© Manuel Schmelzer

Lektion 2: Sag nicht ja, wenn du nein sagen willst

Und warum es manchmal schön wäre, mit einem Rechtsanwalt befreundet zu sein.

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3 min readJul 15, 2014

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Ich bin vor einigen Tagen wieder einmal zu dem Schluss gekommen, dass Intuition eine gute Sache ist und man auf sie hören sollte. Grund dafür ist ein Kunde, bei dem ich von Anfang an unsicher war, ob ich die Zusammenarbeit wirklich wollte. Mir war nicht wohl bei der Sache; von einer gemeinsamen Wellenlänge keine Spur. Aber ich hatte das Gefühl, professionell sein zu müssen. So zog ich das übliche Programm ab: kostenloses Erstgespräch, Angebotslegung, ein paar Texte im Voraus (superkurzfristig, aber “ich mach’s doch gern”), dann der Workshop, der die Grundlage für die eigentlichen Textleistungen bilden sollte. Und die erste Teilrechnung.

Ich muss dazu sagen, dass ich Angebote immer schriftlich vorlege und dann, wenn möglich, persönlich mit dem Kunden bespreche. Mir ist wichtig, dass sich mein Gegenüber gut aufgehoben fühlt, versteht, was ich tue, und weiß, was es kostet. Das Kleingedruckte verfasse ich deshalb bewusst nicht in Schriftgröße 0,2 pt. Dass sich R. dann bei Erhalt der Teilrechnung wortreich beschwerte, er würde nicht einsehen, weshalb er 40% Projektanzahlung leisten solle, verwunderte mich deshalb einigermaßen (davon abgesehen, dass mit dem abgehaltenen Workshop schon gut 40% abgedeckt waren und somit nicht wirklich von einer Vorauszahlung die Rede sein konnte). Es folgten auch noch ein paar seltsame Aussagen, die ich meinem Seelenfrieden zuliebe überlas.

Meine Nerven sind mir wichtiger als Aufträge.

Habe ich mir gedacht und dem Kunden so einfühlsam wie möglich erklärt, dass ich das Gefühl habe, es funktioniere mit ihm und mir nicht, und dass mich diese Diskussion über Vereinbartes darin bestätige. Dazu ein Abschlagshonorar, das die Bezeichnung “Honorar” eigentlich gar nicht verdiente; die kleinen Freunschaftsdienste gingen aufs Haus. Ich klickte auf Senden und die Tatsache, gerade meinen ersten Kunden aus einem Bauchgefühl heraus abgelehnt zu haben, sorgte für eine seltsame Beflügelung. Ich fühlte mich frei und unabhängig und war mir sicher, noch rechtzeitig in die richtige Richtung gelenkt zu haben.

Die Ernüchterung kam, als die Rechnung auch Wochen nach der Frist noch nicht beglichen war und auch sonst jede Reaktion ausblieb. Ich ging dem vorsichtig nach. Die Antwort des Kunden: Er sehe sich darin bestätigt, dass sich schöne Frauen nicht als Geschäftspartner eignen. Er wolle mir 100€ überweisen und ich solle froh darüber sein, denn das wäre seiner Meinung nach mehr als fair.

Tja. Wie reagiert man angemessen auf so etwas? Ich habe bis jetzt keine Antwort darauf. Professionell wollte ich in dem Moment jedenfalls nicht mehr sein.

Eigentlich sollte ich auf mein Recht beharren. Ich habe schon überlegt, mir einen Rechtsanwalt zu suchen und ihn um einen saftigen Brief zu bitten oder ein Inkasso-Büro zu beauftragen. Der Betrag ist lächerlich, aber es geht ums Prinzip. Warum soll ich mich unter Wert verkaufen oder jemandem entgegenkommen, der sich offenbar mehr Gedanken über mein Aussehen macht als über die Einhaltung von Vereinbarungen?

Alle raten mir, nicht locker zu lassen. Doch um ehrlich zu sein, habe ich keine Lust, noch länger zwischen Ungläubigkeit, Verärgerung, Hilflosigkeit und Enttäuschung über so ein Verhalten hin und her zu schwanken. Ich suche den Fehler bei mir. Weil ich viel früher die Bremse hätte ziehen sollen — nämlich gleich zu Beginn, als ich statt nein ja gesagt habe.

Am Ende aller Tage zählt, sich treu gewesen zu sein. Der Lohn dafür: nichts zu bereuen. Dafür kannst du keinen anderen verantwortlich machen. Und um ausgleichende Gerechtigkeit kümmert sich hoffentlich das Karma.

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Wortspielerin und Freudentänzerin. Texterin, Autorin, Yoga- und Mentaltrainerin. www.stephaniedoms.com