© Manuel Schmelzer

Lektion 1: Stress ist kein Erfolgsbarometer

Und der Kontrollfetisch ist bei der Gewerbeanmeldung abzugeben.

Stephanie Doms
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2 min readJul 13, 2014

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Zugegeben: Ich bin ein Kontroll-Freak. Ich brauche To-do-Listen, einen altmodischen Kalender, in dem ich Erledigtes durchstreichen und so viele neue Termine hinzufügen kann, bis kein Platz mehr ist. Ich plane gern alles Mögliche und fühl mich extrem unwohl, wenn ich kein Ziel und keinen Überblick habe.

Insofern ist es die größte Herausforderung des Selbstständigseins, sich beruflich locker zu machen.

Natürlich: Ohne Selbstorganisation und -motivation geht es nicht. Das fängt beim Abheften von Rechnungen an und hört beim Angeboteschreiben an Wochenenden auf. Aber: Den geordneten Tagesablauf habe ich mir gleich im ersten Monat abgeschminkt. Phasenweise schwimme ich in Arbeit und weiß gar nicht, wo ich zuerst hingreifen soll (als Textsanitäterin werde ich meist erst dann gerufen, wenn die Content-Katastrophe am nächsten Tag in Druck gehen soll). Dann vergesse ich vor lauter Tatendrang die Zeit und komm erst wieder zu mir, wenn die Arbeit erledigt und keine Zeit mehr für Schönheitsschlaf ist. Bis morgen aufgeschoben wird nichts, kein noch so kleiner oder großer Job. Dann fühl ich mich wohl und geh ganz auf in dem, was ich tue.

Was mich hingegen nervös macht, ist, dass oft schon Tage später die Aufträge genauso schnell wieder versiegen. Anstatt die freie Zeit zu genießen, blättere ich hektisch in meinem Terminkalender und frage mich, ob es sich am Monatsende irgendwie ausgehen wird, auf einen Betrag X zu kommen.

Es geht sich aus. Immer. Bisher wurde aus X sogar mit jedem Monat mehr. Und trotzdem ereilt mich jedes Mal eine kleine Panikattacke, wenn ich morgens aufstehe und mein Terminkalender leer ist.

“Das Wichtigste ist, die Ruhe zu bewahren.”

Pflegt mein Papa zu sagen. Das, und dass man Herausforderungen meditativ sehen muss. Je länger ich selbstständig bin, umso mehr wird mir bewusst, wie unlocker ich bin, wenn es um meine Erfolge und Misserfolge geht, wie oft ich mein Glück einer kritischen Prüfung unterziehe und wie schnell selbst kleine Rückschläge Zweifel auslösen. Es fällt mir schwerer als gedacht, die Dinge zu nehmen, wie sie sind und wie sie kommen.

Selbst dafür verantwortlich zu sein, dass meine Tage nicht nur ausgefüllt sondern vor allem erfüllt sind, ist für mich zu einer täglichen Meditationsübung geworden. Einatmen, ausatmen — und dann das anpacken, was der Tag bringt. Indem ich meine Energie anders kanalisiere(n muss), erhält Zeit plötzlich eine ganz neue Qualität.

Was ich daraus lerne? Dass Erfolg nicht am Stresslevel und Glück nicht am Fixgehalt gemessen wird.

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Stephanie Doms
Editor for

Wortspielerin und Freudentänzerin. Texterin, Autorin, Yoga- und Mentaltrainerin. www.stephaniedoms.com