Bénédicte Blondeau: Ce qu’il reste (de)

Photoforum Pasquart
Flare | Photoforum
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3 min readNov 7, 2021

Von Miriam Edmunds

Als Kind schlief ich in einem Ozean. Meine Mutter hatte die Wand meines Schlafzimmers in einem hellen Blau gestrichen und das Wasser mit schwarzen Fischen und Seegras belebt. Diese Unterwasserwelt begleitete mich jahrelang.

Heute, als Erwachsene, faszinieren mich Wasser und die darin lebenden Tiere noch immer. Mittlerweile besitze ich Aquarien, die mich — meinen Blick und meine Aufmerksamkeit — in ihren Bann ziehen. Ich kann stundenlang davor sitzen. Sie beruhigen mich.

Denselben anziehend-beruhigenden Effekt verspüre ich beim Betrachten der Ausstellung Ce qu’il reste von Bénédicte Blondeau. Verständlicherweise haben mich ihre Fotografien von Quallen wie magisch angezogen. Wunderschön in schwarz-weiss und auf glänzendem Papier werden die Meeresbewohner präsentiert. Die Fotografie reflektiert das Licht im Ausstellungsraum wie die Spiegelung auf der Wasseroberfläche.

Ce qu’il reste © Bénédicte Blondeau

Zwischen die Bilder von Quallen sind nächtliche Stadtansichten aus der Vogelperspektive eingeschoben. Das Netz aus Lichtern erinnert an die Tentakeln der Tiere. Die Fotografien strahlen etwas magisches aus und wirken dank ihrer Platzierung im Raum ebenso natürlich wie die ihnen gegenübergestellten Meerestiere.

Ce qu’il reste © Bénédicte Blondeau

Blondeau setzt menschgemachte Architektur diversen Landschaften gegenüber, darunter Felsen, Täler und Gewässer. Die fotografierten Räume sind Übergangräume: Wartesäle und Korridore. Diese Fotografien wirken nicht trist, sondern ehrwürdig. Auch sie strahlen eine beinah greifbare Ruhe aus.

Die Fotografin schreibt: «Photography itself is often considered as the medium of the ephemeral. It shows us a moment that undeniably belongs to the past, reveals our passages in a constantly changing reality, like a scar recalling our memories: a metaphor of the fragility of human existence.» Blondeaus Fotografie lädt ein zu einer Reise durch Zeit und Ort, wobei Fotografie stets die Vergangenheit repräsentiert. Die Fotografie eröffnet Fenster in die Vergangenheit und führt uns damit die Vergänglichkeit von Leben und Kultur vor Augen. Diese Idee unterstreicht Blondeau mittels einer Fotografie eines einbandagierten Kopfs einer Skulptur. Er erinnert an die Kunst der Griechen und Römer und somit an unser westliches Erbe, welches in Blondeaus Fotografie auseinanderzufallen scheint. Selbst das Erbe unserer antiken Hochkulturen ist nicht vor dem Zerfall geschützt. Dem gegenüber stehen die naturgemachten Landschaften und Formen, welche sich über Millionen Jahre entwickelten und formten. Ihnen haftet ein Hauch von Ewigkeit an.

Ce qu’il reste © Bénédicte Blondeau

Die Fotografien in der Ausstellung «Ce qu’il reste» haben gemeinsam, dass sie Räume zeigen, wo der Mensch abwesend ist, obwohl er anwesend sein könnte. Was bleibt also, wenn der Mensch aus dem Bild herausgenommen wird? Ruhe. Selbst die Stadtansichten sind auf eine Art und Weise fotografiert, dass sie ruhig wirken. Nichts ist zu spüren von den Bewohner:innen, den Autos, dem Leben auf der Strasse.

Blondeaus Fotografien wirken unabhängig des Sujets entrückt. Sie laden ein zum tiefen Eintauchen in natürliche und menschgemachten Formen und in das damit einhergehende Gefühl von Entspannung und Ruhe.

Ce qu’il reste © Bénédicte Blondeau

Die Ausstellung Ce qu’il reste ist vom 12. September bis 21. November 2021 im Photoforum Pasquart zu sehen.

Miriam Edmunds ist Historikerin mit Schwerpunk Fotografie. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Photoforum Pasquart.

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