Back to black — about Racism in Fashion Photography — über Rassimus in der Modefotografie

Gerlind Hector
Fashion Images the Book
8 min readNov 9, 2019

--

The German Elle is embarrassing, the editor-in-chief must publicly apologize for racist allegations. Did the editorial oversleep the turn of the millennium, or are we exaggerating with political correctness and diversionary dizziness?

Die deutsche Elle blamiert sich, die Chefredakteurin muss nach Rassismus-Vorwürfen öffentlich Abbitte leisten. Hat die Redaktion die Jahrtausendwende verschlafen oder übertreiben wir es mit der Political Correctness und Diversitäts-Duselei?

Wo fängt Rassismus an? Hier drei Covers: US Vogue 04/2008, Elle Deutschland 11/2019, Vogue Italia 07/2019

In March 1965, shortly after the murder of black civil rights activist Malcolm X, the first “black model” appears on the cover of a glossy magazine — and nobody notices it. Donyale Luna wears a yellow shift dress with matching shoes for Harper’s Bazaar, her skin color is more like vanilla than chocolate because the 19-year-old is considered a stylized illustration, not a photograph. But it was Donyale’s breakthrough, and precisely one year later, the accolade came when she was actually on the cover of British Vogue. Cult photographer of the sixties David Bailey photographed Donyale’s hand over his mouth and nose, smoothed-up hair and dramatic eye make-up, making her look more like an Indian because vacation at the Ashram and spicy curry were quite fashionable. Many years would pass before a black model had the status of a true supermodel and it was Naomi Campbell in the year 1988 that finally a black model appeared on the cover of French Vogue after massive pressure from couturier Yves Saint Laurent.

Im März 1965 — kurz nach dem Mord an dem schwarzen Bürgerrechtler Malcolm X — erscheint das erste „Black Model“ auf dem Cover einer Hochglanz-Zeitschrift — und keiner merkt’s! Donyale Luna trägt für die amerikanische Harper’s Bazaar ein gelbes Shiftkleid mit passenden Schuhen, ihr Teint gleicht eher Vanille als Schokolade. Der Grund: Die 19-jährige ist als stilisierte Illustration zu sehen, nicht als Fotografie. Dennoch war es Donyales Durchbruch; exakt ein Jahr später kam der Ritterschlag als sie auf dem Cover der britischen Vogue tatsächlich zu erkennen war, zumindest halbwegs. Der 60er-Jahre-Kultfotograf David Bailey lichtete Donyale mit der Hand vor Mund und Nase ab, mit geglättetem Haar und dramatischem Augen-Make-up, sodass sie eher wie eine Inderin — Urlaub im Ashram und scharfes Curry waren gerade ‘in’ — als wie eine Afro-Amerikanerin aussah. Tatsächlich sollten noch viele Jahre vergehen bis ein schwarzes Model den Status eines echten Supermodels erlangt und erst nach massivem Druck von Couturier Yves Saint Laurent endlich auf dem Cover der französischen Vogue erscheint: Es war Naomi Campbell und wir schreiben das Jahr 1988!

1965: Donyale Luna als erstes Black Model auf dem Cover eines Hochglanz-Magazins.

Since then, much has happened in fashion and photography, which is always called to reflect the zeitgeist correctly. The so-called “wording” has changed as well: We go, for example in the meantime to dance in the “club” than in the “disco”. Sabine Nedelchev, editor-in-chief of the German Elle, had to find out that language and visual language are constantly changing and today different from what they were in the 1980s, and later publicly apologize via Instagram. In her November issue of 2019, she had titled “Back to Black” with the subheading “Black is back: irresistible!” She meant primarily black as a trend color for fashion and chic accessories — but right next to the styling tips there were also black junior models, so human beings, one of which, to make matters worse, a false name. Dumb, one might think; but can happen. Or not?

