EXPERTEN IM GESPRÄCH
Wie wir mit Freunden über Geld reden (sollten)
Prof. Dr. Olaf Kramer über Beziehungen, Gesprächskultur und die Versuchung, ein klein wenig zu beschönigen.
Wie praktisch es doch wäre, wenn wir ganz unbefangen über Geld reden würden. Wenn wir uns abends in der gemütlichen Runde mit Freunden zusammensetzen und ihren Rat einholen könnten. „Wie sieht es bei euch aus mit der Altersvorsorge?“, könnten wir fragen. Oder: „Wie organisiert ihr eigentlich eure gemeinsamen Finanzen als Paar, wer zahlt bei euch was?“ Vom karriererelevanten Austausch unter Kollegen ganz zu schweigen!
Über Geld zu reden fällt allerdings vielen von uns nach wie vor schwer. Und je näher wir den Menschen stehen, mit denen wir darüber sprechen wollen, desto verzwickter wird die Sache: Wer gibt vor Freunden und Familie schon gern zu erkennen, dass er mehr oder weniger verdient als sie?
Wir haben uns mit einem Experten für strategische Kommunikation darüber unterhalten, wie wir dem Thema die Brisanz nehmen und mit unseren Lieben entspannter über unsere Finanzen sprechen können.
Finanzguru: Das liebe Geld bereitet uns im Gespräch so einige Schwierigkeiten. Wer viel davon hat, kann darüber kaum reden, ohne als Angeber zu gelten. Und wer wenig hat, der kann auch nur schwer darüber sprechen, weil er sich schnell unterlegen fühlt oder ihm gar unterstellt wird, er sei nur auf Mitleid aus. Wie finden wir einen Weg, um diese Patt-Situation zu vermeiden?
Prof. Dr. Olaf Kramer: Ob es einen Weg um diese Situation herum gibt, das weiß ich nicht. Aber Mittel und Wege, um geschickt damit umzugehen, die gibt es definitiv. Das beginnt mit unserer Perspektive auf das Thema. Manche Theoretiker bezeichnen Geld als Medium. Da ist schon etwas Wahres dran.
Inwiefern?
Geld nutzen wir immer auch als Mittel, um bestimmte kommunikative Ziele zu erreichen. Entweder versuchen wir, unsere eigene Bedeutsamkeit und unsere Machtressourcen zu betonen, indem wir zeigen, dass wir immer über viel Geld verfügen. Aber auch am anderen Ende der Skala können wir über Geld reden: Wenn ich gar kein Geld habe, kann ich dann über dieses Medium transportieren, dass ich hilfsbedürftig bin. Und in der Tat ist es schwierig, wenn diese Gruppen aufeinander treffen. Die Differenz muss dabei nicht einmal gravierend sein: Sobald ein Ungleichgewicht herrscht, wird es kommunikativ anspruchsvoll.
Leider ist das aber die häufigste Ausgangssituation. Die wenigsten von uns verdienen exakt so viel wie Freunde und Verwandte. Wie wirkt sich dieses Ungleichgewicht auf unser Kommunikationsverhalten aus?
Ich glaube, ein ganz typisches Problem, mit dem wir da häufig konfrontiert werden, besteht darin, dass wir versucht sind, zu beschönigen. Und das bedeutet nicht unbedingt, dass unser Kontostand in unserer Erzählung wächst. Auch die Gegenrichtung ist möglich. Wenn wir in der gemütlichen Runde zusammensitzen, sind wir schnell in Versuchung, unsere Finanzen ein wenig an das anzupassen, was die Anderen durchscheinen lassen. Wer weniger hat, will sich schließlich nicht abgehängt fühlen — und wer mehr hat, will auch an dem verstärkten Gemeinschaftsgefühl teilhaben, das die Ähnlichkeit unserer Lebensumstände hervorruft, und verhält sich entsprechend diskret.
Das macht die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema deutlich schwerer. Wenn wir mit unseren engsten Freunden nicht offen reden können — mit wem denn dann?
Ich würde nicht sagen, dass es grundlegend unmöglich ist, mit Freunden ehrlich über Geld zu reden. Vielmehr stellt sich die Frage, wo echte Freundschaft anfängt. Unser Vermögen sollte nicht das sein, was in den Augen unserer Freunde unseren Wert ausmacht. Fängt nicht da die ehrlichste Form der Freundschaft an, wenn ich mich auch traue, meine Finanzen zu besprechen, weil ich mir sicher sein kann, dass für meine Freunde etwas ganz anderes meinen Wert als Person ausmacht? Dass mich meine Freunde nicht danach bemessen, was ich auf dem Konto habe? Wenn Sie mich fragen, wäre das doch ein wünschenswerter Zustand für eine Freundschaft. Oder für enge Beziehungen im ganz Allgemeinen.
Überhaupt erst einmal ins Gespräch zu kommen, das scheint ja die erste große Hürde zu sein. Sei es in Familien, mit Freunden … das Thema anzuschneiden ist auch dann schwierig, wenn alle wissen, dass es im Raum steht. Beispielsweise bei der gemeinsamen Urlaubsplanung: „Wer zahlt was?“ ist in diesem Fall eine ganz legitime Frage. Aber sie laut auszusprechen, das fühlt sich dann doch ein bisschen komisch an.
