Warum HR Manager ein völlig beschissener Jobtitel ist

Arnold Scherabon
Fifteen Seconds
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4 min readFeb 15, 2016

by Arnold Scherabon, Operations Manager at Fifteen Seconds
Originally published at
fifteenseconds.co on February 15, 2016.

Zugegeben: Ich bin nicht der Erste, der sich am Terminus Human Resources stößt. Mit Sicherheit bin ich auch nicht der Erste, der darüber schreibt. Eigentlich muss man ja gar nicht lange darüber nachdenken, warum dieser Ausdruck spätestens im Jahr 2016, in Wahrheit aber schon seit Jahrzehnten maximal unpassend ist.

Den Menschen als reine Ressource wie etwa ein Stück Holz zu betrachten, kann einfach nicht zeit- und sinngemäß sein. Der Begriff wurde 1893 erstmals in einem wirtschaftlichen Zusammenhang erwähnt und hat sich im Laufe der 1910er- und 1920er-Jahre in der Betriebswirtschaftslehre etabliert. Wir verwenden heute also einen Begriff, der nicht nur über 100 Jahre alt ist, sondern auch vollinhaltlich daran vorbeischrammt, wie ein Personalverantwortlicher tatsächlich arbeitet.

Zum Zeitpunkt, als sich diese Bezeichnung manifestiert hatte, war man noch breiterhand der Meinung, der Mensch habe sich dem System zu beugen. Man managt ihn, indem man ihm genaue Anweisungen erteilt, die er gefälligst zu befolgen hat. Von diesem Ansatz ist man in Mitteleuropa aber großteils und zum Glück abgekommen. Ein “Human Centered Approach” hat sich entwickelt, der verstanden hat, dass die Menschen in einem Unternehmen keine stupiden Maschinen sind, die es nur zu optimieren gilt, sondern gerade durch ihre individuellen Eigenschaften und Arbeitsweisen wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beitragen.

Die Eigenschuld am schlechten Image

Warum hat sich also der Ansatz im Umgang mit den Mitarbeitern zum Großteil gewandelt, der Begriff der Human Resources aber ist unverändert geblieben? Ich denke, ein Grund sind viele der derzeitigen Vertreter dieser Zunft selbst und die Struktur um sie herum. Sie sitzen in einer Abteilung, die selten eine hohe Wertschätzung im restlichen Unternehmen erfährt. Das C-Level-Management betrachtet sie als notwendiges Übel und Kostenstelle. Andere Abteilungen munkeln und fragen sich oft, was der HR-Manager eigentlich den ganzen Tag macht. Ob der wohl tatsächlich Dartscheibe und Flippertisch in seinem Büro stehen hat? Wenn, dann kommt man bloß im Zuge einer Kündigung oder durch andere höchst positive Ereignisse mit den Personalern in Kontakt.

Und warum geht jemand eigentlich ins Feld des Personalmanagements, was zieht sie oder ihn dort hin? Die Bezahlung kann es jedenfalls nicht sein, die Aufstiegschancen im Unternehmen ebenso wenig. Ich habe in meiner Recherche versucht, einen Manager im DACH-Raum zu ermitteln, der in die Geschäftsführung aufgestiegen ist und aus dem Human-Resources-Bereich kam. Ergebnis? Ich habe keinen einzigen gefunden. Sollte es da draußen solche Fälle geben, die ich übersehen habe, so dürfte ihre Anzahl verschwindend gering und nicht relevant sein. Ich habe in meinem bisherigen Wirken zahlreiche Interviews mit jungen Menschen geführt, die sich um einen Job im HR-Bereich bemüht haben. Bei der Frage nach ihrer Motivation, in diesem Bereich arbeiten zu wollen, kamen oftmals erschreckende Antworten wie „Ich arbeite nicht gerne mit Zahlen“ oder „Ich rede gerne mit Menschen“. Beides Antworten, die mich solche Interviews in Folge drastisch abkürzen ließen.

Einstehen und ablegen

Ich will hier nicht die ganze Profession an den Pranger stellen und sie für alle Probleme im Personalmanagement alleine verantwortlich machen. Aber in gewisser Weise ist doch jeder seines eigenen Glückes Schmied. So abgedroschen das auch klingen mag, ich meine damit nichts anders, als dass die Personaler endlich mal stärker für ihren eigenen Beruf einstehen sollten. Ein Anfang könnte es sein, den irreführenden Begriff der HR abzulegen. Selbst die Startup-Branche, die ja ansonsten für ihre inflationäre Berufstitel-Kreativität bekannt und bisweilen berüchtigt ist, und dabei jedem, der einen eigenen Schreibtisch besitzt und sich die Schuhbänder schon ganz allein zuschnüren kann, umgehend ein “Head of” vor den Namen schreibt, bleibt im Großen und Ganzen beim Titel des Human Resources Managers stecken. Hin und wieder findet man einen Feelgood Manager oder zumindest einen People Manager.

Das sind zarte Anfänge, auf die meiner Meinung nach ein breiteres Umdenken folgen muss. Schlussendlich wird auch die wissenschaftliche Betriebswirtschaftslehre gefragt sein, einen zeitgemäßen Namensvorschlag für die Profession der HR Manager zu liefern. Der Personalleiter könnte weiters dafür sorgen, dass die Mitarbeiter seiner Abteilung ähnliche Gehälter wie jene in anderen — Finance, Business Development oder Procurement — erhalten, dann wäre auch ein monetärer Anreiz für motivierte Menschen gegeben, die wirklich etwas bewirken wollen in diesem Beruf. Und die sich in der Folge auch nicht zu schade wären, den von ihnen geschaffenen Mehrwert mit Zahlen zu belegen, um das C-Level-Management und das restliche Unternehmen nachweislich mit den Ergebnissen ihrer Arbeit zu begeistern.

Das hier geht an alle, die im Personalbereich arbeiten, von der Lohnverrechnung bis zum Recruiting: Tretet endlich aus dem Schatten der Kostenstelle heraus! Zeigt her, welche enormen Leistungen ihr für eure Unternehmen vollbringt, belegt sie und stellt euch mit vollem Stolz hinter eure Arbeit!

Wo Kritik am Status Quo geübt wird, sollten optimalerweise auch Lösungsvorschläge folgen. Also versuch ich es einfach mal: Die Bezeichnung People Operations oder der Titel eines Employee Success Managers würden diesem fundamental wichtigen Unternehmensbereich wohl viel eher den Namen geben, den er sich schon lange verdient hätte.

Originally published at fifteenseconds.co on February 15, 2016.

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