Seiten mit der Freitextsuche finden, als auch Suchfilter einsetzen können? Das ist vor allem bei Seitentypen relevant, wo die Autoren nach Region oder Datum filtern wollen, um Beiträge schnell aufzufinden — z.B. Veranstaltungen.

9. Batch-Editing-Tools

Gibt es praktische Tools, wo ich über die ganze Website hinweg Suchen und Ersetzen kann? Kann ich mit ein paar wenigen Klicks mehrere Seiten aktivieren oder den Status von Entwurf zu veröffentlicht ändern? Oder muss ich jede einzelne Seite öffnen, den Status manuell ändern und wieder abspeichern? Kann ich leicht eine Seite oder eine ganze Gruppe von Seiten von A nach B verschieben? Kann ich Inhalte z.B. via CSV-Import generieren? Solche und ähnliche Tools sparen einem Autoren-Team unglaublich viel Zeit und Nerven.

10. Strukturierte Daten

Um Redundanzen zu vermeiden, sollten Sie darauf achten, dass Querverweise aller Art einfach umsetzbar sind. Praktisches Beispiel: Mitarbeiter-Profile werden einmal zentral erfasst und können so an anderer Stelle leicht referenziert werden. So muss ein Autor nicht an mehreren Stellen Inhalte à jour halten, sondern nur an einem zentralen Ort.

11. Performance

Performance ist keine rein technische Angelegenheit. Wenn Autoren zu lange warten müssen, bis die Erfassungsmasken vollständig geladen sind (time-to-interactive), oder wenn die Besucher der Website die Geduld verlieren, weil eine Seite zu lange zum Laden braucht, riskieren Sie ganz konkret, Kunden zu verlieren. 53% der User verlassen eine Site, falls sie 3 Sekunden oder noch länger braucht, um zu laden. Google straft Websites, die unzureichend responsive und v.a. zu langsam sind, im mobilen Ranking ab.

12. Sicherheit

Online-Security ist kein «nice to have» oder Glückssache. Es gibt dezidierte Websites, wo Sie sich erkundigen können, welche Web-Apps Sicherheitslücken aufweisen. Wichtig zu wissen: WordPress beispielsweise wird standardmässig noch immer mit Code-Editor installiert. Damit kann man die PHP-Templates direkt im Backend editieren. Das ist ein seit langem bekanntes, fatales Sicherheitsproblem. Falls Sie sich also für WordPress entscheiden, müsste die allererste Amtshandlung nach der Installation heissen: Code-Editor deaktivieren.

13. Erweiterbarkeit

Machen Sie sich Gedanken, welche Funktionen Sie evtl. in der Zukunft benötigen werden. Gibt es professionelle Erweiterungen, die einem das Leben leichter machen? Benötigen Sie beispielsweise Schnittstellen zu Google Analytics oder einem Newsletter-Tool? Machen Sie sich im Vorfeld schon ein Bild, was der Markt hergibt, indem Sie sich im Module-/Plugins-Katalog des entsprechenden CMS umschauen.

14. Zukunftssicherheit

Ein CMS ist eine Investition in die Zukunft. Basiert das CMS auf einer populären Open-Source-Skriptsprache oder ist es eine obskure, proprietäre Sprache, die kaum ein Entwickler beherrscht? Ist die Dokumentation hieb- und stichfest? «Lebt» das Produkt, d.h. wird es dauernd weiterentwickelt, oder war das letzte Update vor 2 Jahren? Gibt es eine Community um das CMS herum, die sich aktiv austauscht?

15. Bootstrapping möglich?

Wenn Sie für ein ganzes Online-Ökosystem mit mehreren Anwendungen (z.B. Blog, Shop, Corporate Website, Intranet, Community Site usw.) zuständig sind, ist es sinnvoll, Synergien zu schaffen. Wie einfach können Inhalte des CMS im E-Shop angezeigen werden? Gibt es gut dokumentierte Programmierschnittstellen (API), die das ermöglichen? Kann ein plattform-übergreifendes Login eingesetzt werden?

Ein paar Beispiele zur Veranschaulichung:

Tabellen intuitiv bearbeiten im WYSIWYG-Editor, wie die meisten Autoren sich das gewohnt sind aus MS-Office.
Hierarchische Ansicht der Seitenstruktur, mit Shortcut-Actions, die beim Mouse-Over erscheinen.
Kompakte Bearbeitung von mehrsprachigen Inhalten: Einzelne Sprachvarianten entweder separat anzeigen in Tabs, oder alle auf’s mal (ohne Seiten-Reload).
Bilder können direkt im Browser zugeschnitten werden, im CMS-Backend. Entweder als Bild-Variante abspeichern, oder das Original ersetzen.
Fokuspunkt-Definitionen stellen sicher, dass beim dynamischen Verkleinern der Bilder durch das CMS stets das wichtigste im Zentrum bleibt.
Barrierefreiheit überprüfen mittels WYSIWYG Plugin: Hier wird darauf hingewiesen, dass Bilder einen Alternativtext benötigen (ausser es handelt sich bloss um Dekoration).
Barrierefreiheit überprüfen mittels WYSIWYG Plugin: Hier wird darauf hingewiesen, dass man für Überschriften semantische “heading tags” (h1-h6) verwenden sollte, anstelle einen Text einfach fett auszuzeichnen.

Fazit

Diese Checklist erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Selbstverständlich ist je nach Website-Typ oder Ausgangslage das eine Kriterium wichtiger als andere. Aus unserer Sicht sollten Sie die obigen Punkte zumindest mit-berücksichtigen, damit die Inhaltspflege Ihres Internet-Auftritts Spass macht, statt Frust zu verursachen.

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