Was das Internet über Marine Le Pen, Emmanuel Macron und den französischen Wahlkampf verrät

Sebastian Huempfer
Echobox Insights
Published in
4 min readApr 21, 2017

Am 8. März, zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich, veröffentlichten wir unser Frankreich-Barometer. Dieses verfolgt, wie viel Aufmerksamkeit die Kandidaten Benoit Hamon, Jean-Luc Mélenchon, Emmanuel Macron, François Fillon und Marine Le Pen im Internet auf sich ziehen. Durch stündliches Aktualisieren können wir jede Wendung in einem höchst ereignisreichen Wahlkampf in Echtzeit darstellen.

Bisher haben wir diese Daten bereits genutzt um zu untersuchen, wie viel Interesse Benoit Hamon, Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen auf sich ziehen konnten. Nach genauer Betrachtung der Entwicklungen sind wir nun zu dem Schluss gekommen, dass Emmanuel Macron gute Chancen hat, mehr Stimmen als Marine Le Pen zu erhalten, obwohl konventionelle Meinungsumfragen beide Kandidaten etwa gleich einstufen.

Unsere Daten legen nahe, dass Le Pen lange Zeit deutlich weniger Aufmerksamkeit erhielt als Macron, der sich insgesamt von allen fünf Kandidaten am Besten schlug — zumindest bis zum TV-Duell im März.

Betrachtet man beispielsweise den Zeitraum von Anfang Februar bis zum TV-Duell, so hatte Macron zu 65% der Zeit überdurchschnittlich gute Werte. Für Le Pen war dies nur zu 31% der Zeit der Fall. Im Vergleich dazu: Hamon 14%, Fillon 64% und Mélenchon 36%.

Macron und Le Pen in unserem Frankreich-Barometer von Mitte Januar bis Ende März.

Nach dem TV-Duell am 20. März fielen die Werte beider Kandidaten. Le Pen lag zwar während der Debatte vor Mélenchon an erster Stelle. Seitdem jedoch erhielten Le Pen fast immer unterdurchschnittliche Werte. Auch Macron schnitt in der Woche nach dem Duell schlecht ab.

Macron und Le Pen nach dem TV-Duell am 20. März.

Dann wendete sich das Blatt für Macron: Die Unterstützung von Ex-Premier Valls und des Pariser Ex-Bürgermeisters Delanoë halfen kurzfristig und im April sah Macron dann wieder eine deutliche Erholung.

Macron profitierte von der Unterstützung durch Delanoë (8. März) und Valls (29. März).

Ein potenzieller Grund für Le Pens Schwäche: Unser Barometer bestätigt nicht die im Trump-Wahlkampf manchmal zu hörende Hypothese, dass jegliche Art von Kontroverse populistischen Kandidaten nur Aufmerksamkeit bringt. Bestes Beispiel hierfür sind die Tage um die Entscheidung des EU-Parlaments, Le Pens Immunität aufzuheben (2. März). Dies wirkte sich kaum auf ihre Werte in unserem Barometer aus, während Macrons gleichzeitige Vorstellung seines Wahlprogramms mit einem deutlichen Aufwärtstrend einherging.

Macron erhielt mehr Aufmerksamkeit für sein Wahlprogramm als Le Pen für ihren Konflikt mit dem EU-Parlament.

Insgesamt lassen unsere Analysen vermuten, dass Fillon und Macron die besten Chancen auf einen Einzug in die entscheidende zweite Runde der Präsidentschaftswahlen haben. Diese beiden Kandidaten erhielten in den letzten drei Monaten die meiste Aufmerksamkeit im Internet. Macron kam zu 51% der Zeit überdurchschnittliches Interesse zu. Bei Fillon war dies sogar zu 73% der Zeit der Fall, obwohl dieses Ergebnis auch mit den seine Person betreffenden Skandalen in Verbindung gebracht werden kann. Im Vergleich hierzu schnitt Benoit Hamon, der Kandidat der Parti Socialiste, welcher auch der amtierende Präsident François Hollande angehört, sehr viel schlechter ab. Hamon konnte seit Januar nur zu 15% der Zeit überdurchschnittliche Aufmerksamkeitswerte auf sich ziehen. Fillon und Macron erhielten zudem die besten Durchschnittswerte über den Gesamtzeitraum (39% und 22%).

Durchschnittliches Interesse an den Kandidaten seit Januar.

Meinungsumfragen werden nach jüngsten Fehleinschätzungen vielerorts mit Skepsis betrachtet. Immer weniger Menschen antworten den Demoskopen und die Genauigkeit und Geschwindigkeit der Ergebnisse lässt oft zu wünschen übrig. Unser Barometer basiert auf sehr viel mehr Daten, doch auch dieser Datensatz kann nicht eindeutig vorhersagen, wer gewinnen wird — denn nicht alle Menschen lesen Nachrichten im Internet. Zudem ist unklar, wie genau Interesse und Wahlausgang zusammenhängen. Jedoch belegen die Daten eindeutig, dass Millionen von Menschen Marine Le Pen wesentlich weniger Aufmerksamkeit schenken als Emmanuel Macron.

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