Mamaholic
Von gespielter Coolness, dem Wunsch, perfekte Traktor-Kuchen zu backen, und der Frage, wie viel Mama genug ist.
Mein Baby bekommt seinen ersten Zahn. Bedeutet: Jetzt kann er bald das Bratl von der Uroma essen. Bedeutet: Er ist bald erwachsen. Bedeutet: Er wird bald ausziehen und nur noch heimkommen, wenn er keine sauberen Unterhosen mehr hat.
Klingt übertrieben? Nicht für mich.
Ich fürchte mich auch heute schon vor dem ersten Kindergartentag, weil ich weiß, dass ich dann Rotz und Wasser heulen und mein Kind vermutlich wieder mit nach Hause nehmen werde. (Damit das nicht passiert, habe ich vorgesorgt und meinem Mann das Versprechen abgenommen, dass er das Hinbringen übernimmt.)
Je öfter ich mich bei solchen Gedanken ertappe, umso mehr habe ich das Gefühl, dass ich werde, was ich nie sein wollte: eine Glucke.
Das ist schlimm.
Denn ich war immer überzeugt davon, mal die toughe Mama zu sein, die neben der Karriere locker-flockig Kuchen in Traktor-Form für die Geburtstagsfeier im Kindergarten bäckt und auch noch die Zeit findet, sich regelmäßig die Nägel zu lackieren und in Sachen Highheels in Übung zu bleiben.
Und jetzt? Jetzt denke ich manchmal, dass ich gern hauptberuflich Mama wäre. Ich könnte mich darauf konzentrieren, die Traktor-Kuchen zu perfektionieren. Die Farbe der Wolle für den selbstgestrickten Pulli mit Bär drauf wäre entscheidender als jene des Nagellacks. Es wäre nicht schlimm, dass meine Lieblingsschuhe Gummistiefel wären. Und ich würde keine einzige Premiere im Leben meines Kindes verpassen. Weil ich ja immer da wäre!
Allgemein habe ich gerade das Gefühl, ich könnte so vieles verpassen. Darum fällt es mir sogar schwer, den Kleinen (der schon sooo groß ist) der Oma zu überlassen — und sei es auch nur für ein paar Stunden. Wann immer die Oma aufpasst und ich nur eine Tür weiter am Schreibtisch sitze, quält mich der Gedanke, sein erstes Wort könnte Oma und nicht Mama sein.
Furchtbar! Undenkbar!
So war ich dann letztens auch fast ein bisschen böse auf meinen Mann, als er meinte, nur Mama sein wäre finanziell nicht drin. Und überhaupt: Ob mir das denn nicht zu fad wäre?
Mamaholic
Das Image der Karriere-Mama bröckelt. Ich tu zwar immer noch cool und betone, dass mein Terminkalender voll ist. Aber da trage ich mittlerweile auch so Dinge ein wie “Bestes erstes Weihnachtsgeschenk überlegen” und “Portionierten Kürbis für ersten Babybrei einfrieren”.
Ich glaube, ich entwickle mich langsam aber sicher zum Mamaholic.
Vermutlich wäre ich entspannter, wenn ich nur eine einzige Rolle zu besetzen hätte. Weil ich so halbe G’schichten nicht mag und gern beides perfekt machen möchte — ich aber keine Zeit habe, zu 100% an meiner Karriere zu basteln und zu 100% für mein Kind da zu sein (hat das eigentlich irgendwer?).
Letzteres ist vielleicht gar nicht so schlecht. Ich will ja auch nicht, dass mein Wunsch, immer da zu sein, dazu führt, dass mein Kind mit 30 noch daheim wohnt, weil keiner Unterhosen so sauber wäscht wie die Mama.
Es gibt da diesen klugen Spruch von den Eltern und Kindern, den Wurzeln und den Flügeln. Flügel find ich derzeit beängstigend, ich geb’s zu. Ich bin grad in der sehr, sehr geerdeten Phase meines Mama-Daseins. Vielleicht sollte man im Geburtsvorbereitungskurs die eine oder andere Stunde darauf verwenden, die werdenden Mamas aufs Loslassen vorzubereiten — vor allem den Mamas mit beruflichen Ambitionen.
Das Gefühl der Doppelbelastung und die damit verbundene Frage “Bin ich genug Mama?” kommt nämlich sehr viel schneller als man denkt.