Seitdem hat sich viel getan in der Mode und der -fotografie, die stets aufgerufen ist, den Zeitgeist perfekt widerzuspiegeln. Auch das sogenannte „Wording“ — wir gehen z.B. mittlerweile zum Tanzen lieber in den „Club“ als in die „Disco“ — hat sich verändert. Dass Sprache und Bildsprache permanent im Wandel und heute anders aussehen als noch in den 80ern, musste auch Sabine Nedelchev, Chefredakteurin der deutschen Elle, feststellen und sich später via Instagram öffentlich entschuldigen. In ihrer November-Ausgabe 2019 hatte sie „Back to Black“ getitelt, mit der Unterzeile „Schwarz ist wieder da: Unwiderstehlich!“ Damit war zwar in erster Linie Schwarz als Trendfarbe für Fashion und schicke Accessoires gemeint — aber gleich neben den Styling-Tipps fanden sich auch schwarze Nachwuchs-Models, also menschliche Wesen, von denen eins zu allem Überfluss einen falschen Namen trug. Dumm gelaufen, möchte man meinen; aber kann passieren. Oder nicht?

1966: Donyale Luna auf dem Cover der UK Vogue

Klar, kann eine Verwechslung mal passieren“, findet Carola Niemann, Chefredakteurin von The Curvy Magazine, die ihre ersten Lebensjahre in Liberia verbracht hat, der Heimat ihrer Mutter. Aber der Zusammenhang mache es, betont sie und weist auf die unglückliche Koinzidenz hin, nach der alle Afrikaner oder Asiaten irgendwie gleich aussehen, zumindest für viele Europäer oder europäischstämmige Menschen. Diese Art falscher Identifikation bekam erst im Sommer das Model Adut Akech zu spüren, der das australische Who Magazine einen Text gewidmet hatte, leider mit dem Foto einer ganz anderen Dame. „Das wäre einem weißen Model nicht passiert“, stellte Akech fest. „Dieser Vorfall hat mich tief getroffen, und wir müssen damit beginnen, uns mit diesem wichtigen Thema auseinanderzusetzen.“

Naomi Campbells Reaktion auf die deutsche Elle. Zuerst publiziert auf Instagram von @diet_prada.

Diese mangelnde Sensibilität findet auch Carola Niemann extrem nervig: „Das Cover der Elle finde ich nicht weiter spektakulär“, erklärt sie. „Mir geht’s vor allem um den Heftinhalt, in dem Models nur aufgrund ihrer Hautfarbe als hip gehandelt werden. Als wären sie hübsche Accessoires, die nächste Saison wieder out sind.“ Genau das war auch der Kritikpunkt von Naomi Campell, die sich als eine der Ersten echauffierte: „Wir sind kein Trend! Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Es sei völlig in Ordnung, farbige Models zu feiern — aber bitte mit Würde und Respekt. Ist ja gut, möchte man ihr zuraunen. Übertreibt sie da nicht? Schließlich war’s nur nett gemeint und niemals als Beleidigung gedacht. So what?

1988: Naomi Campbell erscheint als erstes Black Model auf dem Cover der Vogue France.

Tatsächlich repräsentieren Sabine Nedelchev — und auch ich, die Autorin dieses Textes — eine Generation, in der man noch unbedarft „Zehn kleine Negerlein“ im Kindergarten trällerte, sich zu Weihnachten eine „Negerpuppe“ wünschte und sich in der Schulpause beim Bäcker schnell ein „Mohrenkopfbrötchen“ kaufte. Als Rassisten haben wir uns damals sicher nicht empfunden. Im Gegenteil: Als der erste Schüler mit afrikanischen Wurzeln Anfang der 80er Jahre in unser ostwestfälisches Kaff kam, waren wir hellauf begeistert und baten ihn vor seinem ersten Friseurbesuch, doch bitte Haarproben als Souvenirs für uns mitzubringen. Was er auch tat. Ob mit Freuden? Da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher …

2008: Lebron James und Gisèle Bündchen auf dem Cover der US Vogue

Wer immer nur von sich ausgeht und nur mit seinesgleichen Umgang pflegt, kann kaum nachvollziehen, wie es ist, stets nur auf sein Äußeres, seine Sprache, seine sexuelle Orientierung, seine Religion etc. reduziert zu werden, wenn’s irgendwie nicht der eigenen Norm entspricht. Ähnlich unverständlich fanden im April 2008 viele die Aufregung um das Cover der US-Vogue, auf dem Basketball-Ikone Lebron James in wilder Sportler-Pose seinen Arm um die blonde Gisèle Bündchen legt. Nicht wenige Afro-Amerikaner fühlten sich damals verunglimpft, weil sie das Foto, das die Künstlerin Annie Leibovitz bestimmt gut gemeint hatte, an ein Filmplakat des erst drei Jahre zuvor in den Kinos gelaufenen Remakes von King Kong erinnerte. Darauf muss man erst mal kommen! Einerseits. Andererseits: Wer mit exakt dieser Affen-Assoziation schon x-mal konfrontiert worden ist, kommt da verdammt schnell drauf und darf durchaus genervt reagieren.