In der Psychologie werden Beziehungen oftmals als Austausch betrachtet. Dabei reden wir zunächst nicht vom Finanziellen: Ausgetauscht werden in einer Beziehung ganz unterschiedliche Güter. Wenn wir so an unseren Freundeskreis denken, dann ist der eine vielleicht ein witziger Typ, der nächste geht besonders großzügig mit Lob und Komplimenten um und der dritte hat immer die besten Ideen, was man unternehmen könnte. All das sind Güter, die wir einander anbieten und die wir gegeneinander tauschen können.
Nach dieser Theorie wäre Geld also Gut unter vielen, das wir einsetzen können, um unseren Status in einer Beziehung zu bestimmen.
Exakt. Denken wir es mal ganz plakativ und auch ein wenig klischeehaft, dann können wir beispielsweise Geld als Tauschwert für die Schönheit oder den Intellekt eines Partners anbieten, oder auch für das positive emotionale Feedback, das wir von unserem Freundeskreis erhalten. Ob das „echte“ Partnerschaften oder Freundschaften sind oder ob Geld in dieser Hinsicht nicht außen vor sein sollte, darüber lässt sich selbstverständlich streiten. Aber funktionierende Austauschbeziehungen sind das definitiv. Wenn wir Geld als eines unserer Tauschgüter betrachten, dann erklärt das aber auch, warum es so schwer ist, darüber zu sprechen: Weil wir dann im Grunde darüber sprechen müssten, wie die Beziehung eigentlich funktioniert. Was tauschen wir eigentlich — und finden wir, dass das gleichwertig ist?
Da stellt sich dann auch die Frage nach der Augenhöhe: Wer gibt mehr, wer gibt weniger? Und was sagt das darüber aus, was mir die Beziehung wert ist?
Sobald wir anfangen, diese Fragen zu stellen, rühren wir an den Fundamenten unserer Beziehungen — und dann wird es sehr schnell sehr heikel. Insofern kann ich durchaus verstehen, warum in diesem Kontext Geld ein schwieriges Thema ist. Und das ist dann übrigens auch keine rein deutsche Sache, sondern eine Schwierigkeit, die international bekannt ist.
Unterm Strich bedeutet das, dass das Reden über Geld schwierig bleibt, insbesondere für Menschen, die in einer engeren Beziehung zueinander stehen.
Ja, ich würde durchaus sagen, dass das Reden über Geld mittelfristig schwierig bleiben wird. Ich sehe aber auch Veränderungspotential. Eine effektive Strategie, um das Gespräch über die Finanzen weniger unangenehm zu gestalten, besteht beispielsweise darin, unserem Gegenüber bewusst wertschätzend zu begegnen. Es ist wichtig, dass wir klar kommunizieren, dass wir den Wert der Person nicht am Geld bemessen. So können wir einander die Angst vor dem Image-Verlust nehmen, die mit der Offenlegung unserer finanziellen Verhältnisse einhergeht. Das ist eine besonders wichtige Voraussetzung: Dass wir manchmal Neid oder Mitleid verspüren, das können wir nicht immer verhindern. Aber wie wir damit umgehen, ob wir die durch das Geld ausgelösten Emotionen von unserer Beziehung zu unserem Gesprächspartner trennen und so weiterhin sicher miteinander kommunizieren können, das können wir sehr wohl beeinflussen. Das können wir üben und uns angewöhnen.
Dann wäre also „lass es nicht das zentrale Thema werden“ oberstes Gebot, wenn wir über Geld reden?
Vor allem müssen wir sensibel mit dem Thema und unseren Gesprächspartnern umgehen. Ist der Punkt erreicht, an dem sich jemand unwohl zu fühlen beginnt, sollten wir nicht weiterbohren, sondern das Gespräch auf andere Themen bringen. Das Thema Geld sollte ohnehin immer einen Rahmen haben: Wir sollten nicht damit ins Gespräch einsteigen und auch nicht damit aufhören. So können wir erst eine entspannte Situation schaffen — und können das Gespräch mit dem Gedanken an etwas beschließen, das uns nicht die Unterschiede, sondern unsere Gemeinsamkeiten und unsere Wertschätzung füreinander betont.
Olaf Kramer studierte Allgemeine Rhetorik, Philosophie, Psychologie und Neuere deutsche Literaturwissenschaft in Tübingen, Frankfurt am Main und an der UNC, Chapel Hill, USA. Danach war er als Akademischer Rat am Seminar für Allgemeine Rhetorik tätig, wo er 2011 die Leitung der von ihm gegründeten „Forschungsstelle Präsentationskompetenz“ übernahm. Gastdozenturen führten ihn an die Northwestern University in Evanston und an das Department of Education der Harvard University. 2016 übernahm er die Professur für Rhetorik und Wissenskommunikation, seit 2017 ist er Geschäftsführender Direktor des Seminars für Allgemeine Rhetorik. Kramer beschäftigt sich mit den Themen kommunikative Kompetenz, Wissenskommunikation, politische Rede und Digitalisierung. Seit 2013 hat Kramer die „Science Notes“ als neues Kommunikationsformat bundesweit etabliert und die Zeitschrift „Science Notes“ auf den Weg gebracht, um die öffentliche Wahrnehmung wissenschaftlicher Forschung zu stärken.