Religion & Künstliche Intelligenzen

Liebe deine Superintelligenz wie dich selbst

Johannes Klingebiel
Johannes Klingebiel
3 min readFeb 4, 2018

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Anthony Levandowski, Ex-Uber Entwickler, bekannt aus “Wie ich geheime Google-Dokumente stahl”, hat ein neues Sideproject, das in eine etwas abstruse Richtung geht. Kurz zusammengefasst hat Levandowski eine Religion mit dem Namen “Way of the Future” gegründet, die daran glaubt, dass eine Super-Intelligenz in Form der Singularität unausweichlich ist.

Die Singularität bezeichnet dabei die Erschaffung einer selbstverbessernden künstlichen Intelligenz, die zu einem exponentiellen Wachstum an Technologie führen würde. (Hier ein etwas detaillierterer Erklärer zu dem Thema.)

+ Es gibt hier ohne Zweifel einiges zu entpacken, gerade im Zusammenhang von Technologie und Religion. Ein interessanter Aspekt dürfte jedoch sein, dass das Konzept der Singularität — wie so vieles in heutigen Tech-Debatten — kein neues ist, sondern bereits in der ersten Hälfte des 20. Jhd. formuliert wurde. Und zwar vom französischen Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin.

+ Auch christliche Transhumanisten sind eine interessante Randerscheinung an den Überschneidungen von Religion und Technologie. Auch hier spielt die Singularität eine zentrale Rolle als Fokuspunkt der Religiösität. Gleiches ließe sich auch für islamische Transhumanisten sagen, wenn es solche gäbe.

+ Vielleicht ist Levandowskis “Way of the Future” aber auch nur die logische Konsequenz aus Peter Thiels Hinweis an Gründer: “You should run your startup like a cult”. Ein Hinweis, den Kate Losse bereits vor zwei Jahren sehr gekonnt kritisierte. Warum also ein Startup als Kult führen, wenn ich auch einen Kult als Startup führen kann? Dafür würde auch sprechen, dass Religionen in Amerika noch immer lächerlich leicht an Steuervorteile kommen.

Notizen zur Singularität

Die Vorstellung einer “Singularität” durch eine Superintelligenz hat jedoch eine große Schwäche. Intelligenz ist kein eindimensionaler Faktor, den ich nur erhöhen muss, um eine Superintelligenz zu schaffen. Tatsächlich entspringt sehr viel von dem, was wir geläufig als Intelligenz bezeichnen, unserer Umwelt, der Gesellschaft und zivilisatorischen Konstrukten. François Chollet hat die Problematik gut noch einmal zusammengefasst.

It’s not just that our bodies, senses, and environment determine how much intelligence our brains can develop — crucially, our biological brains are just a small part of our whole intelligence. Cognitive prosthetics surround us, plugging into our brain and extending its problem-solving capabilities. Your smartphone. Your laptop. Google search. The cognitive tools your were gifted in school. Books. Other people. Mathematical notation. Programing.

Luciano Floridi geht in seiner Kritik sogar noch weiter und bezeichnet die Angst vor einer Superintelligenz als Ablenkung reicher Männer von ernsthaften Problemen wie dem Klimawandel. Eine solche Superintelligenz sei nicht nur unmöglich, sondern sogar unplausibel.

Auch anhand dieser Debatte zeigen sich wieder die große Probleme der Diskussionen rund um KI. Zu oft werden Fakten, Science Fiction und Wunschdenken vermischt. KI wird “vermenschlicht” durch Wörter, wie “lernen” oder “denken”, die in der Informatik und dem allgemeinen Sprachgebrauch jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben. Und zu all dem kommt auch noch die Tatsache, dass es keine scharfe Definition von “Intelligenz” gibt.

Es ist also — wie immer — weitaus komplexer und vielschichtiger, als man es vielleicht gerne hätte.

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Ein unregelmäßiges Zine rund um Technologie, Internet, Publishing und Merkwürdiges

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Written by Johannes Klingebiel

Studying, working, building and dreaming in Germany.