2008: Drei verschiedene Covers der Black Issue, Vogue Italia.

Auch die Beschwerden über die berühmte Black Issue der italienischen Vogue im Juli 2008 erklären sich erst, wenn man offen ist für die Kritik, die damals laut wurde. Die eigentlich nette Idee erschien plötzlich in einem anderen Licht, wenn man sich folgende Fragen stellte: Warum erscheint ein Themenheft, das sich ausschließlich Black Models widmet, welche hier wieder nur separat und nicht neben Models anderer Ethnien abgelichtet werden? Wieso werden einige der Models of Colour so hell retouchiert, dass sie bleich wie Claudia Schiffer aussehen? Und weshalb geht danach alles wieder zur Tagesordnung über und es werden ‘as usual’ wieder nur weiße Models für die Fashion und Beauty Ressorts geshootet?

Eine Frage, mit der sich auch Sabine Nedelchev auseinandersetzen sollte, die im Jahr 2014 das letzte Mal ein dunkelhäutiges Model für ein Cover gebucht hat. Kulturelle Kompetenz dürfte man gerade in den Redaktionen von Fashion & Lifestyle Magazinen voraussetzen; schließlich spiegelt Mode all’ das wider, was in der Welt passiert — also auch die aktuelle Debatte um Diversität und Minderheiten-Bashing. Die Erscheinungen der Mode lassen sich laut Kunsthistoriker Klaus Honnef nur selten isoliert betrachten, denn sie werden immer in soziokulturellen Zusammenhang gestellt und mit der Phänomologie der Alltagswirklichkeit verknüpft. Auch Edna Woolman Chase, von 1914 bis 1952 Chefredakteurin der US-Vogue hatte das schon vor rund 70 Jahren verstanden: „Moden würden keine Moden sein, wenn sie sich nicht dem Geist, den Bedürfnissen und den Einschränkungen der jeweiligen Zeit anpassten.” Voilà!

2014: Liya Kebede auf dem Cover der deutschen Elle.

Zugegeben: Die aktuelle Diversitäts-Duselei kann nerven, zumal sich neuerdings jede Randgruppe zu Wort zu melden scheint und ihr Recht auf Gleichheit einklagt. Ja, es ist anstrengend, weil man plötzlich so viel Rücksicht nehmen und alles Mögliche falsch machen kann. Aber es ist eben auch fällig im Jahr 2019. Vor knapp hundert Jahren haben sich Deutschlands Frauen auf diese Weise das Wahlrecht erstritten und erst seit 25 Jahren gibt es hierzulande keinen §175 mehr, der Homosexualität unter Strafe stellt. Und mal ehrlich: Die Schlange vor dem Damenklo wird nicht länger, wenn es auch genderneutrale Toiletten gibt, liebe Annegret Kramp-Karrenbauer. Unsere Sitzplatz-Reservierung im ICE von München nach Berlin wird nicht von grimmig aussehenden Südländern belegt, nur weil die Deutsche Bahn auf ihren Werbeplakaten auffällig viele Promis mit Migrationshintergrund zeigt, lieber Boris Palmer. Und Halleluja, das diesjährige Nürnberger Christkind Benigna Munsi wird brav die blondgelockte Perrücke aufsetzen — the same procedure as every year.

Als weitere Inspiration sei an dieser Stelle auf die aussagekräftige und inspirative Ausstellung „Connecting Afro Futures“ ab 1. Dezember 2019 im Berliner Kunstgewerbemuseum hingewiesen, in der es um Afrikas modischen Aufbruch geht.

Ausstellungsplakat von Connecting Afro Futures.

A propos „Afrikas modischer Aufbruch“: Fair-Fashion.net titelte schon vor über einem Jahr „Africa, your Time is now!”

„Look des Monats“ bei Fair-Fashion.net

Und warum sollte eine Fashion Show nicht in Zukunft öfter mal so inszeniert werden?

--

--